Mit Nordseestrand, Kanufahrten auf der Mecklenburgischen Seenplatte oder Wanderwegen durch den Bayerischen Wald lassen sich keine Urlauber nach Deutschland locken: Laut einer aktuellen Umfrage wollen nur 1,5 Prozent von mehr als 30.000 befragten EU-Bürgern in diesem Jahr in Deutschland ihre Ferien verbringen.
Gründe für die Unbeliebtheit wurden in der Studie nicht abgefragt, aber die Zahlen sind vernichtend. Deutschland liegt in der Gunst der Urlauber weit abgeschlagen hinter Spitzenreiter Spanien, 8,3 Prozent der Befragten wollen hier ihren Urlaub verbringen, Italien (6,1 Prozent), Frankreich (5,8 Prozent) oder sogar Ägypten (1,6 Prozent) rangieren auf Rang elf. Aber immerhin noch vor Portugal, das auf Rang zwölf landete. Die Europäische Kommission hat für das so genannte Eurobarometer im Februar Menschen aus den 27 EU-Staaten und fünf weiteren Ländern befragt, die im laufenden Jahr ihre großen Ferien im Ausland verbringen wollen.
Retter aus den Niederlanden
Die Umfrageergebnisse der EU werden von aktuellen Zahlen des Statistischen Bundesamtes untermauert. Schon 2009 sank die Zahl ausländischer Gäste. 54,8 Millionen Übernachtungen von Besuchern aus dem Ausland wurden gezählt, drei Prozent weniger als 2008. In vielen Reiseländern blieben jedoch weitaus mehr Betten leer. Konkrete Zahlen veröffentlichen die Länder erst in diesen Tagen im Rahmen der Internationalen Tourismusbörse in Berlin.
Aber nicht alle ausländischen Touristen verschmähen Deutschland. Die Niederländer bleiben Deutschland als Reiseland treu. Zehn Millionen - und damit 2,8 Prozent mehr als 2008 - kamen 2009. Auch die Schweizer Gäste wurden mehr: 3,9 Millionen, ein Anstieg um 4,7 Prozent. Deutlich weniger Urlauber kamen dagegen aus der Türkei (minus 15,6 Prozent), Großbritannien (minus 12,4 Prozent), Spanien (minus 5 Prozent) und den USA (minus 3,4 Prozent).
Reise statt Rezession
Dabei lässt die überwundene Rezession laut Kommission die allgemeine Reiselust wieder steigen. Nur ein Fünftel der Befragten gab in der aktuellen Umfrage an, dieses Jahr zu Hause zu bleiben. Im vergangenen Jahr war es noch ein Drittel gewesen. Der zuständige EU-Kommissar Antonio Tajani erklärte, die Ergebnisse der Umfrage seien vielversprechend für die Touristikbranche. Mehr als die Hälfte der befragten Menschen in Deutschland (57 Prozent) hat keine größeren Probleme bei der Finanzierung des Urlaubs. Sieben Prozent können sich einen Urlaub nicht leisten oder müssten dafür Schulden machen. Insgesamt wollen 15 Prozent der Deutschen dieses Jahr ganz zu Hause bleiben.
Trend geht zum Urlaub in der Heimat
Die Befragung ergab, dass weiterhin viele EU-Bürger ihre Ferien im eigenen Land verbringen - ihr Anteil liegt wie schon im Vorjahr bei rund einem Drittel. Nur 22 Prozent der deutschen Befragten wollen im eigenen Land reisen. In den vergangenen Jahren waren es mehr als 30 Prozent, die zwischen Nordsee und Alpenrand die schönste Zeit des Jahres verbrachten.
Aber die Deutschen reisen gern über die Grenze, verbringen ihren Urlaub häufig in den europäischen Nachbarländern. Trotz der sinkenden Gästezahlen war Spanien im vergangenen Jahr das beliebteste Auslandsreiseziel der Deutschen, gefolgt von Italien und Österreich. Im Aufwind ist der östliche Mittelmeerraum, vor allem die Türkei mit einem günstigen Preis-Leistungsverhältnis. Die Türkei ist in diesem Jahr Partnerland auf der Internationalen Tourismusbörse (ITB). Der türkische Tourismusminister Ertugrul Günay sagte, die Türkei wolle die Gästezahlen aus Deutschland weiter steigern - von 4,5 Millionen im vorigen Jahr auf über fünf Millionen 2010.
Vorsichtiger Optimismus in der Branche
Nichtsdestotrotz demonstriert die Reisebranche nach kräftigen Rückgängen im vorigen Jahr Optimismus zu Beginn der ITB. 11.127 Unternehmen - so viele Aussteller wie noch nie - aus 187 Ländern zeigen bis zum Sonntag ihre Angebote in 26 Messehallen am Berliner Funkturm. "Die Talsohle ist durchschritten, die Lust auf Sommerurlaub steigt wieder und die Buchungen ziehen seit Mitte Dezember wieder an", sagte Klaus Laepple, Präsident des Deutschen Reiseverbandes (DRV). Für Euphorie gebe es aber keinen Grund. Erst 2011 könnte wieder ein normales Jahr mit stabiler Preisentwicklung und wachsender Teilnehmerzahl werden.
Infos zur ITB
Die Internationale Tourismus-Börse gilt als weltweit größter Branchentreff. Die ersten drei Tage (10.-12. März) sind dem Fachpublikum vorbehalten. Am Abschlusswochenende (13./14.) März stehen die Hallen von 10-18 Uhr allen Besuchern offen.
Eintrittspreise: Die Tageskarte für Privatbesucher kostet 14 Euro, im Internet gibt es vorab Karten für 12 Euro. Schüler und Studenten zahlen 8 Euro. Ebenso werden am Sonntag für alle Besucher ab 14 Uhr nur noch 8 Euro fällig. Kinder bis 14 Jahren sind frei. Die Fachbesucher-Tageskarte kostet 28, für alle Tage 46 Euro.
Anreise: Neben Bussen mit der S-Bahn: S75 und S9 bis Messe Süd, S41, S42, S46, S7, S9, S75 bis Westkreuz, S41, S42 und S46 bis Messe Nord/ICC. U-Bahn: U2 bis Kaiserdamm oder Theodor-Heuss- Platz.
Was die Stimmung der Branche trübt, ist ein Vorteil für die Urlauber. Derzeit sind die Preise im Keller. Hoteliers haben den Reiseanbietern hohe Rabatte gewährt, nachdem die Gästezahl aus vielen europäischen Ländern eingebrochen war. Hinzu kommen geringere Kosten für Kerosinzuschläge bei Flugreisen. "Die Preise für organisierten Urlaub sind so günstig wie schon lange nicht mehr", sagte Laepple.
Die Folge für die Tourismusindustrie: Erstmals seit Jahren ist 2009 der Gesamtumsatz bei den Reiseveranstaltern gesunken. Nach den endgültigen Zahlen ging der Umsatz um rund drei Prozent auf 20,8 Milliarden Euro zurück. Dabei sei aber zu berücksichtigen, dass das Vergleichsjahr 2008 mit einem Plus von fünf Prozent das bislang umsatzstärkste der Branche gewesen sei.
Deutsche Reiselust steigt wieder
Für den Sommer 2010 steigen die Buchungszahlen seit zwei Monaten an und haben zumindest das Vorjahresniveau erreicht. Während Branchenprimus TUI von einer spürbaren Erholung des Geschäfts spricht, berichten die Spezialreiseveranstalter des Konkurrenten Rewe und der Münchner Pauschalreiseanbieter FTI von Zuwächsen bei Umsatz und Gästezahlen. Allerdings hatten sämtliche Reiseveranstalter die Preise kräftig gesenkt. Je nach Zielgebiet liegt die Preissenkung zwischen fünf und acht Prozent. Fernreisen gibt es im Vergleich zum Vorjahr noch günstiger. Außerdem wurden die Aktionen für Frühbucher ausgeweitet.