Kevin McCarthy steckt in der Zwickmühle. Im neuen US-Kongress, der am Dienstag zum ersten Mal zusammenkommt, will sich der Fraktionschef der Republikaner den Vorsitz im Repräsentantenhaus sichern. Nachdem die Konservativen eine knappe Mehrheit in der Kongresskammer erobern konnten, liegt für den 57-Jährigen der symbolträchtige Hammer des "Speaker of the House" eigentlich schon zum Greifen nah. Eigentlich – wäre da nicht ein langer Schatten namens Donald Trump.
Der Einfluss des Ex-Präsidenten zieht sich nach wie vor quer durch die gesamte "Grand Old Party" – wie auch durch die republikanische Fraktion im Abgeordnetenhaus – und spaltet diese in moderate Konservative und treue Trump-Hardliner. Eine Gruppe der Letzteren hat bereits öffentlich erklärt, gegen McCarthy zu stimmen, weitere könnten stillschweigend folgen.
Nur wenige Stunden vor der anstehenden Wahl steht der Fraktionschef der Republikaner damit vor einem Dilemma: Weitere Zugeständnisse an Rechtsaußen machen, die ihn noch vor Amtsantritt schwach aussehen lassen – oder riskieren, dass eine Handvoll Abweichler seinen Sprung auf den mächtigsten Posten im Parlament gefährdet.
Kevin McCarthy bekommt Gegenwind von rechts
Für McCarthy ist es nicht weniger als der bedeutendste Kampf seiner politischen Karriere. Schließlich geht es um den drittwichtigsten Posten der Vereinigten Staaten – nach dem des Präsidenten und dessen Vize. Im Repräsentantenhaus kontrollieren die Republikaner nach den Midterm-Wahlen 222 der insgesamt 434 Sitze, mindestens 218 braucht McCarthy, um gewählt zu werden. Da die Demokraten geschlossen gegen ihn stimmen werden, kann er sich Abweichler aus den eigenen Reihen kaum leisten.
Seine Kritiker versuchte der Fraktionschef daher in den vergangenen Wochen durch allerlei Zugeständnisse zu besänftigen – von verschärften Finanzierungsregeln, die den Demokraten das Regieren schwer machen sollen, bis hinzu Ermittlungen gegen das FBI, ein dringendes Anliegen der Trump-Supporter in der Partei.
Dass ihm die Zeit davonrennt, zeigte am Wochenende ein Kompromiss der Verzweiflung. Um die Hardliner zufrieden zu stellen, signalisierte McCarthy Unterstützung für eine Regel, die es ermöglicht, den Sprecher des Abgeordnetenhauses jederzeit durch eine schnelles Voting abzusägen. Lange hatte er sich dagegen gewehrt, könnte es nicht auch bald sein eigenes vorzeitiges Amtsende bedeuten.
Doch sein Entgegenkommen war offensichtlich nicht genug.
"Die Zeiten verlangen nach einer radikalen Abkehr vom Status quo – nicht nach einer Fortsetzung vergangener und anhaltender republikanischer Misserfolge", positionierte sich am Sonntag eine Gruppe von neun Ultrakonservativen mit einer Erklärung gegen McCarthy. Bestärkt wurden die Kritiker von einer Ankündigung des führenden konservativen "Club for Growth" ("Club des Wachstums"), der faktisch damit drohte, Republikaner zu bestrafen, die sich für den Fraktionschef einsetzten.
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Neuer US-Kongress könnte mit Wahlkrimi starten
Wenn der 118. US-Kongress Dienstagmittag (18 Uhr deutscher Zeit) erstmals in neuer Konstellation zusammenkommt, schlägt für McCarthy die Stunde der Wahrheit. Der Fraktionschef hat versprochen, bis zum bitteren Ende für den Sprecherposten zu kämpfen, auch wenn das bedeuten sollte, dass die Abgeordneten mehr als einmal abstimmen müssen – eine Option, die nun immer wahrscheinlicher wird.
Kann sich McCarthy am Dienstag keine Mehrheit sichern, würden weitere Wahlgänge folgen, bis jemand – er oder ein anderer Kandidat – genügend Unterstützer findet, um sich durchzusetzen.
Der Fall wäre ein bitterer Schlag für McCarthy und käme einer kleinen Sensation gleich. Genau hundert Jahre ist es her, dass ein Sprecher-Kandidat nicht direkt die nötige Mehrheit erreichte: 1923 waren neun Wahlgänge nötig, um einen Vorsitzenden zu bestimmen. Bis der Vorsitz geklärt ist, geht gar nichts: Weder kann die Kongresskammer ihre Arbeit aufnehmen, noch können die neuen Abgeordneten vereidigt werden.
Unterstützer von McCarthy zeigen sich indes optimistisch, noch auf den letzten Metern eine Mehrheit zu sichern. "Ich denke, wir können es schaffen", erklärte der republikanische Abgeordnete Jim Jordan aus Ohio gegenüber Reportern am Montagabend. Ein mögliches Chaos im Falle mehrerer Wahlgänge, wischte er mit der Aussage "Ich glaube, Amerika wird überleben" beiseite. Hinzukommt, der Vorteil der fehlenden Konkurrenz. Bislang konnte kein anderer Republikaner mehr Stimmen hinter sich versammeln.
Fest steht jedoch: Auch wenn McCarthy am Ende erfolgreich den Sprecher-Hammer schwingen darf, der innerparteiliche Machtkampf wird so schnell nicht vorbei sein. Im Gegenteil, mit allen Zugeständnissen, die der Fraktionschef im Vorfeld seiner Abstimmung machen musste, dürfte es künftig nicht leichter werden, den rechten Trump-Flügel unter Kontrolle zu halten.