Serenade für Edmund Stoiber Fast wie bei Königs

Von Sebastian Wieschowski
Mit einer feierlichen Serenade verabschiedete die Bundeswehr gestern Abend den bayerischen Ministerpräsidenten. Edmund Stoiber nahm die vielen warmen Worte bescheiden entgegen und gab noch einen letzten grandiosen Versprecher zum Besten.

Seite an Seite mit seiner Frau Gemahlin schreitet der silberhaarige Bajuwaren-Goldjunge Edmund Stoiber auf dem roten Teppich die Kaisertreppe hinauf in die Beletage des bayerischen Freistaats, wo sonst unter Kronleuchtern "echte" Staatsgäste empfangen werden. Otto Wittelsbacher, Karl der Große und Ludwig der Bayer blicken als Marmorbüsten mit versteinertem Blick auf den großen Bayern-Übervater herab, für dessen Antlitz - zumindest in der Galerie der Kaisertreppe - kein Platz mehr ist. Die versammelte politische Entourage des Ministerpräsidenten ist gekommen: CSU-General Markus Söder, der sein Lächeln smart in jede Kamera schiebt, der Regierungsverantwortungsalleinerbe Günter Beckstein, die bajuwarische Stimme der Bundesregierung Ulrich Wilhelm.

Obwohl sich der Mann, bei dem der Ausdruck "Ministerpräsident des Freistaates Bayern" manchmal wie ein einziges Wort klang, eigentlich nicht mehr bundespolitisch äußern wollte, bekommen seine Lieblingsthemen im Kaisersaal die letzte Ölung. Die Wehrgerechtigkeit beispielsweise sei für ihn gegeben, schließlich würden derzeit 80 Prozent der Männer eingezogen. Das ist nicht ganz richtig - nach den Zahlen, die die Bundeswehr der Zentralstelle für Kriegsdienstverweigerer mitgeteilt hatte, wurden 46,2 Prozent im ersten Halbjahr 2007 ausgemustert - aber wer legt in dieser historischen Stunde auf harte politische Fakten Wert? Wenig später beweist Stoiber, dass er auch auf dem blitzblanken internationalen Parkett auch ohne Transrapid ins Schleudern geraten kann. Die nukleare Gefahr von Süd, äh, Nordkorea werde unterschätzt. Ob Stoiber sich diesen Versprecher zurecht gelegt hat, sozusagen als halsbrecherisches "Bonmot" auf dem Weg ins europäische Walhalla der Akten? Dieses Geheimnis wird er nach Brüssel mitnehmen.

Mystisch-sanfter Schleier aus grauem Historienmuff

Vor dem Hofgarten beginnt die Götterdämmerung: Fünfzig Matrosen halten Fackeln in den Himmel, das Gemäuer der Münchner Residenz wird von einem gerade zu mystisch-sanften Schleier aus grauem Historienmuff umhüllt, es kommt staatstragende Romantik auf, wie sie der bayerische Otto Normal-Freistaatler gerne genießt. In die wartende Menge hat sich auch so mancher Oktoberfest-Gast verirrt. Ministerpräsidenten-Gattin Karin nimmt - fast wie bei Königs - auf einem goldenen Stuhl mit rotem Samtbezug Platz, während ihr Gemahl auf dem Podest die Brust herausdrückt und seinen Kopf in eine ernste Denkerpose schiebt, als stehe er für seine eigene Marmorstatue Modell. Mit gleichbleibend erhabenem Blick mustert Stoiber die Militärkapelle, deren schwere Stiefel auf dem nassen Asphalt wie die Ballett-Schuhe einer feinen Ballerina klingen.

Der bayerische Ministerpräsident höchstpersönlich hat die Musi ausgesucht, zu deren Klängen er sich von der landespolitischen Bühne verabschieden will. Für jeden Geschmack ist was dabei: Ufftata pur mit "Des Großen Kurfürsten Reitermarsch" für den Militaristen, der wesentlich lieblichere "Larida Marsch" für Musikantenstadl-Freunde und - man mag es kaum glauben - der Beatles-Klassiker "Let it be", ein persönlicher Wunsch Stoibers. Das Volk findet die Songauswahl klasse und klatscht energisch Beifall. Auf der VIP-Tribüne schaut man erst peinlich berührt - ein paar Augenblicke ist unklar, ob Beifallklatschen in Anwesenheit der Bundeswehr erlaubt ist - und klatscht dann doch die Hände zusammen.

Zum Abschied bekommt Edmund noch einen Hauch des staatspolitischen Pomps, den sonst nur deutsche Bundespräsidenten genießen dürfen. Keine zwölf weißen Mäuse, wie die Motorradpolizisten in Berlin liebevoll genannt werden, sondern fünf graue Motorrad-Mäuse von den Feldjägern eskortieren die schwarze Oberklasse-Kutsche des Noch-Regierungschefs. Der dreht sich noch einmal zum Volk, tut ein paar Schritte zurück, winkt mit der flachen Hand. Dann verschwindet er im Auto. Ede gut, alles gut. Man sieht sich in Brüssel.