ZERREISSPROBE Die Koalition steht auf dem Spiel

Die Abstimmung über den Bundeswehreinsatz im »Anti-Terror-Krieg« wird in der rot-grünen Koalition immer mehr als Entscheidung über den Fortbestand der Regierung gesehen. Schröder will notfalls die Vertrauensfrage stellen.

Und wieder steht die Koalition auf dem Spiel. Wie schon vor zwei Monaten bei der Entscheidung über den Einsatz der Bundeswehr in Mazedonien wird die rot-grüne Regierung bei der Bundestagsabstimmung über die Beteiligung am Krieg gegen den internationalen Terrorismus keine eigene Mehrheit zu Stande bringen. SPD und Grüne demonstrierten am Montag trotzdem den Willen zum Zusammenhalt. Der Grünen-Parteirat empfahl der Fraktion, dem Einsatz unter der Bedingung zuzustimmen, dass das Mandat präzisiert wird.

Eine koalitionseigene Mehrheit ist dennoch so gut wie ausgeschlossen, seit sich acht Grünen-Abgeordnete am Sonntag darauf festlegten, in jedem Fall mit Nein zu stimmen - ungeachtet angestrebter Kompromisse, die bis Freitag noch zu Stande kommen können. »Ich glaube, der Bundeskanzler muss nicht zurücktreten, wenn die eigene Mehrheit knapp verfehlt wird«, meinte auch der sozialdemokratische Parteilinke Detlev von Larcher.

»Es ist schade, wenn wir keine eigene Mehrheit haben, aber die Koalition wird an dieser Stelle nicht scheitern«, betonte Parteichef Fritz Kuhn nach der Parteiratssitzung. Er gehe aber davon aus, dass eine deutliche Mehrheit in der Fraktion der Grünen dem Antrag der Bundesregierung zustimme. Auch die Ko-Vorsitzende Claudia Roth spielte die Bedeutung der Entscheidung für den Zusammenhalt der Koalition mit der Bemerkung herunter, es handele sich schließlich um eine

Gewissensfrage. Deutlich wurde auch die nordrhein-westfälische Umweltministerin Bärbel Höhn. »Man darf nicht immer die Koalitionsfrage mitdenken«, sagte sie und fügte hinzu: »In einer so wichtigen Frage darf man nicht machtpolitisch entscheiden.«

Spagat zwischen Überzeugung und Notwendigkeit

Für die Grünen ist die Zustimmung zur Beteiligung deutscher Soldaten am Krieg gegen Afghanistan ein Spagat zwischen pazifistischer Überzeugung und realpolitischer Notwendigkeit - oder mit den Worten Roths »eine der schwierigsten Entscheidungen, vor denen die Partei je stand«. Die Basis, die beim Parteitag in Rostock Ende nächster Woche zu Wort kommen wird, lehnt eine Teilnahme der Bundeswehr weitgehend ab. So sah sich der Parteirat in der Zwickmühle, der Fraktion die Zustimmung zu empfehlen, ohne die Basis zu verprellen. Die Lösung trägt den Titel »Kritische Solidarität statt Ja und Amen«.

Der Parteiratsbeschluss empfiehlt die Zustimmung unter der Voraussetzung, dass das Einsatzgebiet näher gefasst wird und der Bundestag immer dann zustimmen muss, wenn eine wesentliche Änderung des Mandats erfolgt. Denn, sagt Kuhn, die Parteispitze sei grundsätzlich der Meinung, dass »die Bedrohung, die vom Terrorismus ausgeht, anhält«. Ausdrücklich distanziert sich der Beschluss jedoch nicht von den Abweichlern aus Gewissensgründen. »Wir respektieren diejenigen, die zu einem anderen Ergebnis kommen«, heißt es darin.

»Politik ist mehr, als der Kanzler zulässt«

Obwohl eine Änderung des Kabinettsbeschlusses formal nicht möglich ist, zeigte sich Kuhn zuversichtlich, dass auf der Basis schon geführter Gespräche »diese Klarstellungen, die wir wollen, möglich sind«. Die zusätzlichen Forderungen müssen dann in einen Entschließungsantrag des Bundestages münden. Der Entschließungsantrag sei ein »parlamentarisch angemessenes Mittel«, widersprach die ehemalige Grünen-Gesundheitsministerin Andrea Fischer kritischen Stimmen.

Auch wenn die Fraktion im Bundestag die Koalitionsklippen umschiffen kann, kommt die eigentliche Nagelprobe voraussichtlich beim Parteitag in Rostock. Dass nicht alle Mitglieder der Parteispitze bei ihrem Eiertanz folgen können, zeigte bereits die Tatsache, dass die niedersächsische Fraktionsvorsitzende Rebecca Harms und die Vorsitzenden der thüringischen Grünen Astrid Rothe gegen den Parteiratsbeschluss stimmten. »Politik ist mehr, als der Kanzler zulässt«, unterstrich Harms.