Im Streit über das Zuwanderungsgesetz bleibt die Union bei ihrem strikten Nein. Nach der neuerlichen Verabschiedung des Gesetzes mit der rot-grünen Mehrheit im Bundestag muss nun der Vermittlungsausschuss versuchen, einen Kompromiss mit dem Unions- dominierten Bundesrat zu finden. Bei der Abstimmung am Freitag enthielt sich die FDP im Parlament. Ihr fällt im kommenden Vermittlungsverfahren wegen ihrer Koalitionen mit der CDU in einigen Ländern jetzt die Schlüsselrolle zu.
Ängste in der Bevölkerung
Eindringlich hatte Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) die Union aufgefordert, bei der Zuwanderung "aus ihrer Ecke" herauszukommen und nicht länger "Ängste in der Bevölkerung zu schüren". Deutschland brauche eine Regelung im "europäischen Geist" und nicht "im muffigen zurückgebliebenen Tenor" von CDU und CSU. Ihr "völkisches Denken" beim Staatsbürgerschaftsrecht sei überholt, sagte Schily. In einer "globalisierten Welt" müssten nationale "Fenster und Türen offen bleiben" und Zuwanderung per Gesetz maßvoll gesteuert werden.
Nein der Union
CDU/CSU-Fraktionsvize Wolfgang Bosbach bekräftigte dagegen das Nein der Union. Für dieses Gesetz werde die Koalition im Bundesrat keine Mehrheit finden. Es führe zu einer Ausweitung der Zuwanderung, überfordere die Integrationskraft der Bevölkerung und verschärfe die Probleme auf dem Arbeitsmarkt. Bosbach: "Deutschland ist kein klassisches Einwanderungsland."
Bosbach und andere Redner der Union beklagten, dass die Koalition gemeinsam mit der FDP die 128 Änderungsanträge von CDU/CSU kompromisslos abgelehnt und kein Entgegenkommen in den Beratungen gezeigt hätten. Dem hielt der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen, Volker Beck, entgegen, dass beim ersten Durchgang des vom Bundesverfassungsgericht wegen eines Formfehlers gestoppten Gesetzes über 40 Änderungswünsche der Union eingearbeitet worden seien.
Chance für einen historischen Kompromiss vertan
Der FDP-Innenpolitiker Max Stadler kritisierte die verhärteten Fronten zwischen Koalition und Union. Der Bundestag habe "die Chance für einen historischen Kompromiss" vertan, sagte Stadler unter Hinweis auf den abgelehnten Entwurf seiner Fraktion. In Richtung SPD und Grüne sagte Stadler, Zuwanderung müsse heute angesichts von 4,5 Millionen Arbeitslosen anders gesteuert werden, als noch vor zwei Jahren. An die Adresse der Union sagte Stadler: "Es geht ihnen gar nicht um einen Kompromiss. Sie wollen das Gesetz nicht, obwohl es dringend notwendig wäre."

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Seit Jahren millionenfache Zuwanderung
Der SPD-Innenpolitiker Michael Bürsch verwies darauf, dass entgegen den Behauptungen der Opposition in Deutschland seit Jahren "millionenfach" Zuwanderung stattfinde. Seit 1954 seien 31 Millionen Menschen in die Bundesrepublik gekommen, 22 Millionen hätten sie wieder verlassen. Dies sei "kein Grund für Angstmacherei und Hysterie". Das Gesetz der Koalition helfe, diese Zuwanderung sinnvoll zu steuern.
Die Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses und SPD- Politikerin Cornelie Sonntag-Wolgast sagte, zum ersten Mal seit vier Jahrzehnten bekenne sich der Staat mit dem Gesetz zur Integration. Beck sagte, die Union habe während ihrer Regierungszeit 16 Jahre lang eine Regelung dieser Integration "verschlafen". Die hohe Arbeitslosigkeit unter Ausländern sei auch eine Folge davon.
Eklat bei der ersten Abstimmung im Bundesrat
Der Bundestag hatte das Zuwanderungsgesetz erstmals am 1. März 2002 verabschiedet. Wegen eines Formfehlers bei der mit einem Eklat verbundenen Abstimmung im Bundesrat hatte das Verfassungsgericht das Gesetz im Dezember für nichtig erklärt. Die Bundesregierung hatte daraufhin das Gesetz erneut eingebracht. Die offizielle Anruf des Vermittlungsausschusses steht zwar noch aus. Dennoch haben die Fraktionen dem Vernehmen nach bereits Mitglieder für eine kleine Arbeitsgruppe benannt, die die Kompromisschancen ausloten soll.