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Neuer Hauptstadt-Airport Berlin Brandenburg Verspäteter Abflug mit Blamage

Hauptpier des neuen Flughafens Berlin Brandenburg
Noch lange nicht startklar: die Hauptpier des neuen Flughafens Berlin Brandenburg
© Till Bartels
Schwarzer Tag für den neuen Hauptstadt-Airport. 27 Tage vor der Inbetriebnahme wird die Eröffnung abgesagt. Flugreisende müssen sich im Sommer auf Engpässe einstellen.

Zu schön war die Planung. Am 3. Juni sollte der neue Großflughafen im Südosten der Hauptstadt in Betrieb genommen werden. Das wäre zwei Wochen vor dem Beginn der Berliner Sommerferien gewesen. Noch rechtzeitig genug, um pünktlich zur Hauptreisezeit die ersten Kinderkrankheiten beseitigen zu können.

Doch nun kommt alles anders. Wenige Tage vor dem am "modernste Flughafen Europas" geplanten Volksfest und kurz vor der offiziellen Eröffnungsparty mit Hunderten geladenen Gästen aus Wirtschaft und Politik wurde am Dienstag die Eröffnung von BER, so das internationale Kürzel für den südlich des alten DDR-Flughafens Schönefeld gelegenen Airports, bis auf die Zeit nach den Sommerferien verschoben. Einen genauen Termin haben die Planer nicht genannt.

Als Begründung führt die Betreibergesellschaft Flughafen Berlin-Brandenburg GmbH Mängel beim Brandschutz an. Dies ist "mehr als eine böse Überraschung", so Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck. Er erwartet bis kommenden Montag eine "ganz klare Aussage der Geschäftsführung, um dann zu einer klaren Terminaussage zu kommen."

Man ist kleinlaut geworden

Die Planer gaben sich auf der kurzfristig einberufenen Pressekonferenz zerknirscht. Der technische Chefplaner Manfred Körtgen erklärte, die Sicherheitsanlagen und deren Zusammenspiel untereinander hätten noch nicht den nötigen "Reifegrad" und könnten deshalb vom TÜV nicht abgenommen werden. Die "Schutzziele" werden bis zum Stichtag am 3. Juni nicht mehr erreicht. Und das 27 Tage vor Eröffnung. Deshalb zeigt sich Flughafenchef Rainer Schwarz kleinlaut. Er entschuldigte sich und setzt auf das Prinzip Hoffnung: Der erwartete Verkehrswachstum soll von den Flughäfen Tegel und Schönefeld bewältigt werden. Das sagt sich so einfach. Denn die angekündigte Verschiebung stellt Planer, Passagiere und Airlines vor zwei Herausforderungen:

Erstens handelt es sich bei BER nicht nur um die Eröffnung eines Neubaus, sondern um die Zusammenlegung zweier Verkehrsflughäfen: dem citynahen Flughafen Tegel und dem auf Billigflieger spezialisierten Flughafen Schönefeld. In nur einer Nacht vor der Inbetriebnahme sollten am 2. Juni alle Büros, Läden, Mitarbeiter, Gepäckkarren, Flugzeugschlepper und Vorfeldbusse aus dem 35 Kilometer entfernten Tegel-Airport zum Flughafen Berlin Brandenburg umziehen. Alle logistischen Planungen für diese "Nacht der Nächte" sind damit über den Haufen geworfen.

Wohin mit den vielen Passagieren?

Problem Nummer zwei: Die Eröffnung von BER ist mehr als nur die Zusammenlegung zweier Flughäfen zu dann Deutschlands drittgrößtem Airport - nach Frankfurt und München. Zum Starttermin werden die beiden wichtigsten Fluggesellschaften - Air Berlin und Lufthansa - ihre Kapazitäten erheblich ausweiten. Allein Lufthansa stockt mit neuen Flugzeugen und Crews die Zahl ihrer Nonstop-Verbindungen von derzeit elf auf 39 Routen auf. Tausende von Tickets sind bereits verkauft worden.

Die ab dem 3. Juni um 40 Prozent gesteigerte Anzahl von Passagieren kann der Flughafen Tegel, der bereits jetzt aus allen Nähten platzt, unmöglich auffangen. Dennoch bemüht sich Lufthansa, die erforderlichen Start- und Landerechte in Tegel zu sichern. Als Reaktion auf die verschobene Flughafeneröffnung hat die Kranich-Airline ihren geplanten Jungfernflug mit einem Airbus A 380 nach Frankfurt bereits abgesagt.

Gestrichene Flüge, weniger Passagiere

Auch Air Berlin steht durch die geplatzte Eröffnung des neuen Flughafens vor "gewaltigen logistischen Problemen, die außerdem erhebliche noch nicht kalkulierbare Mehrkosten verursachen werden", so Hartmut Mehdorn. Der Chef der zweitgrößten deutschen Airline hatte noch am letzten Freitag mit seinem Vorstand den neuen Terminal besucht, wo Air Berlin mit einer eigenen Süd-Pier auf Umsteigepassagiere zu neuen Zielen nach Nordamerika setzt. Am bestehenden Flughafen Tegel sei das Drehkreuzkonzept mit den geplanten sechs Wellen pro Tag nicht ohne weiteres durchführbar.

Wie die zusätzlichen Flüge ab Juni auf den bestehenden Flughäfen abgewickelt werden, ist heute noch vollkommen offen. Da Fluggesellschaften aufgrund der wirtschaftlichen Situation an vielen Sparschrauben drehen, müssen Reisende auch damit rechnen, dass schlecht ausgelastete Flüge gestrichen werden und Umbuchungen die Folgen sind.

Lounge ohne Wasseranschluss

Aus Sicht der Lufthansa ist der Brandschutz nicht das einzige Problem, das noch gelöst werden muss. "Wir haben in den Testläufen in den vergangenen Tagen und Wochen feststellen müssen, dass noch an vielen Stellen Handlungsbedarf besteht", erklärte die Fluggesellschaft diplomatisch. Konkret heißt das: Vier Wochen vor dem geplanten Eröffnung hat die neue Lufthansa Lounge, die gerne von Vielfliegern und Politikern genutzt wird, weder einen Strom- noch einen Wasseranschluss, wie Insider der "Financial Times Deutschland" berichten. "Die Situation auf dem neuen Airport sei derzeit geradezu chaotisch", so die Zeitung.

Der Verschiebung lässt sich auch etwas Gutes abgewinnen: Die beim Testbetrieb mit Komparsen festgestellten Engpässe an den Check-in-Schaltern und vor der Sicherheitskontrolle könnten Ende des Sommers durch zusätzliche Maßnahmen entschärft sein. Außerdem reduzieren sich die Chancen, dass sich ein Desaster wie 2008 in London-Heathrow wiederholt. Damals war die Eröffnung des neues Terminals 5 chaotisch abgelaufen, weil die Gepäcksortieranlage versagte. Und noch einen Vorteil haben die Berliner: Sie können wider Erwarten 2012 noch einmal ab Tegel in die Sommerferien fliegen. Denn für die meisten Hauptstadtbewohner wird zukünftig die Anreise zum Flughafen Berlin Brandenburg durch die längere Anreise und erhöhte Taxikosten wesentlich teurer werden.

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