Krieg in der Ukraine Ist Frieden noch möglich?

Die Front ist vorerst stabilisiert, mehrere internationale Konferenzen sollen der Ukraine den Rücken stärken. Wie dieser Krieg enden könnte, ohne dass das Land untergeht. 
Artilleriegeschütz in der Ukraine
Abwehrschlacht in der Ukraine: Ein Artilleriegeschütz feuert Mitte Mai nahe Woltschansk auf russische Stellungen
© FINBARR O'REILLY/The NewYorkTimes/Redux/laif

Weit im Osten der Ukraine, irgendwo im schmalen Streifen zwischen Charkiw, der zweitgrößten Stadt des Landes, und der nahen russischen Grenze, sitzt Andrij, 25, Rufname "Ingenieur", in einem Bauernhaus. An der Wand hinter dem Bett hängt die Kalaschnikow, vor ihm steht ein Laptop. Darauf gehen Informationen über die feindlichen Positionen ein: Zielkoordinaten für seine Einheit. Andrij ist Kommandant einer Artillerie-Batterie der 92. Brigade der ukrainischen Armee. Von einer Stellung in der Nähe beschießen die Männer unter seinem Befehl die russischen Angreifer.

Das tun sie dieser Tage mit wachsendem Erfolg. Seit sie nämlich die Russen auf ihrem eigenen Gebiet nicht nur mit den Uralt-Geschützen aus sowjetischer Produktion, sondern auch mit ihrer Panzerhaubitze vom Typ M109 made in USA ins Visier nehmen dürfen. Am Donnerstag vergangener Woche zerstörte Andrijs Truppe ein Artilleriegeschütz der Russen jenseits der Grenze. Tags zuvor hatten sie einen Panzer getroffen und einen Gefechtsstand, von dem aus die Feinde Drohnen steuerten. "Nun ziehen die Russen ihre Stellungen weiter von der Grenze weg", sagt Andrij. Die Anfang Mai gestartete russische Offensive auf Charkiw scheint gestoppt.

ukrainischer Kommandeur
Andrij, 25, ist Kommandeur einer Artillerie-Batterie nahe Charkiw. Er glaubt nicht an ein schnelles Ende des Krieges
© STANISLAV KRUPAR

Ist das ein Wendepunkt in diesem Krieg? Können die Verteidiger der Ukraine, deren Lage noch vor Kurzem äußerst prekär erschien, etwas durchatmen? Nun, da Paris, Washington und Berlin ihnen zugestanden haben, westliche Waffen auch gegen Ziele auf russischem Staatsgebiet einzusetzen. Da der Nachschub an Munition und neuen, weiter reichenden Raketen dank des 60-Milliarden-Pakets der USA für den Rest des Jahres gesichert scheint.

Bringt die Verstärkung gar eine Verhandlungslösung in Reichweite? Gar so etwas wie Frieden? 

Erschienen in stern 25/2024