Bei der Europawahl 2024 haben die Rechten kräftig abgeräumt. Genauer: Rechtsaußen à la AfD und Halbrechte à la CDU/CSU. Die Parteien trennt politisch eine Menge. Und doch teilen sie eine Eigenschaft: Sie haben es nicht so mit dem Klimaschutz. Die einen mehr, die anderen weniger, auch wenn die Union immer wieder Lippenbekenntnisse dazu abgibt.
Der politische Rechtsruck ist in der Wirtschaft angekommen
Doch den Rechtsruck sieht man nicht nur in der Politik. Er macht sich auch in Gesellschaft und Wirtschaft breit. Wer die unabhängige Wissenschaft und ihre Analysen über die Erderwärmung und ihre wirtschaftlichen Folgen nur halbwegs anerkennt, muss erschrecken, wenn er heute das "Handelsblatt" liest. Reihenweise verabschieden sich Großkonzerne von ihren Klimazielen oder verschieben die Transformation in eine CO2-freie Zukunft zumindest auf den Sankt-Nimmerleins-Tag – zu Gunsten von höheren Gewinnen, zur Freude ihrer Aktionäre.
Auf der Liste derer, die auf die Transformations-Bremse treten, tauchen große Namen auf: Ölkonzerne wie Shell und BP, die Lufthansa, Thyssen-Krupp, aber auch die Kreuzfahrt-Reedereien Aida und Tui Cruises. Mercedes-Chef Ola Källenius wird zur E-Auto-Strategie des Konzerns zitiert: "Die Transformation könnte länger dauern als gedacht." Unilever-Chef Hein Schumacher kappt sein Ziel, Neuplastik für Verpackungen zu reduzieren, und erklärt einen "neuen und notwendigen Realismus". Die Zeitung schreibt über die Stimmung in Vorstandsetagen, wo man "angesichts fehlender 'Greenpeace-Proteste' jetzt mal wieder einen Gang runterschalte."
Unternehmen fahren Klimaschutz zurück
Die Gegenbewegung bestätigt die Datenbank der Science Based Target Initiative (SBTI), die Gütesiegel für die gesteckten Klimaziele von Unternehmen verleiht. 5500 Unternehmen sind in der Datenbank, binnen zwei Jahren sind 160 Firmen wieder rausgeflogen (darunter die Lufthansa), weil die ihre Ziele verpasst oder gekappt haben.
All das könnte ihnen in einiger Zeit auf die Füße fallen. Deutschlands Wirtschaft ist groß geworden, weil sie innovativer war als alle anderen. Der Zukunft zugewandt. Die Bundesrepublik wurde über Jahrzehnte global für den Mut bewundert, mit einem Erneuerbaren-Energien-Gesetz (EEG) die grüne Transformation einzuleiten, auch um technische Wege gegen die Klimakatastrophe aufzuzeigen. Deutsche Ingenieurinnen und Ingenieure bauten die besten, zukunftsträchtigsten Maschinen und Autos. Deutsche Entwickler tüftelten schon an Verbrennermotoren, als der Rest der Welt noch fest auf Pferdekutschen setzte.
Die deutsche Wirtschaft gerät ins Hintertreffen.
Um im Bilde zu bleiben: Nun, im Propagandafeuer der Rechten, setzen die Deutsche zunehmend wieder auf Pferde, und der Rest der Welt, vor allem China, zieht technisch davon. Es ist kaum zu ertragen, wie die Parteichefs von AfD, CDU, FDP und BSW nach der Europawahl tendenziell ins gleiche Horn stießen und – nach dem Motto "immer druff auf die Grünen" – "Technologieoffenheit" in der Industrie forderten. Dieser Lobbyisten-Begriff aus der Mineralölwirtschaft bedeutet nichts anderes, als dass am besten alles beim Alten bleibt. Also fröhlich weiter Treibhausgase emittieren. "Et hätt noch immer jot jejange", wie der Kölner sagt.
Weltweit wurden mehr als 2000 Klimaklagen eingereicht: Wo es bereits Erfolge gab

Rund 47 Prozent der 16- bis 24-jährigen Wählerinnen und Wähler haben bei der Europawahl ihre Stimme CDU/CSU, FDP, AfD und BSW gegeben. Also den Parteien, die Klimaschutz relativieren oder komplett ablehnen. Die Gegenstimmen der Jugend sind kaum mehr zu hören. Umweltikonen wie Greta Thunberg haben sich durch politischen Irrsinn oder Klimakleberei selbst desavouiert. Aktionen der klassischen Umweltverbände verpuffen in einer dauerempörten Gesellschaft, der kein Ereignis mehr zu belanglos ist, um sich nicht darüber mächtig aufzuregen.
Wir brauchen Proteste der jungen Leute, um die Zukunft zu sichern
Es ist allerhöchste Zeit, dass möglichst alle anderen, nicht rechten Teens und Twens auf die Straße zurückkehren. Protestiert! Nervt! Fordert größtmögliche Anstrengungen ein, damit Ihr auf eine gute Zukunft hoffen könnt, ökologisch wie ökonomisch. Macht es den Konzernbossen nicht so leicht wie derzeit. Stellt wieder klar: Wer bei der Transformation nicht mitzieht, hat uns als Kunden verloren. Ihr habt alle Möglichkeiten, Druck aufzubauen. Ihr seid die werberelevante Zielgruppe, von der sich die Wirtschaft in den nächsten Jahrzehnten ernähren will. Wir Älteren sind als Konsumenten für sie eher irrelevant.
Es gibt übrigens keine Hinweise darauf, dass die Vorstände der großen Konzerne ernsthaft am Klimawandel und der Notwendigkeit zum Umsteuern zweifeln. Aber sie sehen sich nun mal zuallererst dazu verpflichtet, die Börsen und ihre Aktionäre zu befriedigen. Wie schleuderte schon Bertolt Brecht der Bourgeoisie entgegen: "Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral!"