Europäische Union Übernahme der EU-Ratspräsidentschaft: Was Ungarn jetzt vorhat

Viktor Orban
Die Regierung des Rechtspopulisten Viktor Orban übernimmt für sechs Monate die Ratspräsidentschaft der EU
© Tobias Steinmaurer/APA/dpa
Ungarn hat die Ratspräsidentschaft der Europäischen Union übernommen. Warum das umstritten ist – und was die rechtsnationale Regierung plant.

Worum geht es?

Ungarn hat am Montag die EU-Ratspräsidentschaft übernommen, das Land ist nun bis Ende Dezember Monate Vorsitzender des Europäischen Rats. Regierungsvertreter aus Ungarn werden die Leitung zahlreicher Ministertreffen übernehmen und bei Meinungsverschiedenheiten zwischen den EU-Staaten vermitteln. Zudem vertritt Ungarn den Europäischen Rat gegenüber den anderen EU-Institutionen, etwa dem Europäischem Parlament.

Wie kam es dazu?

Die EU-Ratspräsidentschaft wechselt turnusmäßig alle sechs Monate zwischen den 27 Mitgliedsstaaten. Zuvor war Belgien an der Reihe.

Was plant Orbans Regierung?

Die rechtsnationale ungarische Regierung hat ihre Ratspräsidentschaft unter das Motto "Make Europe Great Again" gestellt, sie will also "Europa wieder großartig machen" – ein abgewandelter Wahlkampf-Slogan des umstrittenen amerikanischen Ex-Präsidenten Donald Trump. Ungarn hat sich vorgenommen, mit der Präsidentschaft die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit der EU voranzutreiben. Ministerpräsident Orban hat außerdem angekündigt, die Migration zu einem Schwerpunkt der EU-Ratspräsidentschaft zu machen.

Wie viel Macht bekommt Ungarn?

Die Macht der Ratspräsidentschaft ist begrenzt: Die Gesetzesvorschläge gehen von der EU-Kommission aus. Der Wortlaut der Rechtstexte wird dann vom EU-Staaten und Parlament final ausgehandelt. Zudem sind jetzt – drei Wochen nach der Europawahl – weder die Kommission noch das Parlament voll arbeitsfähig. Zahlreiche wichtige Positionen müssen noch vergeben werden. Viele neue Gesetzesinitiativen sind daher in dieser Phase nicht zu erwarten.

Warum ist die ungarische Ratspräsidentschaft umstritten?

Der Rechtspopulist Orban ist für seine EU-kritische Haltung bekannt. Außerdem steht er seit Jahren wegen der Aushöhlung der Demokratie in seinem Land in der Kritik. Mit Brüssel liegt Ungarn bei einer Reihe von Themen über Kreuz, etwa bei der Migrationspolitik oder dem Verhältnis zu Russland und der Unterstützung der Ukraine. Mit Blick auf den ungarischen Ratsvorsitz wurden zuletzt Befürchtungen laut, Orban könnte die sechs Monate nutzen, um etwa den EU-Beitrittsprozess der Ukraine zu verzögern.

Wie blicken die Europaabgeordneten darauf?

Schon vor einem Jahr kritisierten etliche Abgeordnete die anstehende Übernahme der Ratspräsidentschaft durch Ungarn. Die Abgeordneten der konservativen EVP-Fraktion, der sozialdemokratischen S&D, der liberalen Fraktion Renew Europe, den Grünen sowie den Linken bezweifelten, dass Ungarn in der Lage sei, "diese Aufgabe im Jahr 2024 glaubwürdig zu erfüllen", da das Land EU-Recht und EU-Werte "nicht einhält". Ungarn wiederum prangerte dies als "anti-ungarische Initiative" an.

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Was hat Orban noch vor?

Viktor Orban will auch im EU-Parlament seinen Einfluss ausbauen. Einen Tag vor Übernahme der Ratspräsidentschaft kündigte er die Gründung einer neuen Rechtsaußen-Fraktion im Parlament an. Die Gruppierung "Patrioten für Europa" umfasst neben der ungarischen Regierungspartei Fidesz die rechte österreichische FPÖ und die liberal-populistische tschechische ANO. Das Bündnis ist für weitere Parteien offen, die sich zu dem am Sonntag von den drei Parteichefs in Wien unterzeichneten "Patriotischen Manifest" bekennen. 

DPA · AFP
jof