EM 2021 im stern-Check Belgiens "Goldene Generation" droht zur "verlorenen Generation" zu werden

Thorgan Hazard winkt enttäuscht den Fans
Die belgischen Spieler, hier Thorgan Hazard, verabschieden sich enttäuscht von ihren Fans – und von der EM. Wieder einmal hat es nicht zum großen Erfolg gereicht.
© Federico Gambarini / Picture Alliance
Mal wieder müssen die hochgehandelten Belgier vorzeitig die Segel streichen. Italien brilliert, zieht aber auch den Ärger einiger Fans auf sich. Und die Schweiz hadert mit dem Schiedsrichter. Der EM-Check zu den ersten beiden Viertelfinalspielen.

So lief der EM-Spieltag

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Darüber spricht die EM

Was für eine Dramatik, was für ein Spektakel beim Spiel zwischen Belgien und Italien. Zwei Mannschaften begegneten sich auf allerhöchstem Niveau, vor allem die erste Halbzeit hielt alles, was die Paarung vor dem Anpfiff versprochen hatte. Italien setzte sich am Ende 2:1 durch – und für Belgien ist im Viertelfinale Endstation. Einmal mehr muss die "Goldene Generation" vorzeitig die Segel streichen. Seit 2014 wird Belgien vor jedem Turnier als "Geheimfavorit" gehandelt – mittlerweile nur noch so geheim wie Inhalte einer CDU-Präsidiumsdiskussion. Mit dem großen Erfolg wollte es indes nie klappen. Wenn es ernst wurde, blieb die Mannschaft mit vielen talentierten Einzelkönnern hinter den Erwartungen zurück. Auch gegen Italien fanden die "Roten Teufel" vor allem in der zweiten Hälfte kein Mittel, um in Rückstand liegend nachhaltig Druck zu erzeugen. Lukaku vergab die größte Möglichkeit wenige Meter vor dem Tor.

In der Weltrangliste liegt Belgien seit Jahren auf Platz eins – was vor allem einiges über dieses Ranking aussagt. Bei Welt- und Europameisterschaften hatte die aktuelle Fußballergeneration, der viele so vieles zutrauten, stets das Nachsehen: 2014, 2016 und eben 2021 kam das Aus im Viertelfinale, bei der WM 2018 immerhin erst im Halbfinale. Die Niederlage gegen Italien ist eine weitere Enttäuschung, vielleicht die letzte für Kevin de Bruyne und Co.: Die Abwehr mit Vermaelen, Alderweireld und Vertonghen hat die 30 schon deutlich überschritten, auch die Offensivstars de Bruyne und Eden Hazard haben in diesem Jahr den 30. Geburtstag gefeiert. So droht die "Goldene Generation" des belgischen Fußballs zur "verlorenen. Generation" zu werden – und die Durststrecke geht weiter: Kein europäisches Land hat öfter als Belgien an Turnieren teilgenommen, ohne jemals einen Titel zu gewinnen.

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Gewinner des Tages

Italien – und zwar nicht nur wegen des Siegs über Belgien. Die Squadra Azzura erspielt sich auch mehr und mehr Respekt und Sympathien. Während der berühmt-berüchtigte "Catenaccio", die destruktive Defensivtaktik, jahrzehntelang die DNA des italienischen Fußballs ausmachte, glänzt die Mannschaft von Trainer Roberto Mancini nun mit offensivfreudigen, lebensbejahenden Spielen. Zu bestaunen war das erneut in München gegen Belgien, zum Beispiel beim Distanzschuss von Lorenzo Insigne zum zwischenzeitlichen 2:0, einem der schönsten Tore dieser Europameisterschaft. Allerdings: Die Schauspieleinlagen – vor allem von Stürmer Ciro Immobile vor dem ersten Tor und von Torwart Gianluigi Donnarumma in der Nachspielzeit – dürfen sich die Italiener gerne auch noch abgewöhnen.

Verlierer des Tages

Bitterer als die Schweiz kann man wohl kaum ausscheiden. Nach dem unglaublichen Kampf gegen Weltmeister Frankreich (Sieg im Elfmeterschießen nach 1:3-Rückstand) wartete Spanien im Viertelfinale. Und es begann maximal unglücklich: Der Schweizer Kapitän Granit Xhaka fehlte gesperrt, sein Vertreter Denis Zakaria von Borussia Mönchengladbach sorgte mit einem Eigentor für den frühen 0:1-Rückstand.

Doch die Eidgenossen kämpften sich erneut zurück, glichen durch Xherdan Shaqiri aus. Dann sah Remo Freuler die Rote Karte für ein Einsteigen mit offener Sohle, aber keineswegs gestrecktem Bein – keine klare Fehlentscheidung, aber eine extrem harte Entscheidung des Schiedsrichters. Mit zehn Mann rettete sich die Schweiz ins Elfmeterschießen und unterlag dort. Viel Pech auf einmal – dennoch sollte die Freude über den größten Erfolg im Schweizer Fußball seit fast 70 Jahren überwiegen.

Der EM-Moment

Ruben Vargas schießt einen Elfmeter über das Tor
Gegen Frankreich hatte die Schweiz im Elfmeterschießen noch das bessere Ende für sich, jetzt wurden die Rollen getauscht. Ruben Vargas vergab den entscheidenden Elfmeter – und konnte seinem eigenen Schuss nur noch fassungslos hinterschauen. Der Fehlschütze war hinterher am Boden zerstört.
© Dmitri Lovetsky / AFP

Das steht heute an

Gesucht werden die Teilnehmer des zweiten Halbfinales. In Baku (18 Uhr) trifft Tschechien auf Dänemark. Die Tschechen haben überraschend die Niederlande ausgeschaltet und wollen es so machen wie 2004: Damals bezwangen sie ebenfalls im EM-Viertelfinale die Dänen mit 3:0. Dänemark schwimmt auf einer Welle und könnte sein Märchen fortschreiben. Mindestens ein Außenseiter wird es also in die Runde der letzten Vier schaffen. Im letzten Viertelfinale um 21 Uhr spielt dann die Ukraine gegen England. Den Ukrainern stecken 120 Minuten gegen Schweden in den Knochen, England hat noch kein Gegentor bei diesem Turnier kassiert – nicht nur deshalb gehen die "Three Lions" als Favorit in das Spiel. Und ein Deutscher ist auch noch dabei: Schiedsrichter Dr. Felix Brych wird die Partie in Rom pfeifen.

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