Bei dieser Europameisterschaft wird alles anders. Na gut, nicht alles, aber doch vieles und vor allem die Vorrunde. Statt wie bisher (seit 1996) streiten sich nicht 16 Mannschaften um den EM-Titel sondern gleich 24 - in sechs Vierergruppen. Bei dem bewährten System "zwei kommen weiter, zwei scheiden aus" blieben aber nach der Vorrunde 12 Mannschaften übrig und nicht die 16, die man für das neuerdings gewollte Achtelfinale braucht. Bislang ging es nach der Gruppenphase einer EM ja mit dem Viertelfinale weiter. Also hat die Uefa entschieden, dass man auch noch die vier besten Dritten mit in die nächste Runde nimmt, lediglich zwei Dritte scheiden also aus.
Andersrum gesagt: Man muss schon Gruppenletzter werden, um sicher in der Vorrunde zu scheitern. Für die großen Fußballnationen geht es in der Gruppenphase also fast nur noch darum, gegen wen sie im Achtelfinale spielen. Etwa bei gewonnenem Auftaktmatch steht man schon mit anderthalb Beinen weiter, bei einem Sieg und einem Unentschieden kann man schon mal den Achtelfinalort ins Navi vom Mannschaftsbus einspeichern. In den vergangenen 20 Jahren EM reichten drei Punkte in mehr als 50 Prozent der Fälle für Rang drei, mit vier Punkten hätte man in 19 der vergangenen 20 EM-Gruppen mindestens auf dem dritten Platz gestanden. Schwer vorstellbar, dass Mannschaften wie Deutschland, Frankreich, Spanien oder England zwei von drei Gruppenspielen verlieren. Zumal sich durch den neuen Modus ja auch Teams wie Albanien, Wales, und Nordirland im Teilnehmerfeld tummeln.
Modus für die EM 2016 ist nicht neu
Neu ist die Idee mit den 24 Mannschaften übrigens nicht. Bereits zu den Weltmeisterschaften 1986 und 1990 gab es den Modus mit 24 Teams und den weiterkommenden Dritten. Damals gab es allerdings die Drei-Punkte-Regel noch nicht. Entsprechend schwer sind Vergleiche zum anstehenden Turnier. 1994 aber gab es bereits die Drei-Punkte-Regel und den entsprechenden 24er-Modus. Damals schieden Russland und Südkorea mit drei respektive zwei Punkten als schlechteste Dritte in der Vorrunde aus. Die USA und Italien kickten sich mit je einem Sieg, einem Unentschieden und einer Niederlage in die Runde der letzten 16.
Die Umstellung vor dem aktuellen Turnier bewirkt natürlich auch, dass deutlich mehr Spiele gespielt werden. Statt wie bisher 31 werden nun 51 Partien benötigt, um einen Europameister zu finden. 36 Partien davon dienen in der Vorrunde dazu, ein Drittel des Teilnehmerfeld auszusortieren. Die EM dauert nun nicht mehr drei sondern - wie eine WM - vier Wochen. Die entscheidenden Kriterien für die Wahl der besten Dritten sind in dieser Reihenfolge: Punkte, Tordifferenz, Geschossene Tore, Fair-Play-Wertung der EM, Uefa-Teamranking. Ein 3:0-Sieg zum Auftakt käme also fast schon dem Achtelfinal-Ticket gleich.
Die größte Gefahr der Umstellung ist das Missbrauchspotenzial. Bereits in der Vergangenheit gab es vereinzelt die kuriose Situation, dass zwei Teams vor dem letzten Spieltag wussten: Bei einem Unentschieden sind wir beide sicher durch. Entsprechend mickrig stellte sich der sportliche Gehalt dieser "Fußballspiele" dann oft dar. Wenn vier von sechs dritten Plätzen ebenfalls zum Weiterkommen ausreichen, führt das automatisch zu einer möglichen Häufung dieser Szenarien. Und das kann keiner sehen wollen.
Umstellung hat auch etwas Gutes
Aber etwas Positives hat die neue Regelung auch. Wir alle lieben doch die K.o.-Phase in Turnieren. Kein langweiliges, von taktischem Geplänkel geprägtes Unentschieden. Stattdessen Verlängerung und Elfmeterschießen. Bis einer weint. So macht Fußball Spaß. Das macht den Reiz von solchen Wettbewerben aus. Und genau diese K.o.-Phase ist dieses Mal acht Spiele länger als noch vor vier Jahren. Das tröstet doch über die nahezu überflüssige erste Hälfte des Turniers hinweg.
Hier finden Sie den Spielplan EM 2016.