Die Bundesliga startet an diesem Freitag in ihre 54. Saison. Zu Beginn stehen sich Meister Bayern München und Bayer 04 Leverkusen in der Allianz-Arena gegenüber (20.30 Uhr/ZDF, Eurosport-Player und stern.de-Ticker). Zuletzt überlagerten die Diskussionen um astronomische Ablösesummen für internationale Stars, die Zersplitterung der Spieltage und der auch aus Frust über diese Überkommerzialisierung resultierende Gewaltbereitschaft einiger Fan-Gruppen die Diskussion um das sportliche Geschehen.
Dass der FC Bayern München auch in diesem Jahr die größten Chancen hat, den Meistertitel zu gewinnen, steht außer Frage. Doch dahinter erwarten viele Experten eine besonders ausgeglichene Liga - nicht zuletzt, weil es mit dem VfB Stuttgart und Hannover 96 namhafte Aufsteiger gibt und sich die Zahl vermeintlicher Underdogs damit verringert hat.
Bundesliga: Vereine wissen noch nicht, wo sie stehen
Gerät der übermächtige FC Bayern vielleicht doch ins Stolpern? Wer hat das Zeug, sich für die Champions League zu qualifizieren? Und wird wieder die halbe Liga vor dem Abstieg zittern müssen? Wer kann in dieser Saison überraschen, wer wird zur großen Enttäuschung? Fragen, die von diesem Freitag an beantwortet werden.
Trotz der langen und intensiven Vorbereitung haben die 18 Clubs aber noch mit Problemen zu kämpfen. Die Baustellen im einzelnen:
FC Bayern München
Die Vorbereitung verlief holprig, was auch der Marketingreise nach Asien geschuldet war. Nach teils äußerst schwachen Testspielen mit herben Niederlagen waren die Bayern aber im Supercup und DFB-Pokal wieder obenauf. Trotzdem: In Topform ist der Titelfavorit noch nicht, es ist durchaus Verunsicherung zu spüren. Einige Stars stehen zudem noch nicht zur Verfügung.
RB Leipzig
Das größte Problem dürfte zum Saisonstart in der Eingespieltheit des Teams liegen. Krankheiten und Verletzungen der Schlüsselspieler Emil Forsberg und Diego Demme störten die Vorbereitung. Es muss sich zeigen, wie gut die Neuen schon ins RB-System integriert sind. Über die Saison gesehen wird die Mannschaft beweisen müssen, dass sie die Teilnahme an der Champions League - der erste Auftritt auf europäischer Bühne überhaupt - bewältigen kann.
Borussia Dortmund
Wie bereits in der vergangenen Saison bereitet beim BVB die Defensive das größte Kopfzerbrechen. Die offensive Taktik des neuen Trainers Peter Bosz mit einer hochstehenden Abwehr und intensivem Pressing könnte das Problem noch verstärken. Das Wechsel-Gezerre um Dembélé und die daraus resultierende Suspendierung des Jungstars sorgt für Ärger und Ablenkung. Auch Gerüchte um eine Abwanderung von Sturmstar Aubameyang wollen trotz eines Machtworts der Club-Bosse nicht abreißen.
1899 Hoffenheim
Liverpool, Liverpool, Liverpool: Neben der Champions-League-Qualifikation gegen den englischen Spitzenclub wurde der Bundesliga-Start fast zur Nebensache. Spätestens seit dem 1:2 im Hinspiel am Dienstag dürfte sich das Europa-Fieber etwas abgekühlt haben. Dennoch: Der "Dorfclub" wird erstmals international spielen; eine ungewohnte Situation. Noch immer sucht die TSG einen gleichwertigen Ersatz für die zu Bayern München gewechselten Sebastian Rudy und Niklas Süle.
1. FC Köln
Die große Frage wird sein: Kann 16-Millionen-Euro-Zugang Jhon Cordoba im Team von Trainer Peter Stöger im Sturmzentrum Anthony Modeste, den mit Abstand bestens Torschützen des vergangenen Jahres, gleichwertig ersetzen. Der französische Torjäger war nach einer Top-Spielzeit im Sommer nach China gewechselt. Dennoch: Derzeit herrscht Euphorie in der Domstadt angesichts der ersten Teilnahme am Europapokal seit 25 Jahren.
Herta BSC
Die Berliner Profis müssen die Ereignisse vom Pokalspiel in Rostock aus den Köpfen bekommen. In der Vorbereitung standen Trainer Pal Dardai längst nicht alle Profis zur Verfügung, die offensiven Toptransfers Davie Selke und Valentino Lazaro fehlen noch. Wichtig wird sein, dass die Berliner wie in den vergangenen Jahren eine starke Hinrunde spielen. Gelingt das nicht, drohen Probleme, denn in der Rückserie ließ das Team nicht zum ersten Mal deutlich nach.
SC Freiburg
Das Aus in der Qualifikation für die Europa League war für Christian Streich der Warnschuss vor einer wohl schwierigen Saison. So enttäuschend das Ausscheiden auch war, es entlastet den Club immerhin von einer zusätzlichen, womöglich schwer zu verkraftenden Belastung. Für die prominenten Abgänge Maximilian Philipp und Vincenzo Grifo fehlt noch guter Ersatz, der SCF braucht dringend noch neue Spieler. Viele handeln die Breisgauer deshalb als möglichen Abstiegskandidaten.
Werder Bremen
Die Bremer würden gerne, können aber derzeit noch nicht mehr auf dem Transfermarkt investieren. Einige Spieler im Kader, die keine Chance mehr haben, sollen weg, bislang sind aber noch keine Abnehmer in Sicht. Einen Stürmer braucht Werder noch. Dennoch: Nach der starken Rückrunde in der vergangenen Saison gibt es an der Weser nach schweren Jahren wieder Hoffnung auf bessere Zeiten.
Leipzig spielt im Meister-Trikot - Bayerns Retro-Optik nur Mittelmaß
Borussia Mönchengladbach
Leistungsträger wie Andreas Christensen (zurück zum FC Chelsea) und Mahmoud Dahoud (zum BVB) sind weg: Können die Abgänge kompensiert werden? Abwehr-As Matthias Ginter (vom BVB) und Mittelfeld-Talent Denis Zakaria (aus Bern gekommen) sollen dies leisten. Rückkehrer Raul Bobadilla (vom FC Augsburg), erst jetzt gekommen, soll für bisher fehlende Durchschlagskraft im Strafraum sorgen. Sportchef Max Eberl hat - bescheiden - das Saisonziel eines einstelligen Tabellenplatzes ausgegeben. Letztlich wollen die Fohlen aber zurück ins europäische Geschäft.
FC Schalke 04
Der Trainerwechsel von Markus Weinzierl zum erst 31-jährigen Domenico Tedesco ist mutig: Der ehemalige Aue-Coach hat keine Erstliga-Erfahrung. Sportvorstand Christian Heidel hält viel vom Neuen, der eine Hauptaufgabe hat: das Mittelmaß zu beseitigen. Die Knappen stehen in jedem Fall unter Zugzwang. Ein zweites Jahr ohne Europacup-Teilnahme würde die Finanzierung des teuren Kaders schwer machen.
Eintracht Frankfurt
Die Eintracht hat erneut einen Umbruch hinter sich. Neun Spieler gingen, zehn kamen - und damit ist es nicht getan. Aufgrund der Verletzungsprobleme soll noch Kevin-Prince Boateng für das Mittelfeld kommen. Ob sich daraus eine konkurrenzfähige Truppe bilden lässt, bleibt abzuwarten.
Bayer Leverkusen
Neu-Trainer Heiko Herrlich geht ohne ehemalige Stammspieler wie Hakan Calhanoglu, Ömer Toprak oder Chicharito in die Saison. Zugang Sven Bender wird dem Team mit seiner großen Erfahrung aber gewiss Stabilität im Defensivbereich vermitteln können. Von den Namen her wirkt der Kader der Rheinländer schwächer als im Jahr zuvor. Doch auch mit den abgewanderten Stars spielte die "Werkself" die schwächste Saison seit langem.
FC Augsburg
Die Vorbereitung verlief gut - bis zum Pokal-K.o. in Magdeburg. Nun herrscht Nervosität zum Start beim FCA. Trainer Manuel Baum muss schnell Probleme lösen. Der Kader ist zu groß, Zugänge sind noch nicht eingefügt, dazu Routiniers wie Altintop, Verhaegh und Bobadilla weg. Nicht wenige Experten erwarten eine äußerst schwere Saison für die Fuggerstädter; Abstieg nicht ausgeschlossen.
Hamburger SV
Die Pokalblamage in Osnabrück hat für neue Baustellen gesorgt. Coach Markus Gisdol droht jenen Profis, die nun nicht voll mitziehen, mit der Tribüne. Für anhaltende Probleme sorgt die Unzufriedenheit etlicher Spieler: Manche sollen gehen, finden aber keinen neuen Verein. Andere wollen weg, müssen aber bleiben. Gisdol fordert schnelle Lösungen der Personalfragen. Gegen die ebenfalls im Pokal gescheiterten Augsburger ist am ersten Spieltag bereits mit einigen Umbesetzungen im Vergleich zum Pokalspiel zu rechnen. Schon zu Beginn der Saison ist der Bundesliga-Dino wieder im Krisenmodus.
FSV Mainz 05
Wer ersetzt bei den 05ern den nach Köln gewechselten Stürmer Jhon Cordoba? Und kann der Franzose Abdou Diallo die bestenfalls durchschnittliche Mainzer Abwehr verstärken? Das sind die großen Fragen in Mainz vor dem Saisonstart. Da mit Stuttgart und Hannover namhafte Aufsteiger die Konkurrenz vergrößern, erwartet auch die Mainzer eine schwere Saison. Unklar ist, ob Neu-Coach Sandro Schwarz, der keine Erstliga-Erfahrung hat, der Aufgabe gewachsen ist. Bisher hatte die Club-Bosse aber bei der Besetzung des Traineramts mit Männern, die sich im Verein entwickeln konnten, stets ein gutes Händchen.
VfL Wolfsburg
Erstes Ziel: Nicht noch einmal in die Relegation. Zweites Ziel: Zurück in die Europaplätze. Da herrscht inzwischen aber mächtiges Gedränge - nicht zuletzt, weil auch andere Topclubs wie Schalke und Leverkusen wieder an die Fleischtöpfe des Europa-Geschäfts drängen. Gesucht wird noch händeringend ein offensiver Außenspieler. Größtes Problem ist aber die Abwehr: In John Anthony Brooks und Jeffrey Bruma fallen beide Stamm-Innenverteidiger zum Start gegen Dortmund aus. Die Vorbereitung war insgesamt wenig überzeugend.
VfB Stuttgart
Vor dem Saisonstart herrscht Unruhe durch die Demission von Ex-Sportdirektor Jan Schindelmeiser wegen angeblicher Alleingänge in Transferfragen. Der weist alle Anschuldigungen zurück. Auf dem Platz ist die Problemzone die Defensive. Ex-Nationalspieler Holger Badstuber hat Nachholbedarf und dürfte vorerst in der Startelf fehlen. Mittelfeldmotor Carlos Mané - eine führende Kraft in der Aufstiegssaison - wird mindestens die gesamte Hinrunde verletzt ausfallen. Dazu sind viele unerfahrene Jungprofis im Kader. Trotzdem trauen viele dem VfB eine solide Mittelfeld-Platzierung zu. Im Pokal in Cottbus ging es gerade so gut. Trainer Hannes Wolf geht in seine erste Bundesliga-Saison.
Hannover 96
Die Auflistung aller Probleme sprengt jeden Rahmen. Der Kader wirkt kaum stärker als der, mit dem der Aufstieg gerade eben so erreicht werden konnte. Zudem sorgt der Stimmungsboykott der Fans für Verdruss. Clubchef Kind liegt im Dauerclinch mit dem Anhang. Die Roten gelten zu Beginn der Spielzeit als einer der Abstiegskandidaten.
