ARD-"Wahlarena" mit Steinmeier Herausforderer in der Defensive

  • von Georg Fahrion
Beißhemmung beim Kanzlerkandidat: Frank-Walter Steinmeier hat seine Chance kaum genutzt, in der ARD-"Wahlarena" unentschlossene Wähler für die SPD zu begeistern. Immerhin bewies er feinen Humor.

Es gibt eine gute Nachricht für die wahlkämpfende SPD: Ihr Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier hat Humor. Es gibt aber auch eine schlechte: Einen überzeugenden Wahlkämpfer macht das trotzdem nicht aus ihm. So geriet die ARD-"Wahlarena" am Dienstagabend zu einer reichlich drögen Veranstaltung - obgleich Steinmeier hin und wieder seine Schlagfertigkeit aufblitzen ließ.

15 Millionen Wähler seien noch unentschlossen, sagte NDR-Chef Andreas Cichowicz, der gemeinsam mit WDR-Chefredakteur Jörg Schönenborn die Sendung leitete. Sie war als "Townhall Meeting" konzipiert, wie im US-Vorbild durften repräsentativ ausgewählte Bürger die Fragen stellen. Das hätte Gelegenheit geboten, ein paar Unentschiedene ins SPD-Boot zu holen.

"Ich kann Ihren Ärger verstehen"

Im Kölner E-Werk aber ging sein Auftritt zunächst gründlich daneben. Merkwürdig deplaziert lehnte er da an dem runden Stehtisch aus Plexiglas, versuchte Gelassenheit auszustrahlen - und verstammelte sich gleich bei der ersten Antwort, als er die Rente mit 67 rechtfertigen sollte.

Die Hertie-Pleite, die Abwanderung von Industrie-Jobs - nicht alles, wofür die Bürger Rechenschaft einforderten, ist einem Politiker anzukreiden. "Ich kann Ihren Ärger verstehen, aber ich kann Ihnen auch nichts Falsches erzählen", entgegnete Steinmeier einem Continental-Arbeiter, der einen Zoll in Höhe von 300 Prozent auf Produkte von Unternehmen vorschlug, die Arbeitsplätze nach Osteuropa verlagert haben. Bei den Regelungen zur Leiharbeit müsse man nachbessern, da sei inzwischen viel Missbrauch eingerissen, ließ er einen anderen Fragesteller wissen. "Damit bin ich nicht zufrieden", gab der zurück.

Reichlich PR-Talk

Anschließend konfrontierte ein junger Mann Steinmeier auch noch mit dem Fall Murat Kurnaz. Der Bremer Türke saß jahrelang unschuldig im US-Gefangenenlager Guantánamo; der damalige Kanzleramtschef Steinmeier musste sich gegen den Vorwurf verteidigen, er habe Kurnaz' Freilassung hintertrieben. Steinmeier räumte persönliches Bedauern ein, bat aber: "Wissen Sie, ich finde, da müssen wir jetzt auch ein bisschen fair mit umgehen." Der Untersuchungsausschuss habe ihn von den Vorwürfen entlastet.

Zweifelsohne: Steinmeier war in der Defensive. Da half es auch nicht, dass er die Klaviatur des PR-Talks rauf- und runterspielte - den Menschen anerkennen, Gemeinsamkeiten herstellen, geerdet rüberkommen: Ja, vielen Dank, ich verstehe die Frage nur zu gut. Sie kommen aus Porta Westfalica, ach, da war ich gerade. Das ist eine zentrale Frage, die ich an Ihrer Stelle genau so gestellt hätte.

Highlights blieben die Ausnahme

Es waren die Moderatoren, die Steinmeier mit dem öffentlich-rechtlichen Versuch eines frechen Witzchens die erste Steilvorlage lieferten. Als säße er bei "Wer wird Millionär", sollte er folgende Frage beantworten:

Wenn die Große Koalition zu Ende geht, dann vermisse ich... A. Angela Merkel B. Karl-Theodor zu Guttenberg C. Ursula von der Leyen D. Meinen Dienstwagen.

Steinmeier ignorierte den Seitenhieb auf seine Parteifreundin Ulla Schmidt: "Ja, D kann ja schon mal nicht eintreffen. Wenn die Große Koalition zu Ende geht, sitze ich im Kanzleramt." Zum ersten Mal erntete er Lacher und spontanen Applaus.

Solche Highlights blieben aber die Ausnahme, auch wenn Steinmeier gegen Ende der Sendung gelassener wirkte, seine Stimme an Kraft gewann, er konkreter und überzeugender antwortete. Bei Fragen zur Atommüll-Endlagerung, zu erneuerbaren Energien, zur Bildungspolitik, da kam er aus der Deckung.

Die Dosis Wahlkampf, die er der Sendung injizierte, war trotzdem homöopathisch. Steinmeier nannte den politischen Gegner nicht einmal beim Namen: Gegen Widerstand der "anderen Seite der Koalition" habe die SPD die branchenspezifischen Mindestlöhne durchgesetzt. Für gute Bildung brauche es realistische Finanzierungsmodelle. "Da habe ich bei der politischen Konkurrenz meine Zweifel." Die Union wird sicherlich schlottern angesichts derart beißwütiger Attacken.