Es lässt sich nicht mehr abstreiten: Borussia Dortmund steckt nach der desolaten 2:4-Niederlage im eigenen Stadion gegen die Glasgow Rangers in einer schweren Krise. "Wir spielen sehr viel unsinnigen Fußball und machen die Gegner damit unnötig stark. So gewinnst du mal, und so verlierst du mal, aber so wirst du nie dauerhaft erfolgreich sein", sagte Mats Hummels nach Spielschluss beim Streamingdienst RTL+.
Es wird nun ganz schwer für die ambitionierten Dortmunder, das Achtelfinale in der Europa League zu erreichen. Das Team von Trainer Marco Rose bräuchte im Rückspiel in Glasgow in einer Woche einen Sieg mit zwei Toren Vorsprung, um überhaupt in die Verlängerung zu kommen.
Negativ-Dynamik in den vergangenen Wochen
Unmöglich ist es bei dem spielerischen Potenzial des BVBs nicht, aber die Mannschaft ist im Moment nicht in der Lage, es abzurufen. Siege wie zuletzt das 3:0 bei Union Berlin überdecken, dass die Mannschaft die immer gleichen Probleme durch die Saison schleppt. Im Pokal setzte es die 1:2-Niederlage gegen den FC St. Pauli, gegen Bayer Leverkusen verlor man in der Liga ähnlich peinlich wie gegen Glasgow (2:5) und aus der Champions League ist der BVB längst raus. Nur in der Liga läuft es solide, eine ernsthafte Konkurrenz zum FC Bayern sind die Dortmunder aber nach wie vor nicht.
Das Spiel gegen die Rangers legte die Schwächen wie auf einem Seziertisch offen. Die größte: das eklatante Abwehrverhalten. In 33 Pflichtspielen hat das Team in dieser Saison schon 56 Tore geschluckt, das sind 1,7 Gegentreffer pro Partie. Die Viererkette gegen Glasgow (Akanji, Hummels, Zagadou, Guerreiro) war löchrig und nicht in der Lage, die Fehler der Vorderleute auszubügeln. Spieler wie Marco Reus oder Julian Brandt spielen defensiv oft dilettantisch und lustlos.
Eindringliches Anschaungsmaterial für die eklatante Defensivschwäche war beim dritten Tor der Glasgow Rangers zu beobachten. Ryan Kent tanzte die leidenschaftslosen Hummels und Akanji aus, und passte auf den mitgelaufenen John Lundstram, der mit einem präzisen Schuss einnetzte. Und wo war Gegenspieler Reus? Der war zwar mit nach hinten getrabt, hatte Lundstram aber laufen lassen. Von Einsatz keine Spur. Wenn angebliche Führungsspieler eine derartige Einstellung zeigen, steht es nicht gut um eine Mannschaft. Und die Jungen sind häufig überfordert. Der Ballverlust des eifrigen, aber glücklosen Youssoufa Moukouko, 17 Jahre alt, vor dem 1:4 steht beispielhaft dafür.
Marco Rose ist wirkt ratlos
Über die Gründe lässt sich viel spekulieren. Dennoch rückt allmählich Trainer Rose in den Fokus. Der beteuert immer wieder, dass das Team die Vorgaben "umsetzten" müsse, zum Leidwesen des Coaches passiert das in den entscheidenden Partien nicht. Rose wirkte nach der Glasgow-Pleite ratlos: "Ich glaube schon, dass ich die Jungs noch erreiche. Ich sehe im Training und in Gesprächen nickende Köpfe", kommentierte er: "Unser Thema ist immer wieder die Umsetzung. Auch dafür bin ich verantwortlich." Bislang hat sich Rose vergeblich bemüht, der launischen Truppe Konstanz und Siegermentalität zu vermitteln.
Es macht bisweilen den Eindruck, dass ein Plan B fehlt. Hat die Mannschaft eine gute Tagesform, wird der SC Freiburg mit 5:1 überrannt. Dann steht eine kämpferische und kombinationssichere Mannschaft auf dem Platz, nur kommt das in der aktuellen Saison zu selten vor. Trifft der BVB jedoch auf hartnäckige und unbequeme Gegner, gerät das Team in Schwierigkeiten. Im Pokal-Spiel gegen den FC St. Pauli fiel zwar das Anschlusstor zum 1:2, doch danach kam nichts mehr. Die Hamburger verteidigten klug und mit viel Einsatz, Dortmund fand keine Mittel. Die viel beschworene Abhängigkeit von Torjäger Erling Haaland reicht als Ausrede nicht. Gegen St. Pauli stand der Norweger auf dem Platz, war aber komplett abgemeldet und wurde von den Mitspielern im Sturmzentrum alleingelassen.
Noch ist die Saison nicht zu Ende und das Aus in der Europa League, in der die Dortmunder als Mitfavorit angetreten sind, ist nicht besiegelt. Das Minimalziel, die Qualifikation für die Champions League, ist derzeit nicht gefährdet. Das hält Rose im Amt. Im Sommer wird es einen größeren Umbruch geben, Rose wird den Kader nach seinen Vorstellungen verändern können. Es bleibt die Frage, wie viele Rückschläge sich der BVB mit Rose noch leisten will.
Quellen: DPA, "Sport Bild", "kicker"