Spaltpilz Linksbündnis "Das muss eine Gewerkschaft aushalten"

Spaltet das Linksbündnis die Gewerkschaften? Wie sollen sie der Melange aus WASG und PDS begegnen - mit offenen Armen, mit Ablehnung? Im stern.de-Interview gibt ein WASG-Politiker, der für Verdi arbeitet, Antworten.

Herr Krämer, Sie arbeiten als Gewerkschaftssekretär für den Verdi-Bundesvorstand. Gleichzeitig bewerben Sie sich in Berlin als WASG-Bundestagskandidat für einen Platz auf der Liste der Linkspartei. Auf welche Resonanz stößt die WASG bei Ihren Gewerkschafts-Kollegen?

Wir haben es mit einer Einheitsgewerkschaft zu tun, und die WASG hat den Anspruch, genau so behandelt zu werden wie andere demokratische Parteien auch. Ich sehe jedoch in vielen Fragen eine inhaltliche Übereinstimmung zwischen dem, was die WASG vorschlägt, und gewerkschaftlichen Positionen. Das ist auch kein Wunder, weil bei der WASG viele aktive Gewerkschafter dabei sind. Sie tragen wesentlich die Partei.

Verdi-Chef Frank Bsirske hat sich positiv gegenüber dem Linksbündnis und der WASG geäußert, IG-BCE-Chef Hubertus Schmoldt gab sich kritisch, DGB-Vizechefin Ursula Engelen-Kefer möchte am liebsten gar nichts zum Linksbündnis sagen. Spalten Sie die Gewerkschaften?

Nein, das muss eine Gewerkschaft aushalten. So wie es früher die Kollegen aus der CDU und der SPD gab - so gibt es jetzt eben die Kolleginnen und Kollegen, die sich der Linkspartei oder der WASG zurechnen. Das bewerten die einen oder anderen unterschiedlich. Dass der Kollege Schmoldt eine größere Bindung zur Sozialdemokratie aufweist, das ist nichts Neues. Das sind aber normale Differenzen - ein Problem ist das nicht.

Erwarten Sie eine wirtschaftspolitische Kehrtwende der Gewerkschaften?

Die Gewerkschaften haben in der Vergangenheit keinen Schröder-freundlichen Kurs gefahren. Immerhin hat der DGB im letzten Jahr zu großen Demonstrationen aufgerufen und sich kritisch mit den Hartz-Reformen auseinandergesetzt. Verdi und die IG-Metall vertreten schon lange die Forderung nach einem wirtschaftspolitischen Kurswechsel. Es gibt eine kritische Haltung gegenüber der Politik Gerhard Schröders. In vielerlei Hinsicht wäre eine schwarz-gelbe Regierung allerdings noch schlimmer.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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In der WASG sind viele Gewerkschafter in führenden Positionen. Ist die WASG ein Gewerkschaftsprojekt?

Nein, Parteien und Gewerkschaften sind zwei verschiedene Paar Stiefel. Die Gewerkschaften haben die WASG nicht gefördert. Die Parteien sind von den Gewerkschaften genauso unabhängig wie umgekehrt. Die Gründung der WASG war eine Initiative von unabhängigen Leuten, von denen eben viele einen gewerkschaftlichen Hintergrund haben. Früher war die Sozialdemokratie Ansprechpartner der Gewerkschaften. Die Sozialdemokraten vermittelten gewerkschaftliche Forderungen in die Politik. Das hat die SPD in den vergangenen Jahren einfach nicht mehr gemacht. Es gab eine Leerstelle, ein Verlangen nach einer neuen politischen Kraft, die ansprechbarer ist.

Zur Person

Ralf Krämer, 45, arbeitet als Gewerkschaftssekretär für den Bundesvorstand der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi. In seiner Freizeit ist er für die Berliner WASG aktiv, die ihn auf Platz zwei ihrer Liste für die Bundestagswahl gesetzt hat. Nun bewirbt er sich um einen Platz auf der Liste der Berliner PDS, die am Samstag entscheidet. Der Diplom-Sozialwissenschaftler war auch an der Formulierung der wirtschaftspolitischen Programmatik der WASG-Bundespartei beteiligt. In den achtziger und neunziger Jahren war Krämer SPD-Mitglied und auch im Vorstand der nordrhein-westfälischen SPD aktiv. Später war er eine Zeitlang bei der PDS. Krämer lebt in Berlin. Er hat eine Tochter.

Gibt es in der WASG eine Zwei-Klassen-Gesellschaft von Gewerkschaftern und Nicht-Gewerkschaftern?

Nein, die Gewerkschafter sind unter den Mitgliedern und den Funktionären sogar eine Minderheit. Allerdings bestehen hinsichtlich wesentlicher politischer Positionen Übereinstimmungen zwischen WASG und Gewerkschaften. Die Vertretung von Arbeitnehmerinteressen, von Interessen sozial Schwächerer - das ist im Kern schon das, was die WASG ausmacht. Die WASG will die sozialen Belange breiter Schichten der Bevölkerung vertreten. Im Prinzip ist das derselbe Anspruch, den auch Gewerkschaften haben. Es ist gut, dass es diese inhaltlichen Übereinstimmungen gibt. Und ich hoffe, dass es dabei bleibt.

Weshalb zögert dann etwa Frau Engelen-Kefer, sich zur Linkspartei zu äußern?

Formal kann sie anführen, dass noch kein endgültiges Wahl-Programm vorliegt. Vielleicht möchte sie aber auch nicht gerne feststellen, dass es eine große Übereinstimmung gibt.

Gibt es Berührungsängste?

Nein, von Berührungsängsten würde ich nicht sprechen. Aber es gibt sicherlich eine Hemmung, sich allzu positiv zu äußern.

Sind Sie die Totengräber der SPD-Regierung?

Im Gegenteil. Wenn es die WASG und die Linkspartei in dieser neuen Form nicht gäbe, dann wäre es so sicher wie das Amen in der Kirche, dass eine schwarz-gelbe Koalition an die Macht käme. Wenn wir Glück haben, bewahren wir Republik und Gewerkschaften nun vor einer schwarz-gelben Regierung. In einer großen Koalition müsste die SPD dann beweisen, wie ernst sie es mit jenen arbeitnehmerfreundlichen Punkten meint, die in ihrem Wahlprogramm durchaus wieder drin stehen.

Interview: Florian Güßgen