Rettung vor den Taliban Dramatische Flucht der afghanischen Fußballerinnen: "Die Trophäe ist es, zum Flughafen zu gelangen"

Spielerinnen der afghanischen Fußball-Nationalmannschaft
Spielerinnen der afghanischen Fußball-Nationalmannschaft vor einem Spiel 2011
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Den Spielerinnen der afghanischen Frauen-Fußballnationalmannschaft ist die Flucht aus Kabul gelungen. Großen Anteil daran haben eine ehemalige Trainerin und eine frühere Teamkollegin, die die Rettungsaktion koordinierten.

Als die Taliban die Macht in Kabul übernahmen, war die Panik in der afghanischen Hauptstadt groß. Tausende versuchten verzweifelt, das Land zu verlassen, um sich vor den radikalen Islamisten in Sicherheit zu bringen. In besonders großer Gefahr befanden sich viele Frauen, die zuvor am gesellschaftlichen Leben teilgenommen und viele Freiheiten genossen hatten, die ihnen die Taliban wieder nehmen wollen. Darunter auch die Spielerinnen der afghanischen Frauen-Fußballnationalmannschaft.

Auch sie suchten nach dem schnellstmöglichen Weg heraus aus Afghanistan. Denn dass Frauen Fußball spielen, ist nach dem Gesetz der Scharia, das die Taliban durchsetzen wollen, undenkbar – und würde von den neuen Herrschern wohl auch entsprechend bestraft werden. Mittlerweile befinden sich die Fußballerinnen in Sicherheit. Dass ihre Rettung gelang, ist vor allem einer Gruppe von sechs Frauen aus den USA zu verdanken.

Ehemalige Trainerin setzt sich für Rettung von Fußballerinnen aus Kabul ein

Haley Carter war die Frau, welche in den Vereinigten Staaten ein Team zusammenstellte, um die afghanischen Spielerinnen auszufliegen. Sie selbst kennt viele der Sportlerinnen persönlich, weil sie die Mannschaft einige Jahre lang als Co-Trainerin betreut hat. In dieser Funktion ging es für sie nicht nur darum, das Team sportlich zu verbessern, sondern den Frauen auch Selbstbewusstsein für ihre Rolle in der Gesellschaft zu vermitteln. Mittlerweile ist Carter Trainerin der Nationalmannschaft von Antigua und Barbuda. Doch als sie in den Nachrichten mitbekam, wie dramatisch sich die Lage in Afghanistan zuspitzte, wusste sie, dass sie ihren ehemaligen Spielerinnen helfen musste.

Afghanistan: Zwei Frauen in hellblauen Burkas steigen hinten in ein weiß-gelbes Taxi auf einer Straße Kabuls ein
Während der Taliban-Herrschaft in Afghanistan – hier eine Straßenszene von 1996 in Kabul – mussten Frauen Burkas tragen
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Rückblick auf die Taliban-Herrschaft in den 1990ern: Was Afghanistan nun wieder bevorsteht

"Diese Spielerinnen werden immer meine Spielerinnen bleiben", sagte die 37-Jährige CNN. "Wir haben ein so starkes Vertrauen zwischen uns entwickelt. Manche von diesen Frauen sind wie Familie für mich." Aus Angst vor den Taliban versteckten sich die Fußballerinnen, verbrannten ihre Trikots, um nicht erkannt zu werden. Khalida Popal, die ehemalige Spielführerin des Nationalteams, die bereits 2016 nach Dänemark geflüchtet war, richtete über Twitter verzweifelte Hilferufe an die internationale Gemeinschaft. Popal und Carter gingen gemeinsam die Mission an, die afghanischen Fußballerinnen vor den Taliban zu retten.

Zwar versuchte das US-Militär, möglichst viele Menschen auszufliegen, das Vorhaben gestaltete sich jedoch logistisch schwierig – ganz abgesehen davon, dass viel zu viele Menschen das Land verlassen wollten. Vielen war es außerdem gar nicht möglich, den Flughafen in Kabul zu erreichen. So mussten Popal, Carter und ihre Mitstreiterinnen – zwei Anwältinnen, die frühere Trainerin des afghanischen Frauen-Teams Kelly Lindsey und die frühere kanadische Profi-Schwimmerin Nikki Dryden – quasi rund um die Uhr telefonieren, E-Mails schreiben und sämtliche Kontakte aktivieren. Eine bunt zusammengewürfelte Truppe, doch wie Carter sagt: "Unterschätzen Sie niemals die Macht einer Gruppe von Frauen mit Smartphones."

Spielerinnen bekommen Asyl in Australien

Gleichzeitig war Carter mit den Spielerinnen in Kontakt, versuchte, sie zu beruhigen und ihnen Anweisungen für die Flucht zu geben – so wie früher vor den Spielen: "Ihr müsst kämpfen, und ihr müsst schlau sein. Bereitet euch gut vor und passt auf euch auf. Ihr werdet euch in Situationen wiederfinden, in denen ihr euch nicht wohlfühlen werdet." Auch Popal schickte motivierende Nachrichten in die Heimat, sagte sie ESPN: "Das ist ein Fußballspiel, die Trophäe ist es, zum Flughafen zu gelangen. Ihr müsst zu den US-Soldaten kommen, ihr müsst raus aus Afghanistan."

Schließlich die erlösende Nachricht: Mit Hilfe der australischen Regierung und der globalen Profifußballer-Gewerkschaft Fifpro gelang es, 75 Angehörige des Frauenteams auszufliegen. "Ich habe noch sie solche Tränen der Erleichterung geweint wie in diesem Moment", erinnert sich Haley Carter bei CNN. Die Spielerinnen wurden nach Australien ausgeflogen und erhalten dort Asyl. Viele von ihnen mussten jedoch ihre Familien und alles, was sie sich in den vergangenen Jahren aufgebaut hatten, in Afghanistan zurücklassen.

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