Staatshaushalt Der Rekordhalter

Bundesfinanzminister Hans Eichel hat eingestanden, dass die Neuverschuldung des Bundes weit über das bisher geplante Maß hinausgehen wird - und 43 Milliarden Euro betragen soll. Rekordinhaber bisher: Vorgänger Theo Waigel.

Bundesfinanzminister Hans Eichel rechnet nun selbst für dieses Jahr mit einem Rekordwert bei der Neuverschuldung. "Bislang ging ich ungefähr von einer Verdopplung der im Haushalt vorgesehenen 18,9 Milliarden Euro aus. Es könnte allerdings auch noch ein wenig mehr werden", sagte der SPD-Politiker laut "Focus". Der bisherige Rekord wurde 1996 mit 40 Milliarden Euro erzielt. In der Koalition werden dieses Jahr etwa 43 Milliarden Euro erwartet.

Eichel macht Konjunkturkrise verantwortlich

Eichel, der seinen Nachtragsetat um den 23. Oktober vorlegen will, machte für das Anwachsen des Schuldenbergs vor allem die Konjunkturkrise verantwortlich. "Drei Jahre Stagnation haben unsere Konsolidierungserfolge aus den Jahren 2000 und 2001 zunichte gemacht", sagte er in dem am Samstag veröffentlichten Interview. Im Ringen mit Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) um Einsparungen beim Bundeszuschuss zur Rente in Höhe von zwei Milliarden Euro will Eichel nicht nachgeben: "Wir haben einen Kabinettsbeschluss. Der gilt."

EU-Währungskommissar Pedro Solbes rechnet nach "Focus"-Informationen auch im kommenden Jahr mit einem klaren Verstoß Deutschlands gegen die Euro-Stabilitätskriterien. In seiner Herbstprognose gehe er für die Bundesrepublik von einem Staatsdefizit von vier Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus. Der Maastricht-Vertrag erlaubt maximal drei Prozent.

Null-Wachstum in der Bundesrepublik erwartet

Deutschland würde damit zum dritten Mal in Folge gegen den Stabilitätspakt verstoßen. Solbes will die Herbstprognose am 29. Oktober vorstellen. Wie "Focus" unter Berufung auf das Umfeld des EU-Kommissars berichtete, könnte im Extremfall die Neuverschuldung sogar auf bis zu fünf Prozent steigen. Dem Blatt zufolge erwartet die EU-Kommission wie auch der Internationale Währungsfonds in diesem Jahr ein Null-Wachstum in der Bundesrepublik. 2004 werde sich die deutsche Wirtschaft bei bis zu zwei Prozent Wachstum erholen.

Dieses Jahr wird die gesamtstaatliche Verschuldung nach Angaben aus Koalitionskreisen "wohl mindestens 4,1 Prozent" betragen. Die Ausweitung der Kreditaufnahme des Bundes geht vor allem auf die hohe Arbeitslosigkeit zurück. Die Bundesanstalt für Arbeit, die ursprünglich dieses Jahr ohne Bundeszuschuss auskommen sollte, brauche rund acht Milliarden Euro. Für die Arbeitslosenhilfe müsse der Bund außerplanmäßig mindestens vier Milliarden Euro aufbringen.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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FDP legt Eichel Rücktritt nahe

Die FDP legte Eichel den Rücktritt nahe. Nach Einschätzung ihres Haushaltsexperten Jürgen Koppelin ist Eichel gescheitert. "Der Sparkommissar hat sich selbst aufgelöst und ist zum Schuldenmacher der Nation geworden", sagte Koppelin. Für die Schuldenmacherei von heute müssten künftige Generationen aufkommen.

Eine Mehrheit der Bevölkerung lehnt trotz der hohen Staatsverschuldung Eichels Rücktritt ab. Während sich 45 Prozent in einer Umfrage für einen Rücktritt aussprachen, plädierten 49 Prozent für Eichels Verbleib auf dem Posten. Das ergab eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Infratest dimap im Auftrag der "Welt am Sonntag".