Mit 29 Punkten avancierte der 1. FC Köln zum sechstbesten Team der vergangenen Rückrunde. Träume sind in der Domstadt trotzdem nicht erlaubt, der finanzielle Rahmen gibt keinen Angriff auf die internationalen Plätze her. Wir sagen, wo der FC am Ende landen wird und stellen den neuen Trainer Stale Solbakken vor.
Gute Sommer-Zeiten
Die Rückrunde hat gezeigt, wie viel Potenzial in der Mannschaft steckt. Von den Stammspielern verließ niemand den Verein, mit Sascha Riehter kam sogar ein deutscher Nationalspieler hinzu, eine Tatsache, die es in den letzten Jahren nicht allzu häufig in Köln gab. Wesentlich größere Veränderungen gab es im Trainerteam, neben Solbakken holte der FC mit Bard Wiggen, Patrick Weiser und Ibrahim Tanko gleich drei neue Co-Trainer - ein ausgesprochener Wunsch von Sportdirektor Volker Finke.
Der ehemalige Freiburger Coach, seit einem halben Jahr im Amt, hatte es zu Beginn in Köln nicht leicht. Besonders die Kapitulation von FC-Idol Frank Schaefer wurde Finke zu Last gelegt. Im Sommer machte Finke aber einen guten Job. Leistungsträger wie Mato Jajalo und Slawomir Peszko konnte Finke halten. Zudem verkleinerte er den aufgeblähten Kader, verlieh insgesamt acht Nachwuchsleute und sorgte so für bessere Stimmung im Kader und wesentlich bessere Arbeitsbedingungen für Solbakken.
Ob der Norweger, der für 750.000 Euro Ablöse vom norwegischen Verband losgeeist werden musste, mit seinen Ideen vom Konzeptfußball wirklich nach Köln passt, ist nach einigen Wochen Vorbereitung noch nicht zu beantworten. Solbakken bringt aus Kopenhagen, wo sein Team neben nationaler Dominanz auch beachtliche Spiele in der Champions League zeigte, mit dem 4-4-2 ein bevorzugtes System mit, dass zum Kader der Kölner passt.
Wichtig ist die Doppelsechs, in der Riether die Chefrolle übernehmen soll und mit Kevin Pezzoni, Jajalo, Martin Lanig, Adam Matuschyk sowie in der Rückrunde Petit sehr viele Akteure für den Part daneben zur Verfügung stehen. Auch der Rolle des hängenden Stürmers misst Solbakken viel Bedeutung bei, hier gilt es, Lukas Podolski von der vermehrten Defensivarbeit zu überzeugen. Insgesamt will der Norweger sein Team früher zupacken lassen, alle Spieler müssen sowohl offensiv als auch defensiv denken und der Gegner soll so früher unter Druck gesetzt werden.
Schlechte Sommer-Zeiten
In Zeiten, wo Borussia Dortmund die Bundesliga auch wegen totaler Fitness dominierte und auch andere Trainer der Laufbereitschaft ihrer Teams höchste Priorität einräumen, klingt es zunächst mal bedenklich, wenn Solbakken im Vergleich gemächlich trainieren lässt. Drei Einheiten am Tag hält Solbakken für unnötig, auch reine Laufelemente suchten die Zaungäste in der Vorbereitung vergeblich.
Zweifel an der konditionellen Stärke seiner Geißböcke erstickte Solbakken aber direkt im Keim, er wisse aus seiner Zeit in Kopenhagen, was er tue. Wenn die Gegner allerdings Horsens statt Hamburg oder Midtjylland statt München heißen, sind unsere Zweifel durchaus berechtigt. Die Testspiel-Niederlagen gegen Paderborn (1:4) und den FSV Frankfurt (0:3) taugten in der Frühphase der Vorbereitung allerdings noch nicht als Beweis für fehlende Kilometer auf dem Platz, besser lief es dann schon gegen Spartak Moskau (1:0) und Panathinaikos Athen (2:1).
Völlig ohne Aussagekraft ist dagegen die vom Kölner Boulevard geführte Diskussion über die Kapitänsbinde beim FC. Solbakken will sich erst in den kommenden Tagen entscheiden, wer sein verlängerter Arm auf dem Platz sein soll und ließ in den Testspielen verschiedene Leute als Kapitän auflaufen. Die Majestätsbeleidigung des Lukas Podolski war fortan das Thema in Köln, dabei nahm sich der neue Trainer nur das Recht heraus, seinen Kader genauer kennenlernen zu wollen. Das Sommerloch im erstaunlich ruhigen Köln musste aber gefüllt werden.
Wer darf sich nicht verletzen?
Was den Kölnern sicherlich fehlt, ist ein dritter Stürmer mit Torjäger-Qualitäten. Milivoje Novakovic und Podolski erzielten in der vergangenen Saison zusammen 30 der insgesamt nur 47 Tore - dahinter klaffte dementsprechend eine riesige Lücke. Doch Finke und Solbakken haben stets betont, die Augen auf den Transfermarkt wenn nötig bis zum letzten Tag offen halten zu wollen und der Angriff gilt als erste Baustelle.
Im Tor ist der FC mit Rensing, Daniel Schwabke, Talent Timo Horn und Miro Varvodic - der Kroate ersetzte in der letzten Saison bereits fünf Mal den gekränkten Faryd Mondragon - personell sehr gut aufgestellt. Trotzdem wäre ein langfristiger Ausfall von Michael Rensing nicht zu kompensieren. Der ehemalige Bayern-Keeper spielte eine herausragende Rückrunde, rettete den Kölner einige Punkte im Abstiegskampf und schwang sich innerhalb kürzester Zeit zum Führungsspieler auf.
Sein ehemaliger Torwart-Trainer Sepp Maier bringt Rensing nach der Verletzung von Bayer-Keeper René Adler sogar für die Nationalmannschaft ins Gespräch. "Er steht im Notizblock von Jogi Löw", erzählte Maier in einem Interview mit dem Express. "Und wenn er so weiterspielt, kommt Löw an ihm für die EM nicht vorbei und muss ihn mitnehmen." Das halten wir angesichts der aufstrebenden Talente wie Ron-Robert Zieler oder Marc-André ter Stegen für übertrieben, der große Rückhalt des FC wird Rensing trotzdem sein.
Die Horde wird gezähmt
Ultra-Schlagzeilen gehörten in diesem Sommer irgendwie dazu. In Frankfurt wurde ein Kodex für die Fans aufgestellt, um Szenen wie gegen Ende der letzten Spielzeit, als im Abstiegskampf der Innenraum gestürmt wurde, aus dem Stadion zu verbannen. Richtig grotesk wurde es in München, wo einige Ultra-Gruppierungen Benimmregeln für Torhüter Manuel Neuer aufstellten und sich damit mit der ganzen Vereinsführung anlegten.
Auch in Köln wurde beschlossen, sich von den Ultras nicht mehr alles gefallen zu lassen. Die "Wilde Horde 1996" ist einer der größten Fanclubs und bestimmt mit durchaus gelungenen Choreografien das Kurvenbild bei Heimspielen. Doch es gab nicht nur positive Nachrichten, nach Angaben des Vereins sollen Horden-Mitglieder "verbindliche Absprachen zum friedlichen und gewaltfreien Verhalten in mehreren Fällen gebrochen haben". Als Krönung gilt ein Vorfall am Rande des letzten Heimspiels gegen den FC Bayern, als zwei Polizisten schwer verletzt wurden. Nun hat der Verein reagiert und Privilegien für die Ultras gestrichen, es dürfen unter anderem keine Utensilien mehr vorab im Stadion platziert werden.
Prognose
BVB-Trainer Jürgen Klopp hat den FC im kicker sogar zu einem möglichen Überraschungsteam erklärt. Mit den Eindrücken der vergangenen Rückrunde im Hinterkopf könnte man zu dieser Ansicht gelangen. Auch die Vorschusslorbeeren des Trainers und die Stärke der Mittelachse Rensing - Geromel - Riether - Podolski - Novakovic könnte für eine Platzierung in den Top Ten sprechen.
Wir glauben aber trotzdem an eine frühzeitige Verabschiedung aus dem Abstiegskampf und platzieren die Kölner auf dem 13. Rang. Das liegt an der Stärke einiger Teams, die zuletzt hinter dem FC landeten, an normalen Anlaufschwierigkeiten unter einem neuen Trainer, der nach wie vor vorhandenen Schwäche auf den Außen in der Viererkette und den fehlenden Alternativen im Sturm und in der Innenverteidigung.
Marcus Krämer