"Ich mag es, Bastarde zu zerstören": Diese Aussage stammt von Julian Assange. Wendet man sie auf den US-Wahlkampf an, so wird schnell deutlich, welchen der Kandidaten für das Präsidentenamt der Wikileaksgründer offenbar für einen solchen hält: Hillary Clinton. Seit Monaten macht die Enthüllungsplattform massiv Propaganda gegen die 69-Jährige. Keiner Person widmet das Portal auch nur annähernd so viel Aufmerksamkeit wie ihr. Letzter Höhepunkt der Kampagne war am Montag die Veröffentlichung einer weiteren Mail aus der Korrespondenz von Clintons Wahlkampfchef John Podesta. Sie soll belegen, dass die Kandidatin bei TV-Debatten im Vorwahlkampf vorab über eine Frage informiert wurde. Vor Wochen war bereits eine ähnliche Nachricht unter den Podesta-Mails gewesen.
Wikileaks hält Mail-Skandal ständig am Köcheln
Natürlich ist es die Aufgabe einer internationalen Enthüllungsplattform, unangenehme Wahrheiten ans Licht zu bringen. Doch wenn man sich die Streuung der Clinton-schädlichen Mailbomben über die letzten Monate hin ansieht und die Botschaften, die Wikileaks darüber hinaus auf Twitter verbreitet, bekommt man den Eindruck, dass Donald Trump höchstpersönlich den Account betreibt.
Am 23. Juli, und damit kurz vor dem Parteitag der Demokraten, machte Wikileaks die ersten 19.252 gehackten E-Mails von Führungspersonen der Demokraten öffentlich und löste damit den Rücktritt der damaligen Parteichefin Debbie Wasserman aus. Wikileaks bezeichnete die Mails selbst als "ersten Teil unserer neuen Serie Hillary Leaks". Seither hat das Portal wohldosiert zehntausende weitere der gehackten Mails veröffentlicht, darunter auch die auf bislang 26 Teile gestreckte Podesta-Korrespondenz, und das Thema damit bis jetzt, kurz vor der Wahl, ständig am Köcheln gehalten.
So gut wie keine Trump-kritischen Tweets
Doch @wikileaks beschränkt sich nicht auf die Veröffentlichung eigener Erkenntnisse. Das Portal retweetet auch fleißig fremde Anti-Clinton-Inhalte. Wer die Urheber sind, scheint dabei keine große Rolle zu spielen, solange die Botschaft stimmt. So findet sich auf der Wikileaks-Seite ein Posting, in dem "Russia Today" - ein von Russland finanzierter Propagandasender - den Vorwurf zurückweist, es gäbe Absprachen von Wikileaks mit dem Kreml.
Außerdem retweetet Wikileaks immer wieder Artikel des "Daily Caller", einer konservativen Nachrichtenseite, die selbst nahezu ausschließlich Clinton-kritische und Trump-freundliche Meldungen publiziert.
Und das Enthüllungsportal macht Werbung für ein Buch mit Clintons Reden vor Vertretern der Investmentbank Goldman Sachs, deren Veröffentlichung sie selbst strikt verweigert. Wegen ihrer hoch dotierten Auftritte vor den Bankern werfen ihre Gegner der Demokratin eine zu große Nähe zur Wall Street vor. Das Vorwort für das Buch hat Assange geschrieben.
Tweets oder Reetweets, die sich kritisch mit Donald Trump auseinandersetzen, muss man auf @wikileaks dagegen mit der Lupe suchen. Als Anfang Oktober das von der "Washington Post" veröffentlichte Video mit vulgären Äußerungen von Trump über Frauen für gewaltigen Aufruhr sorgte, reagierte Wikileaks nur mit einem einzigen, nicht weiter kommentierten Posting.
Dafür machte die Plattform unmittelbar nach Bekanntwerden des Trump-Videos am 7. Oktober die ersten der gehackten Podesta-Mails öffentlich. Kritiker halten Assange vor, er habe damit die Aufmerksamkeit von dem Skandal-Clip ablenken wollen.
Clinton und Assange seit Langem auf Kriegsfuß
Assange hat Vorwürfe, er würde Wahlkampf für Donald Trump machen, mehrfach zurückgewiesen. Das sei "Unsinn", sagte er dem "Spiegel". Doch der 45-Jährige, der seit 2012 in der ecuadorianischen Botschaft in London lebt, steht schon seit Langem mit Clinton auf Kriegsfuß. Bereits im Jahr 2010 brachte Wikileaks die damalige Außenministerin mit der Veröffentlichung von tausenden vertraulichen Einschätzungen und Lageberichten der US-Botschaften an das Ministerium in Washington in Bedrängnis. Zudem hat Assange selbst mehrfach betont, wie wenig er Clinton und ihre Politik leiden kann. Im US-Sender Fox-News sagte er, eine Präsidentschaft Clintons sei gefährlich.
Dass Assange sich in den US-Wahlkampf einmischt, sieht auch sein Gastgeber Ecuador so. Vergangenen Monat kappte die Botschaft zeitweilig die Internetverbindung ihres prominenten Asylanten. "Die Regierung von Ecuador vertritt den Grundsatz der Nichteinmischung in die Angelegenheiten anderer Länder, mischt sich nicht in Wahlprozesse ein und unterstützt keine bestimmten Kandidaten", begründete das Außenministerium seinen Schritt. Wikileaks habe eine Vielzahl von Dokumenten veröffentlicht, die Einfluss auf den Wahlkampf in den USA hätten. Das sei eine exklusive Entscheidung dieser Organisation. Aber gemäß der eigenen Richtlinien habe man "übergangsweise den Zugang zu seinen Kommunikationssystemen in der Botschaft im Vereinigten Königreich" beschnitten.
Der US-Journalistin Amy Goodman antwortete Assange im Juli auf die Frage, ob er Trump oder Clinton bevorzuge, das sei eine Wahl zwischen Cholera und Durchfall. Blickt man auf die Twitter-Timeline von Wikileaks, so scheint ihm Cholera lieber zu sein.