Joachim Löw will schaffen, was noch keinem Bundestrainer gelang: den Weltmeistertitel verteidigen. Doch das wird alles andere als einfach. Zwar zählt Deutschland als Titelträger und Nummer eins der Weltrangliste naturgemäß zum Kreis der Favoriten für die Fußball-WM in Russland. Zu diesem exklusiven Klub gehören jedoch auch Mannschaften wie Spanien, Brasilien und vor allem: Frankreich. Gegen zwei dieser drei Schwergewichte spielt die deutsche Nationalelf in den kommenden Tagen. Natürlich sind das nur Testspiele, aber es könnte zumindest ein Fingerzeig dafür werden, wo der Titelverteidiger steht - und wie gut die großen Herausforderer sind.
Im Vergleich zum Weltmeisterkader von 2014 fehlen Deutschland Spieler wie Lahm, Klose oder Schweinsteiger. Fest steht dennoch: Löw wird ein herausragendes Team mit nach Russland nehmen können. Sensationell besetzte Mannschaften haben die anderen Favoriten jedoch auch. Ob es für Deutschland für den Titel reichen wird? Die Mannschaftsteile im Überblick und Vergleich mit der Konkurrenz.
Tor
Seit jeher hierzulande kein wirkliches Problem. Aktuell ist die etatmäßigen Nummer eins verletzt und Fußball-Deutschland diskutiert bereits über das Luxusproblem, ob denn nun ter Stegen oder Neuer im Tor stehen werden. Jedes Land der Welt wäre für einen von beiden unendlich dankbar, Deutschland darf sich zwischen beiden entscheiden. Spanien (de Gea) und Frankreich (Lloris) sind hier zwar auch bestens besetzt. Auf dieser Position ist die Bundeself aber definitiv weltklasse.
Abwehr
Das Innenverteidigerduo Mats Hummels und Jerome Boateng gehört zu den besten der Welt, keine Frage. Allerdings ist die Konkurrenz hier ähnlich stark. Frankreich hat Varane (Real Madrid) und Umtiti (FC Barcelona), Spanien Piqué (Barcelona) und Ramos (Real) und Brasilien David Luiz (Chelsea) und Thiago Silva (PSG). Deutschland fällt auf den besonders fürs Offensivspiel wichtigen Flügelpositionen allerdings stark ab: Kimmich spielt zwar eine starke Saison, macht Lahm fast vergessen, doch der Weltmeister-Kapitän war durch seine jahrelange Konstanz einer der besten der Geschichte. So weit ist Kimmich noch nicht. Im internationalen Vergleich hinkt vor allem die linke Seite hinterher. Hector und Plattenhardt stehen als solide Lösungen bereit. Beide haben jedoch nicht die internationale Klasse. Da ist Spanien mit Jordi Alba (Barcelona), oder auch Marcos Alonso (Chelsea) deutlich stärker besetzt, Brasilien mit Marcelo (Real) ohnehin. Wie bereits bei vergangenen Turnieren wird die Position des linken Verteidigers Löw wohl vor die größten Probleme stellen.
Mittelfeld
Seit Jahren das Prunkstück der deutschen Nationalmannschaft, die Namen sagen alles: Kroos, Gündogan, Özil, Draxler, Khedira, Müller, Sané und sofern er in Form kommt und fit bleibt: Reus. Löw kann hier auch in der Breite auf einen international erfahrenen und spielstarken Kader setzen. Allerdings ist das kein Alleinstellungsmerkmal. Spaniens Mittelfeld mit Thiago, Koke, Isco, Asensio und den etwas in die Jahre gekommenen Iniesta und David Silva auf zumindest vergleichbarem Niveau. Auch Brasilien ist mit Neymar, Casemiro, Coutinho, Costa, Taison, Willian und Fernandinho nicht schlecht besetzt. Doch das Mittelfeld von Frankreich sprengt in diesem Jahr alles: Kanté, Pogba, Rabiot, Tolisso, Matuidi, Dembélé, Lemar, Martial - da sind die Angreifer Griezmann, Mbappé und Giroud noch gar nicht mit eingerechnet. Die Franzosen haben eine derart spielstarke Mannschaft, dass viele sie für den Topfavoriten auf den Titel in Russland sehen. Der gesamte Kader der Franzosen ist laut transfermarkt.de knapp eine Milliarde Euro wert (Deutschland: 836 Millionen, Spanien: 853 Millionen, Brasilien: 643 Millionen).
Sturm
Das Loch, das Lahm in der Defensive hinterließ, riss Klose ins deutsche Sturmzentrum. Keiner seiner Nachfolger ist so spielstark, mannschaftsdienlich und trotzdem torgefährlich wie der ewige WM-Rekordtorschütze. Aktuell wohl gesetzt dürfte Timo Werner sein, der sich das mit seinen Leistungen in den vergangenen Monaten auch verdient. Doch Werner ist kein klassischer Strafraumstürmer, um den Posten bewerben sich noch Sandro Wagner oder Mario Gomez. Spanien hat mit Diego Costa und Alvaro Morata Mittelstürmer von Weltklasse-Format, aber im internationalen Vergleich sticht hier erneut Frankreich hervor. Nicht nur, dass die Franzosen ein brandgefährliches, dribbelstarkes Mittelfeld haben. Für die Positionen ganz vorne können sie auch noch aus Arsenals Lacazette, Chelseas Giroud und den beiden Superstars Mbappé und Griezmann wählen. Wahlweise können die auch zurückgezogen über die Flügel kommen. Frankreichs Offensive ist auf dem Papier ganz klar die stärkste der WM.
Fazit
Entsprechend schwer wird die Mission Titelverteidigung für Löw und sein Team. Zumal auch Argentinien, Europameister Portugal, oder Belgien und England nicht zu unterschätzen sind. Dazu kommen in der Regel immer Überraschungsmannschaften, die sich im Turnierverlauf hervorheben. Vor der Europameisterschaft 2016 galt Deutschland schon einmal als Favorit. Doch damals war im Halbfinale Schluss, Antoine Griezmann und seine Franzosen beendeten die EM-Träume von Löw. Damals war es ein knappes Spiel, in dem Deutschland auch mit Pech und Verletzungen haderte. In den vergangenen zwei Jahren ist das Frankreich allerdings noch stärker geworden, was man von Deutschland - vor allem im Offensiv-Bereich - nicht unbedingt sagen kann.
