CDU-Frau und Katholikin Julia Klöckner, die seit kurzem das zweithöchste Staatsamt bekleidet, ist vom Geist beseelt. In ihrer Antrittsrede zur neuen Bundestagspräsidentin zitierte sie am 25. März den verstorbenen Papst Benedikt und fordert ein "hörendes Herz", vor allem auch unter den Abgeordneten. Am Ende wünschte sie allen "Gottes reichen Segen, mögen wir behütet sein und wissen: Wir geben immer nur die vorletzten Antworten für die großen Fragen, die unsere Gesellschaft hat."
Hat eine religiöse Prägung der Kabinettsmitglieder Auswirkungen auf ihre politische Arbeit? Angela Merkel verließ sich oft auf ihr "Gottvertrauen", wie sie jüngst sagte. Schon vor einigen Jahren schrieb der damalige Gesundheitsminister Jens Spahn, künftiger Fraktionschef von CDU und CSU und praktizierender Katholik: "Mein Glaube gibt mir nicht nur spirituellen Halt. Die christliche Religion ist auch untrennbar mit unserer Kultur verbunden, dem Humanismus und unserem Menschenbild, das wir Europäer teilen."
Konfession katholisch: Im Kabinett sind praktizierende Katholiken stark vertreten
Befürworter geistlich beseelter Staatsführung sagen: Wer den christlichen Glauben ernst nimmt, für den stehen biblische Grundwerte wie Nächstenliebe, Gerechtigkeit und Barmherzigkeit im Zentrum des Handelns, was sich besonders auswirkt auf Sozialpolitik, Außenpolitik oder Integrationsfragen. Und diese Werte enden nicht an nationalen Grenzen, denn das Christentum versteht sich als universell. Auch Verantwortung gehört zu den zentralen Axiomen der Christenheit. Münchens früherer Erzbischof Julius Kardinal Döpfner hat das mal so auf den Punkt gebracht: "Der barmherzige Samariter unterschreibt keine Resolution, die weitergeleitet werden muss, er packt selbst an."
Rein weltliche Beobachter halten entgegen, dass durch zu viel Heiliger Geist säkulare oder nichtchristliche Perspektiven unterrepräsentiert werden könnten. Nur noch gut 50 Prozent der Bundesbürger sind konfessionell gebunden. Die Gefahr bestehe zudem, dass es zu einem religiös inspirierten oder kirchlich unterstützten Moralismus kommt. Sie warnen vor zu viel Enge zum Klerus: In Deutschland ist die Trennung von Kirche und Staat ein verfassungsrechtliches Prinzip.
Und nun? Nimmt mit Schwarz-Rot der Heilige Geist einen festen Platz in der Bundesregierung ein? Jedenfalls sind auffallend viele der neuen Ministerinnen und Minister bekennende und praktizierende Christen. In vergangenen Legislaturperioden war das nicht immer der Fall, Altkanzler Olaf Scholz geht sogar als der erste Regierungschef ohne konfessionelle Bindung in die bundesdeutsche Geschichte ein. Was ist bekannt über Konfession und Glauben der kommenden (18 plus 1) Kabinettsmitglieder? Wer benutze beim Amtseid die Formel "So wahr mir Gott helfe"? Ein Überblick.
Friedrich Merz, 69, CDU (Bundeskanzler)
Katholik und Mitglied der ältesten katholischen Studentenverbindung Bavaria Bonn. In der Jugend war er Messdiener, engagierte sich in der Katholischen Jungen Gemeinde. In seiner Heimat Arnsberg besucht er regelmäßig den Gottesdienst. 2024 sagte er auf dem Katholikentag: "Als Christ, als Katholik, glaube ich an die Wahrheit von Hebräer 13,14: 'Denn auf dieser Erde gibt es keine Stadt, in der wir für immer zu Hause sein können. Sehnsüchtig warten wir auf die Stadt, die im Himmel für uns erbaut ist.'" Gottesformel beim Amtseid (GF): ja.
Thorsten Frei, 51, CDU (Kanzleramtschef)
Katholik und engagierter Förderer des interreligiösen Dialogs. Christentum ist für ihn auch politisch. Mit Blick auf die Rolle der Kirche bei der Demokratisierung Polens und dem Ende der totalitären DDR sagte er, Kirche könne auch heute noch die Welt verändern. GF: ja.
Lars Klingbeil, 47, SPD (Finanzminister)
Der neue Vizekanzler ist evangelisch, positioniert sich weder als fromm noch säkular, aber sagt: "Eine solidarische Bürgergesellschaft ist ohne den Einsatz von Kirchen und Religionsgemeinschaften für uns nicht denkbar." Für innerparteiliche Kirchengegner zeigt er wenig Verständnis. Als Generalsekretär der SPD verhinderte er 2019 die Gründung eines offiziellen Arbeitskreises "Säkulare in der SPD". Die Gruppe wollte die kirchlichen Privilegien abschaffen. Klingbeil verhinderte den Status und die Nutzung des Parteinamens. Bei einem Treffen mit Vertretern der Deutschen Bischofskonferenz im Willy-Brandt-Haus 2024 bezeichnete die SPD-Spitze die Katholiken als "verlässlichen Mitstreiter für eine wehrhafte Demokratie". GF: ja.
Alexander Dobrindt, 54, CSU (Innenminister)
Ein waschechter Katholik. Betonte wiederholt die Bedeutung des christlich-abendländischen Erbes für die kulturelle Identität Deutschlands. Die christliche Prägung sei als Basis unserer Gesellschaft festgelegt. Fordert von den christlichen Kirchen, sich mehr an großen gesellschaftlichen Debatten zu beteiligen, etwa zum Lebensschutz (§218) oder zur Geschlechteridentität. GF: ja.
Johann Wadephul, 62, CDU (Außenminister)
Der designierte Außenminister bekennt sich zur evangelischen Kirche. Kirchen seien für ihn zentrale Orte unserer christlich geprägten Kultur. Sein Ostergruß von 2020 könnte eine Beschwörungsformel für die neue Regierung sein, die auch über die Osterzeit gebildet wurde: "In der christlichen Lehre ist Ostern gleichbedeutend mit dem Ende der Leidenszeit, der Auferstehung und dem Aufbruch zu Neuem. Es steht für den Sieg des Lebens über das Leid." GF: ja.
Katherina Reiche, 51, CDU (Wirtschaftsministerin)
Die Chemikerin und evangelische Christin trägt stets ein kleines Kreuz um den Hals. Als Edmund Stoiber sie im Bundestagswahlkampf 2002 in sein Schattenkabinett berief, hagelte es Kritik aus der katholischen Kirche wegen ihrer liberalen Haltung zu bioethischen Fragen wie der embryonalen Stammzellforschung und ihres Familienstands als unverheiratete Mutter. "Nicht hinnehmbar", urteilte der damalige Kölner Kardinal Joachim Meisner. GF: ja.
Bärbel Bas, 57, SPD, (Arbeitsministerin)
Sie ist nicht konfessionell gebunden, spricht der Kirche aber ein wichtige Rolle zu. Zitat von 2023: "Die evangelische Kirche ist eine wichtige Instanz in Deutschland. Wir brauchen die christlichen Kirchen und andere Religionsgemeinschaften gerade in Krisenzeiten. Sie sind Brückenbauerinnen in alle gesellschaftlichen Schichten. Sie vermitteln Werte und geben Impulse. Sie stehen an der Seite der Schwachen und begleiten die Menschen in guten wie in schlechten Zeiten." GF: nein.
Carsten Schneider, 49, SPD (Umweltminister)
Er bezeichnet sich als nicht religiös, lobt aber die Rolle von Geistlichen als "Seismographen der Gesellschaft" und die Kirche als Akteur, der "immer wieder eine schützende Hand über unsere Demokratie hält." Setzt sich für eine klare Trennung von Staat und Kirche ein. GF: nein.
Boris Pistorius, 65, SPD (Verteidigungsminister)
Für ihn ist Religion Privatsache, zu Glauben und Unglauben macht er keine Angaben, er verzichtete bei der Vereidigung 2023 auf die Gottesformel. Er erkennt die wichtige Rolle der Kirchen in einer freien Gesellschaft an, benennt aber auch ihre Grenzen. So bezeichnet er das Kirchenasyl als eine wichtige humanitäre Tradition – wenn es nicht in einer rechtlichen Grauzone angewandt wird. GF: nein.
Karsten Wildberger, 55, parteilos (Digitalminister)
Er ist kein Mitglied der Christdemokraten, aber als Vizepräsident des Wirtschaftsrats der CDU nahe dran. Öffentlich hat er sich bislang nicht zu persönlichen religiösen Überzeugungen oder zur Rolle der Kirche geäußert. GF: ja.
Nina Warken, 45, CDU (Gesundheitsministerin)
Die Juristin ist römisch-katholisch. Sie sorgt sich unter anderem um die Religionsfreiheit in der Welt. 2021 lud sie den Religionssoziologen Thomas Schirrmacher in ihre Heimatkirche in Tauberbischofsheim ein. Thema: "Christenverfolgung geht uns alle an." GF: ja.
Stefanie Hubig, 56, SPD (Justizministerin)
Die frühere Bildungsministerin von Rheinland-Pfalz ist katholisch. Sie setzte sich stark für einen pluralistischen Religionsunterricht ein und wollte den landesweiten Ausbau des islamischen Religionsunterrichts, sofern Bedarf bestehe. Laut Lehrplan ihres Bundeslandes wird das Thema Bibel als Querschnittsthema behandelt, um Schülerinnen und Schülern christliche Sinn- und Deutungsangebote näherzubringen. GF: ja.
Patrick Schnieder, 57, CDU (Verkehrsminister)
Praktizierender Katholik und Mitglied der farbentragenden, katholischen und nichtschlagenden Studentenverbindung K.D.St.V. Novesia zu Bonn. Außerdem Mitglied im Cartellverband (CV), einem Zusammenschluss katholischer Studentenverbindungen. Machte einst Abitur am St. Matthias-Gymnasium in Gerolstein, bevor er Jura studierte. GF: ja.
Alois Rainer, 60, CSU (Landwirtschaftsminister)
Der Katholik aus Haibach-Elisabethzell im niederbayerischen Landkreis Straubing-Bogen ist gelernter Metzger und langjähriger Bürgermeister. Seine Schwester ist die offen engagierte Katholikin Gerda Hasselfeldt, Präsidentin des Deutschen Roten Kreuzes sowie Ex-Bundesbau- und -gesundheitsministerin. Rainer sagte einmal, unser Land sei "christlich-jüdisch geprägt" und er betreibe "aus tiefster Überzeugung eine bürgerlich-konservative Politik". GF: ja.
Dorothee Bär, 47, CSU (Forschungsministerin)
Die künftige Ministerin für Forschung und Raumfahrt ist Katholikin, die gerne Ministrantin werden wollte, aber es als Mädchen nicht durfte. Nicht nur qua Ressort ist Bär dem Himmel am nächsten: Christsein ist für sie mehr als eine Privatsache, sie will offen darüber sprechen. Rückwärtsgewandt ist sie nicht, sie fordert die Zulassung von Frauen zum Priesteramt und die Abschaffung des Zölibats. Für den Kontakt zu Gott nutzt sie auch das Gebetsformat "Twomplet" auf X , bei dem Nutzer gemeinsam das Abendgebet sprechen. GF: ja.
Verena Hubertz, 37, SPD (Bauministerin)
Die Betriebswirtin aus Trier ist römisch-katholisch. Das christliche Alltagsleben war Teil ihres Heranwachsens, sie ist Tochter einer Gemeindereferentin. Die Werte, die ihr in der Familie vermittelt wurden – insbesondere das Engagement für andere – haben sie nachhaltig geprägt. GF: ja.
Das sind die Gesichter des Merz-Kabinetts

Reem Alabali-Radovan, 35, SPD (Entwicklungsministerin)
Die ehemalige Beauftragte der Bundesregierung für Integration gehört der chaldäisch-katholischen Kirche an. Die Hobby-Boxerin setzt sich für ein respektvolles Miteinander verschiedener Glaubensrichtungen ein. GF: nein.
Karin Prien, 59, CDU (Bildungsministerin)
Sie hat christliche und jüdische Wurzeln (Ururenkelin des jüdischen Düsseldorfer Kaufmanns Salomon Hartoch), praktiziert den Glauben aber nach eigenen Angaben nicht. Seit dem Angriff der Hamas auf Israel trägt sie offen den Davidstern. Zudem arbeitet sie als Vorsitzende des Jüdischen Forums der CDU und setzt sich für die Sichtbarkeit jüdischen Lebens sowie gegen Antisemitismus ein. GF: ja.
Wolfram Weimer, 60, parteilos (Kulturstaatsminister)
Der künftige oberste Kulturhüter der Republik ist glasklar ein Gottesmann. In seinem Buch "Sehnsucht nach Gott" argumentiert er, dass die Rückkehr der Religion unserer Gesellschaft nur gut tun kann. Für ihn ist Religion ein Politikum. GF: ja.