Mit einem offenen Brief haben über 300 israelische Tech-Unternehmer Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) aufgerufen, seine Teilnahme an Europas wichtigster Tech-Konferenz am kommenden Dienstag in Portugal abzusagen. Hintergrund ist ein heftiger Streit um pro-palästinensische Äußerungen des Gipfel-Gründers.
"Wir wenden uns an Sie, weil uns Ihre historische Rede, in der Sie das Recht Israels auf Selbstverteidigung bekräftigt haben, tief bewegt hat", heißt es in dem Schreiben, das dem stern vorliegt. Und weiter: "Angesichts der jüngsten Entwicklungen sendet Ihre Teilnahme am 'Web Summit' jedoch ein widersprüchliches Signal aus, insbesondere an unsere florierende israelische Business Community, die einen wichtigen Beitrag zur deutschen Wirtschaft und Industrie leistet."
Man fordere Habeck, daher "respektvoll auf", wie viele andere auch seine Teilnahme an der Konferenz abzusagen: "Sie würden sich damit zu den Prinzipien der Fairness, des Respekts und der humanistischen und demokratischen Werte bekennen, die das Fundament der Bundesrepublik Deutschland bilden." Die Verfasser des Briefes schreiben weiter: "Ihre Entscheidung, zurückzutreten, wäre ein klares Signal gegen inakzeptable Kommentare, die das legitime Recht Israels auf Selbstverteidigung untergraben, und würde Ihr Ansehen in der globalen Industrie, die sich für ethische Geschäftspraktiken einsetzt, stärken."
Initiatorin des Briefes ist Mor Eini, Gründerin und Ko-Geschäftsführerin der "Israelischen Technologie- und Wirtschaftsgemeinschaft in Deutschland", einem Netzwerk von über 300 israelischen Unternehmern, die laut eigener Beschreibung "durch Investitionen, industrielle Produktion und Innovation aktiv zur deutschen Wirtschaft beitragen".
Gipfel-Gründer Cosgrave warf Israel "Kriegsverbrechen" vor
Hintergrund des Briefes sind Vorwürfe gegen den irischen Gründer des "Web Summit", Paddy Cosgrave. Dieser hatte nach den Hamas-Attacken am 7. Oktober mehrfach pro-palästinensische Postings auf dem Kurznachrichtendienst X abgesetzt. So veröffentlichte er noch am Tag der Anschläge eine Statistik, die für die palästinensische Seite im Konflikt mit Israel eine deutlich höhere Opferzahl ausweist. Am 13. Oktober schrieb er über die militärische Reaktion Israels auf die Terrorattacken: "Kriegsverbrechen sind Kriegsverbrechen, auch wenn sie von Verbündeten begangen werden."
Mehrere Unternehmen wie Siemens und Intel sowie zahlreiche Persönlichkeiten sagten daraufhin ihre Teilnahme ab. Nach massiven Protesten an seinen Äußerungen relativierte Cosgrave seine Aussagen und trat schließlich als Geschäftsführer des "Web Summit" zurück.
"Web Summit" in Portugal: Konferenz wirbt weiter mit Habeck
Der Gipfel wirbt weiterhin mit der Teilnahme von Habeck für das Treffen in der kommenden Woche. Der Bundeswirtschaftsminister soll dort laut Programm am Dienstagmittag zum Thema "Deutschlands Weg in eine progressive Zukunft" sprechen.
Für Habeck steht die geplante Reise auch aus einem anderen Grund unter keinem guten Stern: Er hatte anlässlich des Besuches in Portugal auch mehrere Mitglieder der dortigen Regierung treffen wollen. Doch dann kündigte Premier António Costa nach einem Korruptionsskandal seinen Rücktritt an. Das geplante gemeinsame Abendessen dürfte nun wohl ausfallen. Auf dem Programm steht bislang jedoch noch ein Treffen mit dem portugiesischen Umweltminister. Dessen Ministerium wurde am Dienstag auf Antrag der Staatsanwaltschaft durchsucht. Wie Wirtschaftsminister Habeck auf die neuesten Entwicklungen reagiert, ist noch offen.