Union und SPD setzen ihre Sondierungsgespräche über die Bildung einer großen Koalition fort. In der dritten Gesprächsrunde wollen Spitzenvertreter beider Seiten am Nachmittag in Berlin über eine Bestandsaufnahme zur Lage der öffentlichen Haushalte, der Sozialsysteme und des Arbeitsmarktes beraten. Dazu will die SPD eine Vorlage präsentieren. Die Unionsseite will außerdem erneut den festgefahrenen Streit um die Kanzlerschaft in einer großen Koalition zur Sprache bringen.
Die CDU rechnet nach Angaben aus der Parteispitze mit einer Aussetzung der Sondierungen, falls die SPD weiterhin an dem Führungsanspruch für Bundeskanzler Gerhard Schröder festhalten sollte. Die Union will erst Verhandlungen über eine große Koalition beginnen, wenn die SPD den Anspruch von CDU-Chefin Angela Merkel auf die Kanzlerschaft akzeptiert. Die Sozialdemokraten wollen darüber erst im Zuge offizieller Koalitionsverhandlungen entscheiden.
Auf Unionsseite nehmen Kanzlerkandidatin Angela Merkel und CSU-Chef Edmund Stoiber sowie fünf weitere Vertreter von CDU und CSU teil, die SPD ist mit Schröder, Parteichef Franz Müntefering und ebenfalls fünf weiteren Spitzenpolitikern vertreten. Vor dem Treffen hatten sich die Fronten erneut deutlich verhärtet.
Der stellvertretende SPD-Fraktionschef Ludwig Stiegler drohte damit, die Sondierungsgespräche vorzeitig abzubrechen, sollte die Union die Kanzlerfrage zuerst klären wollen. Im Nachrichtensender N-TV sagte er, seine Partei wolle Kanzler Gerhard Schröder halten. "Ich weiß gar nicht, wie einige darauf kommen, dass wir unsere beste Marke aus dem Verkehr ziehen sollten."
Und weiter lockt Jamaika
Thüringens Ministerpräsident Dieter Althaus (CDU) sagte dagegen, die SPD müsse den Führungsanspruch Merkels endlich akzeptieren. Wenn die SPD-Vertreter in der Kanzlerfrage nicht einlenkten, müssten danach die Parteigremien entscheiden, so Althaus. Sollten die Gespräche scheitern, müsse die Union noch einmal mit der FDP und den Grünen über die Bildung einer Regierung verhandeln.
Ebenfalls für einen wohlwollenden Blick auf eine "Jamaika-Koalition" sind der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Norbert Röttgen, und der FDP-Generalsekretär Dirk Niebel. Der hatte der Chemnitzer "Freien Presse" gesagt, es wäre ein großer Fehler, "ein gemeinsames Regierungshandeln von Union, FDP und Grünen nicht intensiv zu erörtern".
Die SPD-Parteirechte kritisierte die Haltung der Union in der Kanzlerfrage. "Die Union wird es nicht lange durchhalten, Personalfragen vor Inhalte zu setzen", sagte Klaas Hübner, Sprecher des konservativen Seeheimer Kreises, der "Welt" (Mittwoch). An erster Stelle müsse das "Wohl Deutschlands" stehen.

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Ergebnis der Dresden-Wahl anerkennen
Die drei direkt gewählten sächsischen SPD-Bundestagsabgeordneten Gunter Weißgerber, Detlef Müller und Rainer Fornahl mahnten in der "Leipziger Volkszeitung" (Mittwoch), die Verhandlungen über eine große Koalition dürften nicht an Personalstreitigkeiten scheitern. Zwar sei Schröder aus ihrer Sicht der bessere Kanzler. Aber "man muss doch jetzt nach der Dresden-Wahl das Wahlergebnis anerkennen", sagte Müller. Und da sei die Realität, dass die Union vier Sitze Vorsprung habe.