Die Münchener holen den zehnten Titel in Folge – dennoch ist ein Abgesang auf die angeblich so langweilige Bundesliga nicht gerechtfertigt. Denn die Bayern sind für die Konkurrenz wieder in Reichweite gerückt und stehen vor einem unruhigen Transfersommer.
In den vergangenen zehn Jahren hat sich in der Bundesliga ein Ritual verfestigt. Auf jede Meisterschaft des FC Bayern folgten reflexhaft vergiftete Glückwünsche: Die Münchener hätten sich zu Tode gesiegt und die Liga zerstört – solch einen Fußball wolle niemand mehr sehen, es sei ja doch alles schon zu Saisonbeginn entschieden.
Dafür das die Bundesliga schon tausend Mal totgesagt wurde, eben wegen der bösen Bayern, ist sie doch recht lebendig. Ausverkaufte Stadien und Menschenmassen in Feierlaune zeugten an diesem Wochenende wieder einmal davon.
Den Bayern ihre Übermacht vorzuwerfen, ist aus der Perspektive enttäuschter Fans aus Dortmund, Leipzig oder Leverkusen nachzuvollziehen; irgendein Ventil braucht der Frust ja. Aber sportlich gerechtfertigt sind solche Klagen nicht. Wurde Mike Tyson jemals beschimpft, weil er seine Gegner reihenweise k.o. schlug? Wurde Usain Bolt kritisiert, weil er allen anderen davonlief und acht Olympiasiege einsammelte?
Das Team braucht eine Auffrischung
Dieser zehnte Titelgewinn des FC Bayern, besiegelt am Samstagabend durch ein 3:1 gegen Borussia Dortmund, eignet sich sowieso nicht für einen Abgesang auf die Liga. Die Bayern waren zuletzt verwundbar wie selten zuvor – weit entfernt von der Form früherer Tage, als sie unter Hansi Flick sechs Meisterschalen und Pokale einsammelten; darunter den Henkelpott der Champions League.
Diese magische Saison liegt erst zwei Jahre zurück. Die Bayern des Jahres 2022 hingegen haben mit ganz irdischen Problemen zu kämpfen. Im DFB-Pokal verloren sie 0:5 gegen Mönchengladbach und schieden bereits in der zweiten Runde aus. In der Champions League war im Viertelfinale Schluss; das kleine FC Villarreal aus Spanien hatte die Münchener im eigenen Stadion niedergekämpft.
Dass die Mannschaft im Kern noch immer aus den Superbayern von 2020 besteht, erweist sich eher als Last denn als Vorteil. Das Team braucht eine Auffrischung; zudem haben einige der alten Helden offenbar keine Lust mehr auf München. Robert Lewandowski zögert mit einer Vertragsunterschrift, gut möglich, dass er zum FC Barcelona wechselt. Bei Serge Gnabry stocken die Verhandlungen ebenfalls; angeblich fordert er ein überaus hohes Gehalt – auch eine Art mitzuteilen, dass man lieber woanders kicken möchte. Und dann gibt es noch offene Planstellen in der Defensive. Innenverteidiger Niklas Süle geht nach Dortmund, auch Corentin Tolisso verlässt die Bayern.
Die Bayern schwächen systematisch ihre Gegner
Der kommende Sommer wird ein bewegter werden für den FC Bayern. Wegen der Corona-Pandemie ist die Vereinskasse nicht so prall gefüllt wie in den Jahren zuvor, was einen Neuaufbau erschwert. Noch vor einigen Monaten kokettierten die Bayern mit einer Verpflichtung von Erling Haaland (Borussia Dortmund) als Nachfolger für Robert Lewandowski. "Ein interessanter Junge" sei dieser Haaland, schwärmte Sportvorstand Hasan Salihamidzic. Oliver Kahn, Vorstandsvorsitzender des FC Bayern, hat nun einräumen müssen, dass ein Haaland-Transfer ein Volumen besäße, das "sehr, sehr weit weg von dem ist, was wir uns vorstellen". Haaland steht angeblich vor einem Wechsel zu Manchester City und soll dann zu den Spitzenverdienern der Premier League gehören.

Ob die Bayern in der nächsten Saison international konkurrenzfähig sein werden und um den Champions-League-Titel mitspielen, ist fraglich. National hingegen werden sie wieder dominieren. Dafür werden womöglich auch zwei Verpflichtungen sorgen, die den eigenen Kader stärken und zugleich den Gegner schwächen: Gerüchten zufolge sollen die Bayern an Konrad Laimer und Christopher Nkunku interessiert sein, beide Leistungsträger bei RB Leipzig.
Das wären typische Bayern-Transfers. In den 1970er und 1980er-Jahren entwendeten die Münchener den Gladbachern wichtige Spieler, später bedienten sie sich in Bremen und Dortmund, und jetzt ist eben das aufstrebende Leipzig dran. Die Sachsen mussten zuletzt ihren Trainer Julian Nagelmann, Abwehrchef Dayot Upamecano und Mittelfeldspieler Marcel Sabitzer hergeben. Kleine, fiese Transfers. Meister der Herzen wird man dadurch nicht in Deutschland. Aber das stört die Münchener schon lange nicht mehr.