Mecklenburg-Vorpommern "Daisy" beschert Schulausfall

Autofahrer, Bahnfahrer, Küstenbewohner - für viele Norddeutsche hat Sturmtief "Daisy" katastrophale Folgen. Nur Schüler dürfen sich freuen: In Mecklenburg-Vorpommern fällt morgen der Unterricht aus.

Das Sturmtief "Daisy" hat im Norden Deutschlands für Chaos gesorgt. Vorpommern war nach Einschätzung von Wetterexperten in Deutschland am stärksten von den bitterkalten Wetterkapriolen betroffen. Weniger die Schneemassen, sondern die enormen Sturm- und Orkanböen sorgten an der Küste zwischen Rügen, Usedom und dem küstennahen Festland für einen Ausnahmezustand. "Über der flachen Ostsee konnte Sturmtief Daisy richtig an Geschwindigkeit gewinnen und von Nordost auf die Küste drücken", sagte Juliane Pestel vom Wetterdienst Meteomedia.

Wegen des Verkehrschaos fällt am Montag in Mecklenburg-Vorpommern sogar die Schule aus. Dies gelte für alle Landkreise und kreisfreien Städte, teilte die Schweriner Landesregierung am Sonntagnachmittag mit. Aufgrund der bis zu zwei Meter hohen Schneeverwehungen seien zahlreiche Straßen unpassierbar. Deshalb könnten voraussichtlich am Montag auch vielerorts die Schulbusse nicht eingesetzt werden, hieß es zur Begründung.

Besonders dramatisch war die Wetterlage am Kap Arkona. Hier peitschte sich "Daisy" zu Orkanspitzen von 122 Kilometern pro Stunde hoch, am vorpommerschen Festland erreichte das Tief immerhin noch Sturmgeschwindigkeiten von 83 km/h. Zum Teil türmten sich Schneewehen bis zu drei Meter hoch wie in Wittow auf der Ostseeinsel Rügen. Viele Ortschaften waren nicht erreichbar. Zwischen Greifswald und Stralsund sorgte seit Samstagabend ein entgleister Zug für Stillstand auf den Gleisen, die Bundesstraße zwischen den Städten war auch am Sonntag nicht befahrbar.

Der Schnee reichte bis zum Autofenster

Das Technische Hilfswerk musste 167 vom Schnee eingeschlossene Autofahrer in Mecklenburg-Vorpommern in Sicherheit bringen. Das Sturmtief "Daisy" hatte die Menschen in der Nacht zu Sonntag mit meterhohen Schneewehen in ihren Autos auf der Autobahn A 20 eingeschlossen. Die Menschen saßen in mehreren Pkw, einem Reisebus und 12 bis 20 Lastwagen fest. Wegen des anhaltenden Schneefalls gelang es den Einsatzkräften stundenlang nicht, die Eingeschneiten freizubekommen. Nach Angaben der Autobahnpolizei Altentreptow waren Polizei, Feuerwehr und Rettungskräfte zwischen 3.00 Uhr nachts und 07.30 Uhr morgens im Großeinsatz. Erst am Morgen hatten sie sich mit Hilfe von Fräsen zu den Eingeschlossenen vorgearbeitet. Die Gefahr für die Menschen sei gebannt, da alle Insassen von den Helfern in Jarmen untergebracht worden seien, sagte eine Sprecherin der Autobahnpolizei Altentreptow am Sonntagvormittag. Gesperrt sei ein Autobahnabschnitt zwischen den Auffahrten Anklam und Süderholz. Nach ihrer Befreiung wurden die Menschen den Angaben zufolge in Jarmen in aufgebauten Zelten betreut. Der Schnee habe den Autos bis an die Fenster gereicht, hieß es. Insgesamt waren zeitweise 14 Kilometer auf der A20 komplett gesperrt.

Der Bahn-Nahverkehr kam im Norden insgesamt weitgehend zum Erliegen. Nach Angaben der Deutschen Bahn waren am Sonntag vor allem in Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein Regionalbahn-Linien wegen Schneeverwehungen eingestellt.

Das Land Mecklenburg-Vorpommern bildete am Sonntag einen Krisenstab. Wie es hieß, wurde der Interministerielle Führungsstab im Schweriner Innenministerium einberufen, um überörtliche Hilfe zur Bewältigung der schweren Wetterfolgen in den Landkreisen zu organisieren. In dem Bundesland rief am Vormittag auch der erste Landkreis aufgrund des Schneechaos Katastrophenalarm aus. Betroffen war der Kreis Ostvorpommern, wo der Alarmzustand am Sonntagmorgen erklärt wurde, wie das Lagezentrum im Schweriner Innenministerium mitteilte. Grund dafür seien die extreme Witterungssituation und die zunehmend chaotischen Verkehrsbedingungen, hieß es.

Dramatisch war die Situation auch in Schleswig-Holstein, wo wegen Schneeverwehungen mehrere Orte von der Außenwelt abgeschnitten wurden. Die Polizei appellierte dringend an die Menschen, ihr Auto stehenzulassen. Auf den Inseln Rügen und Usedom wie auch auf den Halbinseln Fischland, Darß, Zingst sowie dem küstennahen Festland brach den Angaben zufolge der Verkehr fast völlig zusammen. Schon am Samstagnachmittag hatte der Nahverkehr im Küstenbereich den Betrieb eingestellt. Auch Bahnstrecken mussten gesperrt werden.

Schneesturm über Lübeck

Auch ein Schneesturm über Lübeck und Ostholstein beschäftigte zahlreiche Einsatzkräfte. Die Polizei bezeichnete die Situation am Sonntagmorgen als unverändert angespannt. In Ostholstein waren fast alle Kreis-, Gemeinde- und Nebenstraßen unpassierbar. Lediglich die Autobahnen und Bundesstraßen wurden in Minutenabständen geräumt. Trotzdem kam es auch dort zu Behinderungen durch plötzlich auftretende Schneewehen. In Neustadt, Heiligenhafen und auch an anderen Badeorten trat nach Angaben der Polizeidirektion Lübeck die Ostsee über die Ufer. Bei Dahmeshöved drohte ein Deich zu brechen, dort halfen zahlreiche Menschen und versuchten, das Schlimmste zu verhindern.

Auf der Ostseeinsel Fehmarn ging fast nichts mehr, dort war nur die E 47 befahrbar, alle Ortschaften seien "mehr oder weniger sich selbst überlassen", erklärte die Polizei. Auf der gesamten Insel mussten die Menschen am Sonntag etwa eine Stunde lang ohne Strom auskommen. Außerdem begann es in der am heftigsten vom Schneesturm "Daisy" betroffenen Region Schleswig-Holsteins gegen Mittag erneut zu schneien. "Das ist das Schlimmste, was uns passieren konnte", sagte Bürgermeister Otto-Uwe Schmiedt (parteilos). Extremes Hochwasser der Ostsee und der Sturm hätten zudem einen Deich auf 25 Meter Länge in Mitleidenschaft gezogen. "Alle Dörfer sind nach wie vor von der Außenwelt abgeschnitten", berichtete Schmiedt. "Im Moment ist alles erstarrt." Drei hochschwangere Frauen auf der Insel konnte er beruhigen: "Wir haben ein Raupenfahrzeug für Notfälle."

Auch in Lübeck selbst kam es zu erheblichen Beeinträchtigungen. So stellte die Priwallfähre ihren Betrieb bis auf weiteres komplett ein, so dass Stadtteile praktisch von der Außenwelt abgeschnitten waren. Kleine Ortschaften wie Blankensee, Vorrade oder Wulfsdorf und auch unzählige Dörfer in Ostholstein waren auf dem Land- und Wasserwege nicht erreichbar. Der Pegelstand der Trave stieg in der Lübecker Altstadt auf 6,50 Meter, das Wasser trat über die Ufer. Auch in Travemünde sei die Situation äußerst angespannt. "Die Wellen der Ostsee peitschen gegen die steinerne Strandpromenade, reißen mit ungeheurer Wucht Ziegelsteine aus der Mauer, die dann unkontrolliert herumfliegen", teilte die Polizei mit. Allein in Ostholstein gingen in der Nacht 253 Notrufe bei der Polizei ein. Ständig drohten Baugerüste umzuwehen oder Bäume abzuknicken. Viele Menschen steckten mit ihren Fahrzeugen in meterhohen Schneewehen fest.

Störungen im Zug- und Flugverkehr

Störungen und Verspätungen gibt es derzeit auch auf den Flughäfen und im Zugverkehr. Die Deutsche Bahn entschuldigte sich in der "Bild am Sonntag" für die zahlreichen Verspätungen und Zugausfälle. "Der Unmut vieler Fahrgäste lässt uns keineswegs kalt. Sie erwarten pünktliche Züge und guten Service - und das völlig zu Recht! Deswegen möchte ich mich bei allen entschuldigen, die in den letzten Wochen aufgrund von Störungen und Verspätungen Beeinträchtigungen ihrer Reise hatten", so Ulrich Homburg, der für den Personenverkehr zuständige Vorstand des Unternehmens. Verantwortlich für die Ausfälle sind zumeist vereiste Oberleitungen, eingefrorene Weichen oder Störungen durch Schnee in ICE-Zügen.

Bereits am Samstag hatten starke Schneefälle und Schneeverwehungen sowie extreme Glätte und starke Sturmböen für zahlreiche Verkehrsbehinderungen gesorgt. Hunderte Flüge wurden gestrichen oder konnten erst mit Verspätung starten. Auch im Bahnverkehr gab es vereinzelt Zugausfälle und zahlreiche Verspätungen.

APD/DPA DPA

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