Bund, Länder und Kommunen müssen sich bis Ende 2007 auf Steuerausfälle von rund 50 Milliarden Euro einstellen. Wie die Deutsche Presse-Agentur am Samstag aus Steuerschätzer-Kreisen erfuhr, erwartet das Bundesfinanzministerium in diesem Jahr Steuermindereinnahmen von 7,5 Milliarden Euro im Vergleich zur Schätzung vom November 2003. Im kommenden Jahr drohe ein Ausfall von 14 Milliarden Euro gegenüber der Mai-Schätzung 2003. Für 2006 und 2007 korrigierte das Ministerium demnach die erwarteten Einnahmen um 15 Milliarden beziehungsweise 13 Milliarden Euro nach unten.
Ein Sprecher des Finanzministeriums wollte die Zahlen weder bestätigen noch dementieren. Die endgültigen Zahlen würden erst nach den zweitägigen Beratungen der Steuerschätzer am kommenden Donnerstag im thüringischen Gotha vorgelegt. Er bestätigte lediglich, dass das Ministerium seine Schätzung am Freitag an den Steuerschätzerkreis weitergeleitet habe. Darin sind Vertreter der sechs führenden Wirtschaftsforschungs-Institute, der Bundesbank, des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung sowie der Bundes- und der Länderfinanzministerien.
Eichel führt bereits Gespräche in Brüssel
Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) räumte in der "Süddeutschen Zeitung" ein, er könne "in Anbetracht der kommenden Steuerschätzung nicht ausschließen", dass Deutschland "zumindest bei der Vorlage des Haushalts" auch 2005 gegen den EU-Stabilitätspakt verstößt. Er habe dazu bereits erste Gespräche in Brüssel geführt.
Laut "Financial Times Deutschland" prognostizierte das Ministerium für 2004 Steuereinnahmen bei Bund, Ländern und Gemeinden und der EU von rund 446 Milliarden Euro. Für das kommende Jahr seien es rund 455 Milliarden Euro. Die gesamtstaatlichen Steuerausfälle entfielen zu etwa 45 Prozent auf den Bund. Auf Eichel dürften nach der Prognose seines Hauses somit Steuermindereinnahmen von rund 3 Milliarden Euro im laufenden Jahr und gut 6 Milliarden Euro im nächsten Jahr zukommen.
Haushaltsbelastungen für die Folgejahre
EU-Haushaltskommissarin Michaele Schreyer warnte die Bundesregierung vor einer höheren Neuverschuldung. Damit würde Deutschland die Drei-Prozent-Grenze des Euro-Stabilitätspakts auch 2005 reißen, sagte Schreyer der "Bild am Sonntag". Zudem würden neue Haushaltsbelastungen für die Folgejahre geschaffen.
Dagegen forderte der Vorsitzende der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, Frank Bsirske, ein höheres Defizit müsse in Kauf genommen werden. Der Staat könne leicht die Einnahmen beispielsweise durch eine höhere Erbschaftsteuer erhöhen, sagte Bsirske dem Magazin "Focus". Eichel "wäre der erste Finanzminister der Welt, dem es gelänge, in der Krise mit einem strikten Sparprogramm den Haushalt zu sanieren".

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"Von Jahr zu Jahr tiefer in der Finanzkrise"
Der CDU-Ministerpräsident Thüringens, Dieter Althaus, nannte eine vorübergehende Neuverschuldung verantwortbar, "wenn sich der Bund zu einer richtigen Politik mit sinnvollen Zukunftsinvestitionen zur Ankurbelung der Wirtschaft entschließt". Gleichzeitig kritisierte er in der "Welt am Sonntag" die Politik von Rot-Grün, die den Bund "von Jahr zu Jahr tiefer in die Finanzkrise" führe.