Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) hat eine zügige Aufklärung des Verdachts auf falsch deklarierte Eier aus Freiland- und Bio-Haltung angemahnt. "Wenn sich die Vorwürfe bewahrheiten, geht es hier um Betrug im großen Stil: Betrug an den Verbrauchern, aber auch Betrug an den vielen Bio-Landwirten in Deutschland, die ehrlich arbeiten", sagte Aigner am Montag in Brüssel.
Sie verwies darauf, dass Vorgaben an Bio-Betriebe sehr streng seien und strikt eingehalten werden müssten. Es nütze nichts, wenn Bund und EU immer weiter Gesetze verschärften. "Die zuständigen Kontrollbehörden der Bundesländer müssen diese Gesetze auch überwachen", sagte Aigner.
Die Landwirtschaftsministerin begrüßte die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft. "Es ist hier richtig, dass auch strafrechtlich vorgegangen wird", sagte Aigner. "Und wenn sich herausstellt, dass es eben zu einer massenhaften Umdeklarierung gekommen ist, dann muss mit aller Härte von der Seite der Justiz vorgegangen werden." Zusammen mit anderen EU-Agrarministern nimmt Aigner in Brüssel an einem Treffen teil, bei dem am Montag und Dienstag über den Pferdefleisch-Skandal und die europäische Landwirtschaftspolitik beraten wird.
Nach Ansicht des niedersächsischen Landwirtschaftsministers Christian Meyer (Grüne) müssen überführte Eier-Betriebe mit eindeutigen Konsequenzen rechnen. "Wir prüfen dann, ob man den überführten Betrieben (...) die Betriebserlaubnis entzieht", sagte Meyer im ARD-Morgenmagazin. Hinter der möglichen massiven Verbrauchertäuschung könne sich eine "ziemliche kriminelle Energie" verbergen, so der Grünen-Politiker. "Es geht hier nicht nur um Bio-Betriebe, es geht um alle Haltungsformen. Es geht um Käfig-, Boden-, Freilandhaltung, wo möglicherweise deutlich mehr Hühner gehalten worden sind als erlaubt." Meyer, ein engagierter Kämpfer gegen Massentierhaltung, hatte erst vor knapp einer Woche das Amt als neuer niedersächsischer Landwirtschaftsminister aufgenommen.
Künast fordert schärfere Kontrollen
Auch Grünen-Politikerin Renate Künast forderte eine schärfere Kontrolle von landwirtschaftlichen Betrieben. "Wichtig ist, dass vorne die Kontrollen ordentlich funktionieren. Das haben sie hier, auch die staatlichen, nicht getan", sagte die Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion im ARD-Morgenmagazin. Kontrolleure prüften in den Betrieben zwar das Futter und die Haltung der Tiere im Allgemeinen, nicht aber die Zahl der Hühner insgesamt. "Wir müssen einen Weg finden zu zählen", sagte die ehemalige Bundeslandwirtschaftsministerin. Schärfere Strafen allein reichten nicht aus, um den Betrug in Landwirtschaftsbetrieben zu stoppen.
Der Beamtenbund forderte die Einstellung von mehr Kontrolleuren. "Wir müssen in Deutschland den Kontrolldruck bei der Lebensmittelsicherheit deutlich erhöhen", sagte der dbb-Vorsitzende Klaus Dauderstädt. "Uns fehlen schon jetzt über 1000 Lebensmittelkontrolleure, und auch in diesem Bereich ist der öffentliche Dienst überaltert und unterbesetzt."
Auf einen Lebensmittelkontrolleur kämen inzwischen tausend Betriebe. Dauderstädt: "Da können weder die Fertigprodukte in Supermärkten noch die Produktionsbedingungen in der Landwirtschaft wirkungsvoll kontrolliert werden." Das Problem werde sich in den nächsten Jahren noch massiv verschärfen, wenn Bund und Länder nicht umgehend für eine sachgerechte Mittel- und Personalausstattung sorgten. Dauderstädt: "Wir haben hier kein Gesetzesdefizit, sondern ein Vollzugsdefizit."
Die Staatsanwaltschaft Oldenburg ermittelt nach Angaben von Sonntag gegen rund 150 Betriebe in Niedersachsen, etwa 50 weitere Verfahren wurden an Ermittler in anderen Bundesländern abgegeben. Sollten die Ermittlungen tatsächlich ergeben, dass Bio- und Freiland- Betriebe Legehennen entgegen Vorschriften auf engstem Raum gehalten haben, müssten diese laut Künast auch öffentlich genannt werden. "Ich finde, denen die gut arbeiten, muss man das antun, dass die anderen beim Namen genannt werden." Künast, die im Jahr 2002 als Ministerin eine bessere Kennzeichnung von Eiern durchgesetzt hatte, lobte die biologische Landwirtschaft trotz des sich möglicherweise anbahnenden Skandals als "gutes Zeichen dafür, eine andere Haltung zu haben".
Empörung um Etikettenschwindel
Die Skandale um Pferdefleisch und Bio-Eier lassen die Kritik an Lebensmittel-Etiketten lauter werden, Verbraucherschützer fordern seit langem mehr Klarheit auf Etiketten und mehr Kontrollen. "Die Verbraucherinnen und Verbraucher müssen sich darauf verlassen können, dass drin ist, was drauf steht - auch bei Bio-Waren", mahnte Aigner mit Blick auf den jüngsten Fall.
"Viele Verbraucher fühlen sich durch die Aufmachung von Lebensmitteln getäuscht", sagte Gerd Billen, Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv) kürzlich bei einer Zwischenbilanz des eigenen Portals "Lebensmittelklarheit". In dem Internet-Angebot, bei dem Kunden Zweifelsfälle melden können, ging es besonders oft um Zutaten und Zusatzstoffe.
Dabei ist vieles gesetzlich geregelt - angesichts des europäischen Binnenmarkts müssen verpflichtende Angaben EU-weit festgelegt werden. Auf die Packungen gehört unter anderem ein Verzeichnis der Zutaten in der Reihenfolge der enthaltenen Menge. Ist Fleisch im Produkt, muss die Tierart genannt werden. Wenn es sogar besonders hervorgehoben ist wie in "Rindfleisch-Lasagne" oder durch eine Abbildung auf dem Karton, muss auch die Menge in Prozent in die Liste.