TV-Debatte Kontrahenten auf Konfrontationskurs

Kanzler und Herausforderin haben das Florett gegen den Säbel getauscht. Beim letzten Aufeinandertreffen im Fernsehen verschärfte Angela Merkel den Ton, Gerhard Schröder konterte mit herablassendem Charme. Politikexperten allerdings stehen den TV-Duellen skeptisch gegenüber.

Durchgefallen wären Gerhard Schröder und Joschka Fischer, wenn ihr Auftritt in einem Benimmkurs stattgefunden hätte. Doch handelte sich bei ihrem Auftritt am Montag um die letzte TV-Debatte der Spitzenkandidaten vor der Wahl und so fielen der Kanzler und der Außenminister ihren Kontrahenten Angela Merkel und Guido Westerwelle ein ums andere Mal ins Wort. Die strategischen Rollen waren klar verteilt: Schröder und Fischer gaben das eingespielte Team mit Amtsbonus - Merkel, Westerwelle und CSU-Chef Edmund Stoiber waren bemüht, sich im Gegenzug als flotte politische Alternative zu präsentieren.

Anders als beim direkten TV-Duell zwischen Schröder und Merkel fiel in der ARD-Spitzenrunde der Unions-Kanzlerkandidatin die Antwort auf die erste Frage zu. Im Halbrund des Berliner Studios saß sie neben Stoiber, durch ein kleines Tischchen getrennt von Schröder und Fischer. Westerwelle und der Kandidat der Linkspartei, Gregor Gysi, fanden sich räumlich am Rande wieder - ähnlich in der Debatte.

Schröder und Fischer in entspannter Vertrautheit

Beflügelt durch den jüngsten Trend nutzten Schröder und Fischer die Chance, um einem breiten Publikum ihre Einigkeit zu demonstrieren - einen gemeinsamen Wahlkampfauftritt gibt es anders als im Wahlkampf 2002 dieses Mal ja nicht. Schon ihre Körpersprache drückte eine entspanntere Vertrautheit untereinander aus als sie zwischen Merkel und Stoiber erkennbar war. Immer wieder spielten sich Kanzler und Vizekanzler die Bälle zu und versuchten Herausforderin Merkel aus dem Konzept zu bringen.

Schröder tat dies vor allem mit der Abgeklärtheit des Staatsmanns und mit seinem bereits beim ersten TV-Duell erfolgreichen leicht herablassendem Charme, während Fischer einmal mehr den Wahl-Kämpfer herauskehrte. Über den umstrittenen Steuerexperten der Union, Paul Kirchhof, sagte er: "Gegenwärtig versucht man, ihn den Rest der Woche im Heizungskeller einzusperren, damit er möglichst nicht mehr hervorkommt." Triumphierend zog er den Meinungsartikel aus der Jackentasche, in dem Merkel in der "Washington Post" Schröders Irak-Politik angegriffen hatte. "Aus meiner Sicht haben Sie da versagt", warf Fischer ihr vor.

Merkel wirbt für Machtwechsel

Der Auftritt der beiden Unionsspitzen wirkte dagegen weniger koordiniert und abgesprochen. Obwohl Merkel ihre Argumente für einen Machtwechsel mit der Routine des wochenlangen Wahlkampfs vortrug, bot sie gelegentlich offene Flanken. Nachdem Schröder das Versagen der Vorgängerregierung wortreich gegeißelt hatte, schien Merkel sie zu bestätigen, als sie sagte: "Für das was 1998 war, sind CDU, CSU und FDP abgewählt worden." Erst nach der erfreuten Reaktion der beiden Kontrahenten führte sie den Gedanken mit dem Argument weiter, dass sich auch seitdem unter Rot-Grün an den wesentlichen Problemen kaum etwas geändert habe.

Gegen die geballte Redeflut von Schröder, Fischer, Merkel und Stoiber hatten Westerwelle und Gysi eher wenig Chancen. "Das ist schön", kommentierte Westerwelle nach fast 15 Minuten die erste an ihn gerichtete Frage. Siegesgewiss gab sich in der Talkrunde jeder der Teilnehmer. Stoiber nannte gar ein Wahlziel der Union von deutlich über 40 Prozent und sprach von einer weiterhin deutlichen Wechselstimmung. Nicht minder zuversichtlich gab sich Schröder. Die "Kanzlermacher" seien die Bürger und bei ihnen wolle er um jede Stimme kämpfen.

TV-Duelle langweilig und mobilisierend

Ob die aber mitspielen und sich vom medialen Showdown überzeugen lassen, dazu hat sich die Nachrichtenagentur AP bei Politik- und Medienwissenschaftlern umgehört. Von "langweilig" über "mobilisierend" bis zu "medialer Overkill" reichen die Beurteilungen. "Das hilft und ist mobilisierend", sagt Professor Karl-Rudolf Korte, Politikwissenschaftler an der Universität Duisburg. Die Wahlforschung habe ergeben, dass der sachliche Austausch von Argumenten im Fernsehen der Aufklärung diene und die Wahlabsicht in der Bevölkerung steigere. "Persönliche Verunglimpfungen spielen sich eher auf den Marktplätzen ab als in Fernsehstudios", so Korte. Für die letzten Tage vor der Bundestagswahl prognostizierte er noch Bewegung: "Das ist bei wählerischen Wählern nicht ungewöhnlich."

Heinrich Oberreuter, Direktor der Akademie für politische Bildung Tutzing, ist anderer Ansicht: "Ich glaube nicht, dass die langweiligen Sendungen die Menschen motivieren, zur Wahl zu gehen." Es gebe eine Übersättigung mit Fernsehduellen, meinte er. Die Sendungen würden "nicht vom Hocker reißen" und brächten nichts Neues. Der Zuschauer höre immer nur die gleichen Sätze. Oberreuters vernichtendes Gesamturteil: "Verschleuderung guter Sendezeit" und "medialer Overkill in Inszenierung und Berichterstattung". Mittlerweile schüfen die Medien die Wirklichkeit, nicht die Politik.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

Das Wichtigste aus der Bundespolitik auf einen Blick

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Der Medienwissenschaftler Hans-Jürgen Bucher von der Universität Trier sieht Schwächen der Fernsehsender im Wahlkampf. Sie schafften es nicht mehr, in sachbezogenen Beiträgen die Probleme und die unterschiedlichen Programme der Parteien darzustellen. Stattdessen setzten sie hoher Einschaltquoten wegen auf eine "extreme Personalisierung" sowohl von Politikern als auch von Journalisten. Die TV-Duelle, bei denen Politik ausschließlich über Personen vermittelt werde, sollten eine von vielen Facetten des Wahlkampfs bleiben, riet Bucher. Ansonsten drohe die Bundesrepublik ein ähnliches Duales System zu werden wie etwa die USA.

Eine zu starke Personalisierung des Wahlkampfs kritisiert auch der Parteienforscher Hans Herbert von Arnim aus Speyer. "Die Parteiprogramme treten hinter mehr oder weniger starken rhetorischen Fähigkeiten der Politiker zurück." Geradezu irreführend werde das dort, wo Politiker realistisch gar keine Chance mehr hätten, sagte von Arnim. Derzeit stünden die Zeichen entweder auf Schwarz-Gelb oder auf große Koalition; Schröder (SPD) und Fischer (Grüne) wären in beiden Fällen nicht mehr mit von der Partie. Der Parteienforscher fasst zusammen: Bei den TV-Debatten gehe es zunehmend weg von den Programmen und hin zu den Persönlichkeiten, die dann nicht gar mehr zur Verfügung stünden.

Reuters
Markus Krah/Reuters