Dieser Mann soll ein "Krokodil" sein? Ein Kerl, der tagtäglich im politischen Sumpf lauert. Der schneller und angriffslustiger zuschnappt als alle anderen. Der keine Rücksicht darauf nimmt, ob er dabei einen aus der eigenen Partei erwischt. Etwa seinen Ministerpräsidenten Günther Oettinger, den am liebsten.
Da lächelt Stefan Mappus beim Lunch mit stern.de im Stuttgarter Gourmet-Restaurant. Gabelt die amuse geule des Sterne-Kochs so behutsam auf, als scheue er ein wenig die genießerische Zerstörung der kulinarischen Kunstwerke und sagt: "Ach ja, das ist auch so ein Klischee, das man mir gerne anhängt. Die behaupten, wenn der Mappus dem Oettinger das Leben schwer machen kann, dann macht er es." Alles Humbug.
Doch es gibt eine Menge Leute, die Stefan Mappus, 41, seit zwei Jahren Fraktionsvorsitzender der CDU im baden-württembergischen Landtag, nicht leiden können. Ein karrieregeiler Haudrauf sei er, gnadenloser Populist, rechts von ihm sei nur noch die Wand. Im Landtag ätzt er schon mal, wenn die SPD-Vorsitzende Ute Vogt das Wort ergreift, jetzt komme "ein Höhepunkt, nicht vorgetäuscht, sondern real" Das ist insoweit unter der Gürtellinie, weil Vogt einmal ausgeplaudert hat, beim Sex auch mal einen Höhepunkt vorgetäuscht zu haben. Das sind Vorlagen im politischen Nahkampf, die ein Mappus liebt. Solche Tore schießt er gern.
Ein "sehr offenes Verhältnis" zu Öttinger
Aber ebenso knallhart Front machen gegen den Ländle-Regierungschef und CDU-Vorsitzenden Oettinger? Nun, befreundet sind die beiden nicht, sagen Parteifreunde, die Oettinger wie Mappus genau kennen. Dafür seien sie vom Typ her viel zu unterschiedlich. Mappus selbst beschreibt die Beziehung gerne als "sehr offenes Verhältnis." Die Floskel besagt in der Politik: Man streitet schon mal miteinander, sieht sich als Konkurrenten, geht einander aber nicht an die Gurgel. Wenn Mappus gewollt hätte, sagen Kenner der Stuttgarter Machtkampf-Szene, dann hätte Oettinger seine fatale Rede auf der Totenfeier von Alt-Ministerpräsident Hans-Karl Filbinger politisch nicht überlebt. Aber der in Pforzheim geborene Mappus hat still gehalten.
Nicht so an anderer Stelle. Er will, dass "der konservative Markenkern der CDU wieder stärker ins Bewusstsein der Wähler gerückt wird." CDU pur, ist sein Schlachtruf. Um den bundesweit hörbar zu machen, traf sich der bundespolitisch in der CDU eher noch unbekannte Mappus dieser Tage im Berliner Polit-Café "Einstein" mit so bewährten Rechtsauslegern der Unionsparteien wie CSU-Generalsekretär Markus Söder, dem Junge-Union-Chef Philipp Missfelder und Hendrik Wüst, Generalsekretär der CDU von Nordrhein-Westfalen. Das wurde sogleich als eine Art Konspiration zur Rettung der konservativen CDU deklariert. Allerdings, wer Geheimbündelei im Sinn hat, dürfte sich kaum den politischen Catwalk des "Einsteins" aussuchen. Dort geht man hin, wenn man partout gesehen werden will. Tatsächlich betrieb das Quartett bei dem Treffen, das bundesweit publizistische Beachtung fand, Öffentlichkeitsarbeit für die konservative Sache: Seht her, wir kämpfen dafür, dass das Wertkonservative nicht vollends aus der Union vertrieben, dass das konservative Profil von CDU und CSU nicht vollends platt gemacht wird. Ende August wollen Mappus und Co. ein entsprechendes Strategiepapier präsentieren.
Friedrich Merz hätte nicht gehen dürfen
Das kann man natürlich als eine Art verdeckte Kampfansage an die CDU-Vorsitzende Angela Merkel verstehen, die ihre Partei vor allem für junge Frauen und großstädtisches Publikum stärker öffnen will. Das passt vielen in der CDU überhaupt nicht. Auch Mappus warnt. Wer die konservativen Wähler aus den Augen verliere, komme bei Bundestagswahlen künftig nicht mehr über 40 Prozent.
Gegen diesen Trend macht Mappus mobil. Gegen die Entscheidung Merkels beispielsweise, einen konservativen Mann wie Friedrich Merz ziehen zu lassen. "Ein schwerer Fehler." Er fordert ein "Wertegerüst" der CDU-Politik. Vor allem müsse nach der Wahl gelten, was vor der Wahl gesagt wurde. Natürlich weiß er, dass dies direkt auf die Kanzlerin zielt. Andererseits hat er ein ganz persönliches Wertegerüst. "I mach' nix hinnerum". schwäbelt er.
Mit 30 Jahren schon im Landtag
Das hat der Baden-Württemberger in seiner noch kurzen, aber steilen politischen Karriere oft bewiesen. Noch als Schüler trat der heute 41-Jährige der Jungen Union bei. Nach dem Abitur flugs in die CDU. Der gelernte Industriekaufmann und studierte Wirtschaftswissenschaftler saß bereits mit 30 im Landtag, war mit 32 Staatssekretär im Umweltministerium, das er 2004 - von Oettingers Vorgänger Erwin Teufel liebevoll gefördert - als Ressortchef übernehmen durfte.

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Was wie ein glatter Durchlauf bis ins Amt des Fraktionschefs wirkt, war mehr als einmal das Ergebnis heftiger Machtproben. Den Vorsitz der Landtagsfraktion krallte er sich nach Teufels Abgang gegen den Willen Oettingers, getreu seiner Devise "Wenn man gegen den Wind startet, ist der Auftrieb am stärksten." In einer Kampfabstimmung obsiegte er knapp. Er kündigte gegen Oettingers Willen eine Kandidatur für den stellvertretenden CDU-Landesvorsitz an und vor einer Kampfkandidatur gegen den Amtsinhaber Matthias Wissmann sei ihm dabei nicht bange. Prompt erweiterte die CDU die Zahl der Oettinger-Stellvertreter um einen Posten, um Mappus zufrieden zu stellen.
Eine Koalition mit den Grünen sei "ernsthaft zu prüfen"
Als Oettinger nach der Landtagswahl 2006 auch mit den Grünen Sondierungsgespräche über eine Koalition führte, sie aber im kleinsten CDU-Kreis dann für beendet erklärte, preschte Mappus am nächsten Tag vor und erklärte, ehe Regierungschef Oettinger den Beschluss verkünden konnte: Mit den Grünen läuft nichts. Was ihn aber nicht hindert, heute im Interview mit stern.de zu erklären, eine Koalition mit den Grünen sei "ernsthaft zu prüfen", wenn sich die Frage stelle, ob noch einmal Schwarz-Rot oder doch besser Schwarz-Grün stattfinden solle.
Die Gelegenheit, das eigene konservative Profil zu schärfen, die Mappus auslässt, die gibt es nicht. Als Umweltminister teilte er seinen Beamten barsch mit, ihre für den Minister entworfenen Briefe genügten bezüglich der Qualität der Rechtschreibung "noch nicht einmal den hinteren Rängen in der Pisa-Studie." Den Gedanken, Migranten über ein Einwanderer-TV die Integration zu erleichtern, bürstete er rigoros ab. Das erlaube Ausländern nur, es sich ohne Deutsch-Kenntnisse in ihrer Nische bequem zu machen.
Kein Kindergeld für Eltern straffällig gewordener Kinder
Mal wütete er gegen den Ausbau der Krippenplätze mit dem Vorwurf, die CDU ergehe sich "in blindem Streben nach Modernität." Mal mobilisierte er die CDU-Fraktion gegen mehr verkaufsoffene Sonntage. Als ein SPD-Abgeordneter nach der Filbinger-Affäre von "brauner Soße" in den Köpfen Einiger in der CDU sprach, zog er unverzüglich vor Gericht - und verlor. Kindergeld für die Eltern straffällig gewordener Kinder? Nichts da! CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla machte er mit dem Satz an, die CDU brauche einen Generalsekretär, der das Profil der Partei schärfe, keinen "Koalitionssekretär." In Richtung Merkel maulte er gegen "konturenloses Herumlavieren," denn "Führung ist mehr denn je gefragt." Dann rief er auf, das Thema Ute Vogt "final" zu lösen - diese Wortwahl hält sogar er selbst heute für einen Fehler.
Devise allen Treibens des Fraktionsvorsitzenden des immerhin zweitgrößten CDU-Landesverbands der Republik: "Mir ist ein sichtbarer Fraktionsvorsitzender lieber als ein unsichtbarer." Schon vergleichen ihn seine Fans mit dem jungen Franz-Josef Strauß, zumal er nicht nur mit ähnlicher Wortbrutalität, sondern auch mit vergleichbarer Statur und Nacken daherkommt wie der CSU-Chef zu Beginn seiner Karriere. In diese Schublade gehöre er nun wirklich nicht, beteuert Mappus im Gespräch. Das ehre ihn, stimme aber nicht - und wirkt dabei, als wäre ihm der Vergleich nicht im Geringsten unangenehm.
Mappus-Gegner: "Für die Gesamtpartei ist er kein Schaden"
Seine Gegner in der südwestdeutschen CDU kommentieren das süffisant: "Es wäre ja schön, wenn wir heute einen hätten wie den Franz-Josef. Aber leider reichen bei Mappus die intellektuellen Fähigkeiten bei weitem nicht." Ein Stiernacken allein mache eben noch keinen neuen Strauß. Einfach gestrickt sei Mappus. "Der kann um keine einzige Ecke herum denken", sagen seine Gegner, die ihm fortwährende Beschädigung Oettingers vorhalten. Noch immer habe Mappus nicht begriffen, dass es Aufgabe des Fraktionschefs sei, dem Ministerpräsidenten den Rücken frei zu halten. Und grundsätzlich werde er weit überschätzt, denn was Mappus als wertkonservative Politik verkaufe, sei in aller Regel schlichter Populismus. Großzügig attestieren die Mappus-Gegner: "Für die Gesamtpartei ist er kein Schaden."
Einstweilen will sich der Mann ja tatsächlich mit der Profilpflege der CDU im Land und im Bund zufrieden geben. Nein, er säge nicht an Oettingers Stuhl. Überhaupt nicht. Keine Sekunde. Er habe Zeit. Erst 41 sei er. In zehn Jahren, ja, dann vielleicht.
Wetten, dass er sich dann mit Blick auf die Villa Reitzenstein, wo der Ministerpräsident sitzt, im besten Krokodil-Alter fühlt?