Aus der Perspektive des journalistischen Handwerks betrachtet, darf sich glücklich schätzen, wer über Angela Merkels jüngsten Auftritt vor der Bundespressekonferenz keine Nachricht fertigen muss. Einmal mehr präsentierte sie sich als Politikerin ohne Botschaft. Zwar bekannte sie sich zu einer Koalition mit der FDP, aber ohne dies inhaltlich zu begründen. Man wird in diesem Zusammenhang einen Verdacht nicht los: Die Kanzlerin würde ebenso gerne mit der SPD weitermachen. Ihre Wiederbewerbung fürs Amt der Regierungschefin beruht auf der Überzeugung, dass ihr dies, gestützt auf den Kanzlerinnenbonus, gelingen könnte. Ob sie dann mit FDP oder SPD regiert - egal.
Wie es um den Kompetenzwert dieser Kanzlerin bestellt ist in einer Phase schwerwiegender wirtschaftspolitischer und währungstechnischer Probleme, war einmal mehr nicht zu erfahren. Merkel hatte nichts zu sagen. Stattdessen streute sie ihr schon mehrfach benutztes Wortkonfetti aus. Und das geht so: Man müsse alle Aspekte der Wirtschaftskrise betrachten und dann Wachstum schaffen. Wie das gehen soll? Aus Merkels Sicht ganz einfach. Mehr Bürokratieabbau. Mehr Geld für Forschung und Entwicklung. Mehr Engagement in Bildungsfragen. Mehr Elektroautos. Mehr Miteinander in der Republik. Und die Steuereinnahmen werden schon wieder sprudeln.
"Ich sage, was wir wollen", sagte die Kanzlerin. Aber was das genau ist, bleibt - mit Ausnahme des erwünschten Wahlsiegs - nebelhaft. Hier ein wenig an der Einkommensteuer basteln, um die Progression zu entschärfen. Da noch einmal kritisch auf die Erbschaftssteuer und die Unternehmenssteuer blicken. Das war es auch schon.
Merkel macht weiter wie bisher. Dies in der schönen Gewissheit, dass ihr Amt selbst dann nicht gefährdet ist, wenn es nicht zu einer Mehrheit mit den Liberalen reicht. Die Sozialdemokraten haben ihr soeben über Herrn Steinbrück einmal mehr signalisiert, wie gerne sie erneut zu einer Großen Koalition bereit wären. Für die konkrete Entscheidungsfindung des wahlberechtigten Bürgers bedeutet dies, dass er sich nicht die Zeit nehmen muss, das von CDU und CSU vorgelegte Regierungsprogramm zu lesen: 63 eng mit Versprechungen voll geschriebene DIN-A-4-Seiten. Und dass er auch nichts auf den schwarz-rot-goldenen Slogan "Wir haben die Kraft" geben muss.
Angela Merkel hat ja bereits, was sie haben will - "das schönste Amt, das ich haben kann". Und es kommt noch hinzu, dass diese Kanzlerin von einem Wahlrecht unterstützt wird, das ihr - dank der damit garantierten Überhangmandate - selbst dann eine Mehrheit verschaffen könnte, wenn sie im Grunde, vom Willen der Wähler her betrachtet, keine hat. Also freut sie sich darüber, dass das Wahlrecht so ist, wie es ist, auch wenn es laut Bundesverfassungsgericht verfassungswidrig ist.
Wer vor diesem Hintergrund in die Zukunft blickt, in der die Bundesrepublik die Konsequenzen der Krise spüren wird, die uns noch schwere Arbeitsplatzverluste bescheren könnte, die sozialen Sicherungssysteme erschüttern dürfte und uns eine Staatsverschuldung einbrockt, an der noch Generationen sich abarbeiten müssen, den wird eine tiefe Sehnsucht in die Wahlkabine begleiten. Die Sehnsucht nach einem Barack Obama. Nach einer Kanzlerin die ihren Kurs nicht dadurch sucht, dass sie mal kurz den Finger in Luft steckt, um die Stimmung zu testen. Die sagt, was sie machen will.