Der Wahlkampf in Hessen geht auf die Zielgerade. Die Auseinandersetzung zwischen Ministerpräsident Roland Koch (CDU) und seiner Herausforderin Andrea Ypsilanti (SPD) gewinnt an Schärfe. Mittlerweile liegen SPD und CDU in den Umfragen gleich auf. Es ist völlig offen, wer ab Februar in der Wiesbadener Staatskanzlei das Sagen hat. Das Meinungsforschungsinstitut Forsa fand heraus, dass die Bildungspolitik für 36 Prozent der Hessen eine entscheidende Rolle bei der Wahlentscheidung spielt. Auf Platz zwei in der Prioritätenliste liegt die Arbeitslosigkeit, dicht gefolgt von der Jugendkriminalität mit 31 Prozent – ein Thema, das noch im Dezember lediglich von jedem dreißigsten Hessen als wichtig erachtet wurde.
Trotz Anti-Kommunisten-Kampagne setzen die Menschen in Hessen also auf landespolitische Themen. Und so rückt Roland Kochs Regierungsbilanz immer mehr in den Mittelpunkt. Was hat der CDU-Politiker in neun Jahren Amtszeit wirklich geleistet? stern.de klärt die wichtigsten Fragen
Wie ist Roland Kochs Bilanz in der Bildungspolitik?
In Hessen wird diesem Thema traditionell eine hohe Bedeutung zugemessen. Noch bei der Landtagswahl 1999 war die rot-grüne Schulpolitik in Hessen einer der wichtigsten Gründe für die Abwahl von Hans Eichel als Ministerpräsident. Jetzt bläst Roland Koch der Wind ins Gesicht: Das achtjährige Gymnasium sei schlampig umgesetzt und er habe - entgegen früherer Versprechen - seine Garantie auf einen ausfallstundenfreien Schulbetrieb nicht verwirklicht, sagen Kritker. Koch hält dagegen, dass seit 1999 mehrere Tausend Lehrer eingestellt worden seien.
Auch an den hessischen Universitäten brodelt es. Die Einführung von Studiengebühren stieß auf wenig Gegenliebe, zudem ist bisher noch unklar, ob die Campus-Maut mit der hessischen Landesverfassung vereinbar ist. Der Staatsgerichtshof will dazu nach der Landtagswahl über zwei Klagen beraten. Und Kultusministerin Karin Wolff ist das mit Abstand umstrittenste Kabinettsmitglied, nicht zuletzt, seitdem sie Sympathien für kreationistische Standpunkte durchblicken ließ. Fest steht: Unter allen landespolitischen Themen polarisiert die Bildungspolitik am meisten.
Was hat Roland Koch in der Wirtschaftspolitik bewegt?
Hessen ist, gemessen am Bruttoinlandsprodukt pro Kopf, noch vor Bayern und Baden-Württemberg das wirtschaftsstärkste Flächenland. Diese nackte Statistik zitiert Roland Koch gern. Zu Recht, obwohl diese Entwicklung bereits unter seinem Vorgänger Hans Eichel begonnen hat. Die Rahmendaten stimmen: Lag die Arbeitslosenquote hessenweit noch im Jahr 1998 bei 10,0 Prozent, betrug sie im Jahresschnitt 2007 etwa 7,5 Prozent. Selbst im strukturschwachen Norden des Landes lag die Quote im Dezember vielerorts bei unter sieben Prozent, einige Landkreise um Frankfurt herum haben annährend Vollbeschäftigung. Dumm für den Amtsinhaber: Leider spielt die Wirtschaftspolitik im Wahlkampf nur eine untergeordnete Rolle.
Stichwort Innen- und Justizpolitik: Lässt der Hardliner Koch in Wirklichkeit die Zügel schleifen?
Das ist umstritten. Die Gewerkschaft der Polizei in Hessen sagt, dass unter Roland Koch mehr als 1000 Polizeistellen gestrichen wurden. Der Ministerpräsident selbst erklärt dies mit dem Abbau von Planstellen, die angeblich unter der rot-grünen Landesregierung auf dem Papier geschaffen worden seien, aber nie besetzt wurden. In Wahrheit seien sogar mehr als 1000 Polizisten eingestellt worden. Während der Debatte um Ausländerkriminalität wurde zudem bekannt, dass ausgerechnet in Hessen die Jugendgewalt überproportional stark angestiegen sei. Zudem hat Hessen die längste durchschnittliche Verfahrensdauer bei Jugendstrafsachen in ganz Deutschland. Der Vorsitzende des hessischen Richterbundes warf ihm daraufhin vor, seine Landesregierung habe die Justiz "geplündert". Koch verspricht, sich diesem Problem nach seiner Wiederwahl anzunehmen. Allerdings werden unter der Landesregierung Koch weit mehr Straftaten aufgeklärt als noch vor neun Jahren. Und auch die Gesamtzahl der Straftaten ist in den vergangenen drei Jahren leicht rückläufig gewesen.
Kümmert sich Roland Koch auch um die Erschließung des wirtschaftsschwachen Nordens?
Nordhessen ist traditionell agrarisch geprägt und verkehrstechnisch schlecht erschlossen. Eines der wichtigsten Wahlversprechen von Roland Koch im Jahr 1999 war, den Ausbau der A4 von Olpe zum Hattenbacher Dreieck voranzutreiben, die quer durch den Norden des Landes führen sollte. Doch bis heute wurde nicht ein einziger Kilometer dieser Fernstraße gebaut worden - weil die rot-grüne Bundesregierung das Projekt aus dem Bundesverkehrswegeplan strich. Jetzt will sich Koch für den Bau einer kreuzungsfreien, mehrspurigen Bundesstraße einsetzen. Vulgo: "Gelbe Autobahn". Die Chancen dafür stehen besser als früher. Vor allem, weil die Grünen im Bund nicht mehr mitregieren.
Was hat Roland Koch für die Klimabilanz getan?
In Nordhessen sind durch den Ausbau der Solarindustrie Tausende Arbeitsplätze geschaffen worden. Zudem gibt es mittlerweile auch unzählige Windkraftanlagen, die zum Teil mit Geldern aus dem Förderprogramm der rot-grünen Bundesregierung gebaut wurden. Und gern verweist der hessische Ministerpräsident auch darauf, dass in seinem Bundesland so viele öffentliche Gebäude mit Holz beheizt werden wie sonst nirgendwo. Kritiker halten ihm vor, dass er für die Laufzeitverlängerung von Kernkraftwerken eintrete und den Bau neuer Kohlekraftwerke befürworte.