Man hatte in den letzten Wochen den Eindruck, es gäbe in der deutschen Innenpolitik nur noch exakt ein Thema: Flüchtlinge und wie man sie möglichst schnell wieder loswird. Dieser Eindruck ist natürlich fatal – gerade für die Partei des Kanzlers. Deren Führung hat sich darum was einfallen lassen, es mutet wie eine regelrechte Gegenoffensive an. Oder wie ein Ablenkungsmanöver.
Anfang der Woche legte der SPD-Chef im stern vor. Ende der Woche zieht sein Generalsekretär im Spiegel nach. Lars Klingbeil hat eine Sonderabgabe für Superreiche gefordert. Es sei "nur gerecht, wenn Millionäre und Mega-Erben auch mehr beitragen". Klingbeil nannte es "Zukunftsabgabe", zahlbar von den oberen zehn Prozent der Einkommensbezieher.
"Temporäre Krisenabgabe"
Auch Klingbeils General Kevin Kühnert spricht nun von einer "temporären Krisenabgabe". Außerdem will man Supererben stärker zur Kasse bitten, vor allem jene, die ganze Unternehmen erben, sollen darauf eine Mindeststeuer zahlen. Und ganz nebenbei knüpft sich Kühnert auch noch die verhasste Schuldenbremse vor, die in Wahrheit längst eine "Investitionsbremse" geworden sei und "Investitionsimpulse" verhindere.
Hört die Signale!
Und trotzdem ist es natürlich Quatsch, wenn Kühnert sagt, dass es bei diesem "Zukunftskonzept" um die "Themen von morgen" ginge. Es sind ja längst die Themen von heute. Es geht heute um die Sanierung jedweder heimischen Infrastruktur, um den klimaneutralen Umbau der Wirtschaft, um eine schnellere Digitalisierung und bessere Bildung. Und darum geht es schon heute um die Frage, wie wir das finanzieren, so ganz generell und am besten gerecht. Nur beantworten lassen sich diese Fragen heute, im Hier und Jetzt, leider schlecht – jedenfalls dann, wenn man sie so beantworten will wie die SPD. Wenn "gerecht" vor allem meint, dass auf keinen Fall die zahlen sollen, die ohnehin schon viel zahlen, die die SPD als ihre Kernwähler im Visier hat.
Das zwar absolut richtig, aber genau darum auch nicht realisierbar. Nicht in dieser Regierungskonstellation, nicht solange Christian Lindner FDP-Vorsitzender und Finanzminister ist. Der Liberale hat seinen Wählerinnen und Wählern genau zwei Dinge fest versprochen: Mit ihm wird es keine höheren Steuern geben und die Schuldenbremse wird endlich wieder eingehalten.
Lindner hat nichts zu verschenken, Klingbeil auch nicht
Auch wenn es die die Koalitionspartner hassen: Christian Lindner würde sich eher eine Wärmepumpe in den Porsche zimmern, als eines dieser beiden zentralen Versprechen zu brechen. Er hat nicht viel mehr viel zu verschenken, seine Partei krebst bei 5 Prozent in den bundesweiten Umfragen.
Nur leider geht es Klingbeil und den Seinen inzwischen nicht viel besser: Die Kanzlerpartei ist auf bis zu 15 Prozent abgestürzt. Und hier liegt das wahre Motiv für den aktuellen Steuer-Aktivismus. Anfang Dezember hält die SPD in Berlin ihren Parteitag ab. Und manche Genossin, manchen Genossen quält die Frage, ob er oder sie eigentlich noch Mitglied einer linken Partei ist – viel Geld für Militär, wenig für Kinder und dann diese ewige Asyldebatte. Da kann die Führung ruhig mal ein paar schmissige Forderungen aufschreiben. Für einen Leitantrag, der ein bisschen das rote Herz wärmt, reicht das allemal. Für die Realität eher nicht.
"Man tut wat for de Revolutzjon"
Man wünscht den Herren Klingbeil und Kühnert viel Glück – und muss trotzdem an Tucholskys „älteren, aber leicht besoffenen Herrn" denken, der einst einen Sozi fragte, warum er eigentlich die SPD wähle. „Ick dachte, der Mann fällt mir vom Stuhl.“ Dann antworte der Genosse: „Es is so ein beruhjendes Jefiehl. Man tut wat for de Revolutzjon, aber man weeß janz jenau: mit diese Pachtei kommt se nich.“
Das war natürlich gemein. Aber so ganz falsch ist es bis heute nicht.