Neue Sitzordnung nach 70 Jahren Stühlerücken im Bundestag: FDP sitzt zukünftig nicht mehr neben der AfD

Die Sitzreihen von AfD, FDP und CDU/CSU im Plenum im Bundestag
Auf Antrag der FDP sollen deren Sitze weiter nach links, in die Mitte des Plenarsaals und so in Nachbarschaft zu den Koalitionspartner Grüne und SPD verlegt werden
© Michael Kappeler / DPA
Die Unionsabgeordneten rücken nach 70 Jahren nach rechts – zumindest geographisch. Weil die FDP-Abgeordneten nicht mehr neben ihren AfD-Kollegen sitzen wollen, nehmen sie fortan in der Mitte des Plenums Platz.

Nur eine Woche nach dem Amtsantritt wirbelt die Ampel-Koalition den Bundestag durcheinander: Nach mehr als 70 Jahren haben SPD, Grüne und FDP den Liberalen im Plenarsaal einen neuen Platz zugewiesen. Die FDP-Fraktion, die bisher zwischen der AfD und der Union saß, rückt mit dem Parlamentsbeschluss vom Donnerstag an die Seite der Grünen und damit in die Mitte des Plenums. Gleichzeitig sitzen die Abgeordneten von CDU und CSU dadurch in Zukunft direkt neben der AfD-Fraktion – was bei der Union für erheblichen Unmut sorgt.

Der Wunsch nach dem großen Stühlerücken hat für die FDP aber nicht nur symbolischen Charakter, wie die "Tagesschau" berichtet. So habe die Die FDP-Abgeordnete Marie-Agnes Strack-Zimmermann im Mai erklärt, dass sich ihre Fraktion immer wieder beleidigende und menschenverachtende Kommentare anhören müsse. Die seien für die FDP-Abgeordneten deutlich zu hören, aber leise genug, als dass das Bundestagspräsidium davon nichts mitbekäme. "Diese despektierliche Art hier in diesem Hause ist unerträglich", sagte sie.

Union will als "Kraft der politischen Mitte" die Sitzordnung beibehalten

Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unions-Fraktion, Thorsten Frei (CDU), nannte das Vorgehen der Ampel einen "Ausdruck von Respektlosigkeit". Er warf der Koalition vor, sie wolle seine Fraktion "an den Rand des Plenums drücken". Die Abgeordneten von CDU und CSU krönten Freis Auftritt in der lebhaften Debatte demonstrativ mit einem lang anhaltendem Schlussapplaus.

Sein FDP-Amtskollege Johannes Vogel bezeichnete die Platzierung der Freidemokraten hingegen als Anomalie im politischen Links-Rechts-Schema der bisherigen Sitzordnung: "Wir sind eine Kraft der politischen Mitte, und deshalb gehören wir auch in die Mitte des Plenums."

Schon 1949 wurde die FDP im Bonner Plenarsaal rechts von der CDU/CSU-Fraktion platziert. Bis in die 50er Jahre des vergangenen Jahrhunderts hinein gab es in der FDP nämlich eine starke nationalliberale Strömung, während in Teilen der Union damals noch über einen christlichen Sozialismus debattiert wurde. Doch der Wunsch der FDP nach einem Platztausch mit der Union wurde spätestens in der vergangenen Legislaturperiode ein großes Thema – vor allem wegen der Nachbarschaft zu den ungeliebten Parlamentsneulingen von der AfD.

"Jeder normale Abgeordnete möchte nicht neben Ihnen sitzen"

Grünen-Fraktionsgeschäftsführerin Irene Mihalic gab sich salomonisch: Der Wunsch der FDP nach einer Änderung sei "mindestens genauso nachvollziehbar" wie der Wunsch der Union nach dem Festhalten am Status quo. "Jeder normale Abgeordnete möchte nicht neben Ihnen sitzen", sagte Jan Korte von der Linken an die Adresse der AfD. Seine Fraktion unterstützte den von SPD, Grünen und FDP initiierten Platztausch.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

Das Wichtigste aus der Bundespolitik auf einen Blick

Abonnieren Sie unseren kostenlosen Hauptstadt-Newsletter – und lesen Sie die wichtigsten Infos der Woche, von unseren Berliner Politik-Expertinnen und -Experten für Sie ausgewählt!

Doch geprägt war die Debatte von wechselseitigen Schuldzuweisungen: Sowohl Koalition als auch Opposition betonten, dass es derzeit eigentlich wichtigere Themen gebe. Genau damit begründeten die Ampel-Parteien, dass sie die Änderung der Sitzordnung ursprünglich ohne Debatte durch den Bundestag bringen wollten. Die Union hingegen bestand auf einer Plenardebatte, bezeichnete aber die ganze Reform als überflüssigen "Nebenschauplatz".

Olaf Scholz: Regierungserklärung des neuen Bundeskanzlers im Video
Olaf Scholz: Regierungserklärung des neuen Bundeskanzlers im Video
Scholz verspricht Sieg gegen die Pandemie – und sendet klare Botschaft an alle "Hasserfüllten"

AfD sei es "wurscht, wer neben uns sitzt"

Von vorweihnachtlichem Frieden konnte in der letzten Sitzungswoche des Jahres jedenfalls keine Rede sein, denn auch in der AfD grummelt ist. Nachdem ihr Kandidat für den Posten des Bundestagsvizepräsidenten – wie üblich - wiederholt keine Mehrheit fand, fielen nun auch ihre Kandidaten für die Vorsitze der Bundestagsausschüsse für Inneres, Gesundheit und Entwicklung durch.

Bei der Abstimmung über die Sitzordnung enthielt sich die AfD. Ihr Abgeordneter Stephan Brandner sagte zwar, er wolle nicht mehr neben der "grün-links-devoten Postengrapscher-Truppe" und den "blasierten Typen von der FDP" sitzen, gab sich letztlich aber großzügig: "Uns ist sowieso wurscht, wer neben uns sitzt."

Quellen: DPA, "Tagesschau"

yks