Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) hat die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Wahl seiner Mitglieder kritisiert und eine Reform des Verfahrens angeregt. Das Gericht hatte Anfang Juli per Beschluss die bisherige Praxis gebilligt, bei der ein Bundestagsausschuss die Hälfte der 16 Verfassungsrichter mit Zweidrittelmehrheit wählt. Die vom Bundesrat zu berufenden Richter werden von der ganzen Länderkammer mit Zweidrittelmehrheit gewählt.
Lammert nannte die Karlsruher Entscheidung in eigener Sache in der "Süddeutschen Zeitung" "erstaunlich". Das Grundgesetz enthalte die ausdrückliche Formulierung, die Richter müssten "je zur Hälfte vom Bundestag und vom Bundesrat gewählt" werden. Die jüngste Entscheidung aus Karlsruhe "enttäuscht im Vergleich zu den Ansprüchen des Bundesverfassungsgerichts zur unaufgebbaren parlamentarischen Gesamtverantwortung in anderen Angelegenheiten", kritisierte Lammert mit Blick auf die Karlsruher Entscheidung im Februar zur Bundestagsbeteiligung bei der Euro-Rettung. "Angesichts der erheblichen Bedeutung, die dem Verfassungsgericht über das eigene Land hinaus zunehmend auch im europäischen Integrationsprozess zukommt, wäre es wohl plausibler, die Wahl seiner Mitglieder dem Plenum der Abgeordneten in öffentlicher Sitzung vorzubehalten."
Das Verfassungsgericht hatte seinen Beschluss damit begründet, dass das Ansehen der Richter Einbußen erleiden könne, wenn ihre Wahl auf dem öffentlichen Markt ausgetragen würde. Der Gesetzgeber sei aber nicht gehindert, ein anderes Verfahren festzulegen. Lammert räumte ein: "Eine solche Regelung könnte der Bundestag freilich auch ohne Genehmigung des Bundesverfassungsgerichts durchaus beschließen."