Armin Laschet will CDU-Vorsitzender und Kanzlerkandidat seiner Partei werden, aber der Weg dorthin bleibt für ihn holprig. Jetzt löste ausgerechnet sein Sohn Johannes eine Debatte um Millionenaufträge des Landes für den Textilhersteller Van Laack aus. Denn der Sohn wirkt unter dem Namen "Joe Laschet" als Model und Influencer auf Instagram und präsentiert dort gegen Bezahlung auch Hemden des Mönchengladbacher Unternehmens. Und wie der Firmenchef jetzt einer Regionalzeitung verriet, fädelte der Anfangdreißiger für die Firma auf dem Höhepunkt der Coronakrise einen Kontakt ein, der dem Unternehmen Aufträge des Landes in zweistelliger Millionenhöhe bescherte – für Schutzkleidung und Masken, die Van Laack seit Beginn der Coronakrise herstellt.
Die SPD-Faktion im Landtag forderte prompt Aufklärung über die Aufträge. Laschets Landesregierung beteuerte ihre Unschuld; auf dem Höhepunkt der Krise habe ein Mangel an Schutzausrüstung geherrscht, daher habe man "Kontakt zu Unternehmen aus ganz Deutschland gesucht, um hier schnellstmöglich Abhilfe zu schaffen".
Hat die Landesregierung Regeln für die Auftragsvergabe gebrochen?
Doch nach Recherchen des stern stellt sich die Frage, ob die Behörden in Nordrhein-Westfalen die Regeln für die Auftragsvergabe nicht zumindest teilweise gebrochen haben.
In der "Rheinischen Post" erzählte Van-Laack-Inhaber Christian von Daniels am Montag, wie es zu dem Geschäft kam. "Ich habe Joe gesagt, dass er seinem Vater meine Nummer geben kann, wenn das Land Hilfe bei der Beschaffung von Masken braucht", sagte er. Darauf habe ihn prompt Vater und Ministerpräsident Armin Laschet angerufen.
So sei dann der Kontakt zum Landesgesundheitsministerium entstanden, sagte von Daniels jetzt auch dem stern. Das Land habe damals – Ende März – ja "händeringend" nach Schutzausrüstung gerufen: "Wir haben die schnellste Lieferung zum günstigsten Preis angeboten", versicherte von Daniels. So sei es zu dem Auftrag für die Lieferung von OP-Schutzkitteln gekommen.
Laut Gesundheitsministerium wurde der Zuschlag am 20. April 2020 erteilt und betrug 38,5 Millionen Euro – ein erstaunlich großes Volumen, gemessen auch an dem Umsatz von Van Laack, der im letzten Geschäftsjahr bei 56 Millionen Euro lag.
Das Ministerium nutzte ein sogenanntes Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb. Dieses EU-Verfahren ähnelt einer freihändigen Vergabe in deutschem Recht, war aber auf dem Höhepunkt der Coronakrise Mitte März auch vom Bundeswirtschaftsministerium empfohlen worden. Dabei dürften Angebote "formlos" eingeholt werden und es könne – wenn nötig – auch "nur ein Unternehmen angesprochen werden", hieß es in einem Rundschreiben des Bundeswirtschaftsministeriums vom 19. März.
War die zweite Corona-Welle für die NRW-Polizei nicht vorhersehbar?
Nach Recherchen des stern nutzte das dem nordrhein-westfälischen Innenministerium unterstehende Landesamt für Zentrale Polizeiliche Dienste dieses Ausnahmeverfahren aber erneut auch in diesem November für einen Millionenauftrag für Van Laack. Am 6. November bestellte die Polizeibehörde laut Veröffentlichung im EU-Amtsblatt Community-Masken bei dem Mönchengladbacher Hersteller, wieder "per Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb" – weil "äußerst dringliche, zwingende Gründe" vorlägen, die "der öffentliche Auftraggeber nicht voraussehen konnte". Die "Entwicklung der Coronainfektion" und die Auswirkungen der zweiten Welle seien nämlich "nicht vorhersehbar" gewesen.
Den Auftragswert hatte die Behörde bisher nicht veröffentlicht. Auf Anfrage des stern nannte das Ministerium jetzt eine Summe von knapp zwei Millionen Euro für 1,25 Millionen Masken. Bereits im Juni konnte sich Van Laack über einen ersten Auftrag der Landes-Polizei in gleichem Umfang freuen, laut Ministerium krisenhalber bereits damals per freihändiger Vergabe. Die Firma habe damals "das günstigste Angebot von insgesamt sieben Angeboten für wiederverwendbare Masken aus Deutschland abgegeben".
Dieser Zuschlag wurde aber – so weit zu sehen ist – nie im Amtsblatt der EU veröffentlicht, obwohl Behörden solche Entscheidungen laut Vergabeverordnung innerhalb von 30 Tagen an das EU-Amt für Veröffentlichungen melden müssen.
Diese Transparenzpflicht bleibe auch in der Krise "bestehen", bestätigte der renommierte Mainzer Vergaberechtler Meinrad Dreher dem stern bereits im März. Auch das Wirtschaftsministerium verwies in seinem Rundschreiben von März auf die Transparenzbestimmungen.
Gerade wenn Aufträge in der Krise auf die Schnelle vergeben werden kann so die Öffentlichkeit zumindest im Nachhinein kontrollieren, wer von Staatsaufträgen profitiert hat. Dennoch hatte das von dem CDU-Politiker Karl-Josef Laumann geführte Landesgesundheitsministerium selbst im Juni 2020 den Großauftrag über 38,5 Millionen für Van Laack noch nicht publik gemacht. Erst nachdem stern in dem Ministerium Ende Juni aufgrund eines Hinweises nachfragte, wurde die Publikation im Juli nachgereicht.
Landesinnenminister Herbert Reul (CDU) hatte sich im Juni für den ersten Auftrag der Landes-Polizei belobigt, aber offenbar ohne Van Laack als Auftragnehmer für die Masken zu nennen: "Und das Schöne ist: Die werden sogar in NRW produziert", sagte er im Mitarbeitermagazin der NRW-Polizei. Tatsächlich produziert Van Laack nach den eigenen Angaben im jüngsten Geschäftsbericht vor allem in den Billiglohnländern Tunesien und Vietnam. Kittel und Masken habe man jetzt teilweise auch in Mönchengladbach hergestellt, versicherte von Daniels dem stern.
Hartmut Bäumer, der Vorsitzende des deutschen Zweigs der Antikorruptionsorganisation Transparency International, forderte Laschet jetzt auf, alle Aufträge offenzulegen und damit zu zeigen, dass Vorwürfe unberechtigt seien. Dass Politiker im März in aller Eile versuchten, den Mangel an Schutzausrüstung zu beheben, sei verständlich, sagte Bäumer. Es sei aber unklug gewesen, selbst zum Hörer zu greifen und einen Hersteller anzurufen: "Das macht man so nicht, dafür gibt es die Abteilungen in den Ministerien.“
Die SPD-Fraktion hat zu dem Vorgang eine Kleine Anfrage an die Landesregierung gestellt. Auch sie verlangt von der Landesregierung eine Auflistung aller Aufträge für Van Laack. "Mich überrascht, dass der Ministerpräsident persönlich den Kontakt herstellt", sagte der SPD-Abgeordnete und finanzpolitische Sprecher Stefan Zimkeit dem stern. Laschet müsse den Sachverhalt "lückenlos aufklären". Den angeblich so dringlichen Polizeiauftrag von November habe er noch gar nicht gekannt, fügte er hinzu: "Das wird ja noch absurder."
Laschet selbst sieht offenbar keinen Grund zur Selbstkritik und wies Anwürfe der Opposition zurück. "Mein Sohn hat gemacht, was jeder in dieser Situation gemacht hätte: Helfen ohne jeden Lohn", sagte er. Er werde nicht akzeptieren, dass sein Engagement in den Dreck gezogen wird. Der SPD warf Laschet sogar Diffamierung vor: ""Ich halte die Unterstellungen der SPD für schäbig und unanständig", sagte der Ministerpräsident.
Derweil spielte der Van-Laack-Chef von Daniels die Bedeutung der Geschäftsbeziehung zu Johannes "Joe" Laschet herunter. Im Ende November abgelaufenen jüngsten Geschäftsjahr habe der Politikersohn insgesamt nur 6358 Euro bei Van Laack verdient, im Vorjahr seien es sogar nur 4817,98 Euro gewesen. Die Kleidungstücke bekomme er leihweise. Den "Mini-Job", so von Daniels, habe Laschet junior seit Januar 2018.
Johannes Laschet selbst ließ Fragen des stern bisher unbeantwortet. Zuletzt hatte er sich vergangene Woche im Smokinghemd von Van Laack auf Instagram für seine 91.000 Follower präsentiert – ordentlich als "Anzeige" gekennzeichnet.