Völkerrecht Juristische Zwickmühle

Grünen-Fraktionsvize Hans-Christian Ströbele erklärt den Krieg für völkerrechtswidrig und bringt Koalition und Regierung damit in eine missliche Lage.

Der Irak-Krieg hat die rot-grüne Regierung gleich in zwei juristische Zwickmühlen gebracht. Bei der einen will sie keine Klarstellung, bei der anderen keine Abstimmung. Es geht um die Überflugrechte für die USA und den Einsatz deutscher Soldaten in den AWCAS- Aufklärungsflugzeugen über der Türkei.

Ströbele erklärt Krieg für völkerrechtswidrig

Es war wieder einmal der Grünen-Fraktionsvize Hans-Christian Ströbele, der die Koalition und Regierung wenige Stunden nach Kriegsbeginn in eine missliche Lage brachte. Der Jurist, der schon den Widerstand in der Grünen-Fraktion gegen den Mazedonien-Einsatz vor anderthalb Jahren ausgelöst hatte, erklärte klipp und klar: "Der Krieg ist ein völkerrechtswidriger Angriff." Damit sei jegliche deutsche Unterstützung verboten.

Da Ströbele bei den Grünen nicht allein da steht und auch Verständnis bei Sozialdemokraten erntet, könnte die Koalition in eine schwierige Lage kommen. Denn trotz der strikten Anti-Kriegshaltung ist es politisch nur schwer vorstellbar, dass die Regierung den USA noch die Überflugrechte, die Nutzung ihrer Militärbasen und den Schutz ihrer Einrichtungen in Deutschland durch Bundeswehrsoldaten verweigert. Recht scheint mit politischer Opportunität zu streiten.

Deutsche Völkerrechtler geben Ströbele aber fast durchgängig Recht. Sie meinen, dass die Resolution 1441 des Weltsicherheitsrats vom November, in der dem Irak "ernsthafte Konsequenzen" angedroht worden waren, keineswegs eine Kriegs-Legitimation sei - auch wenn US- Präsident George W. Bush das anders sieht.

Schröder will sich das Problem vom Hals halten

Die Regierung sagt dagegen, die Frage sei nicht mit Ja oder Nein zu beantworten. Merkwürdiger Weise verweist man in der Koalition nun ausgerechnet auf Völkerrechtler aus den "Kriegsstaaten" USA und Großbritannien. Kanzler Gerhard Schröder meint daher, dass er angesichts der unklaren Rechtslage den Verpflichtungen aus den Stationierungsabkommen nachkommen kann. Er begründet es auch politisch, weil die USA, Krieg hin oder her, ja Bündnispartner blieben.

Wie bei der Frage nach einem Angriffskrieg will Schröder sich auch beim Thema AWACS das Problem vom Hals halten, in dem er einer Klarstellung ausweicht. So lehnt die Koalition auch die von der FDP und Union geforderte Abstimmung des Bundestags über die AWACS-Einsätze ab. Die Opposition will die Grauzone für die Soldaten ausschließen, die bei ihren Überwachungsflügen über der Türkei auch Gefahren im Luftraum über dem Irak erkennen würden. Gäben sie Erkenntnisse an die USA weiter, könnte man von einer Kriegsbeteiligung sprechen.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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DPA
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