Vielen Dank, Erika Steinbach! Dass die CDU-Vertriebenenpolitikerin nun doch noch in letzter Minute eine ultimative Entscheidungssituation über ihre Person verhindert hat, verdient Anerkennung. So kann noch einmal neu nachgedacht werden. Vor allem bei den Vertriebenen. Aber auch in der CSU und Teilen der CDU.
Was wäre denn gewonnen gewesen, wenn der Bund der Vertriebenen darauf bestanden hätte, seine Vorsitzende sofort in den Beirat der Vertriebenenstiftung hineinzudrücken? Nichts. Der neue Außenminister Westerwelle hätte die Aktion blockiert, und dies völlig zu Recht. Den Befürwortern Steinbachs, allen voran CSU-Chef Seehofer, geht es doch gar nicht um die weitere Versöhnung von Deutschen und Polen. Die wollen vor allem eines: Dem neuen liberalen Koalitionspartner FDP eine reinreiben. Und der wie so oft taktierenden Kanzlerin endlich mal klare Positionierung abverlangen. Merkel soll mal machen, was wir CSU'ler verlangen. Soll dahin hüpfen, wohin wir wollen. Schluss. Punkt. Aus.
Bleibt zu hoffen, dass die Besinnungspause genutzt wird, um endlich im Hier und Heute anzukommen.
Wir haben zuerst geschossen
Das Gestern ist doch eindeutig. Wir Deutsche haben 1939 nicht "zurück geschossen". Wir haben Polen grundlos überfallen. Daran ist überhaupt nicht zu deuteln. Mehr als sechs Millionen Polen starben in diesem Krieg, zwei Millionen wurden zur Zwangsarbeit ins Reich verschleppt. Zwei Millionen Polen wurden aus den polnischen Ostgebieten vertrieben als Konsequenz eines Krieges, den wir Deutsche vom Zaun gebrochen haben.
Die andere Seite: Bei der Vertreibung von zwölf Millionen Deutschen starben 600.000. Die Behauptung, es seien Millionen gewesen, ist eine beschämende Lüge, denn in ihr sind unter anderem auch die im KZ von den Nazis ermordeten ostdeutschen Juden eingerechnet. Gewiss, bei der Vertreibung wurden die Deutschen ausgeplündert, hunderttausende Frauen vergewaltigt. Doch die Frage nach der Verantwortung muss bei denen ansetzen, die die Nazis an die Macht gewählt haben und ihnen in den Krieg gefolgt sind. Also bei uns Deutschen.
Schluss mit dem politischen Revisionismus
Von uns muss daher auch in erster Linie die Versöhnung ausgehen, der sich die Vertriebenenstiftung verpflichtet hat. Ein kleiner Schritt in die richtige Richtung bestünde darin, dass die in der Bundesrepublik geborenen Kinder der Vertriebenen nicht immer noch als Vertriebene nummeriert würden. Oder dass eine Politikerin wie Erika Steinbach, die trotz der Schuld der Deutschen sich 1990 nicht aufraffen konnte, die Oder-Neiße-Grenze anzuerkennen, nicht kandidiert. "Versöhnung" dieser Art kann nicht akzeptiert werden. Denn dahinter lauert immer noch der Gedanke, irgendwann und irgendwie die Vertreibung doch noch vermarkten zu können.
Noch beschämender ist, dass die Welt der heutigen Vertriebenenfunktionäre, von denen persönlich fast keiner mehr vertrieben worden ist, von einem beschämenden Heimat-Begriff ausgehen. Sie rühmen das vereinigte Europa, zu dem auch die Polen gehören. Sie predigen globale Achtung der Menschenrechte. Und denken in Wahrheit immer noch in den beschränkten Kategorien des politischen Revisionismus.
Warum schweigt die Kanzlerin?
Dass Angela Merkel dazu schweigt, ist unverzeihlich. Was ist ihr denn mehr wert: Die wenigen Stimmen völlig unbelehrbarer Vertriebenenpolitiker oder die deutsch-polnische Freundschaft? Guido Westerwelle hat sehr viel besser begriffen, dass die deutsche Schuld in unserer Beziehung zu Polen nachträgliche Verfälschung nicht verträgt. So gesehen ist Erika Steinbach unserem Nachbar nicht zumutbar, allein aus Gründen der historischen Wahrheit. Wir haben zuerst geschossen. Versöhnung ist daher auch zuerst unsere Pflicht.