Mit seinem fatalen Ausraster hat sich Italiens Superstar Francesco Totti ins Abseits gestellt und der Europameisterschaft in Portugal den ersten großen Skandal beschert. Die Europäische Fußball-Union (UEFA) sperrte den Spielmacher der "Squadra Azzurra" am Donnerstag wegen seiner Spuck-Attacke gegen Christian Poulsen beim 0:0 im Spiel gegen Dänemark für drei Partien. Damit ist die EM für den 27-jährigen Stürmer so gut wie gelaufen. Der Kapitän des AS Rom könnte frühestens im Halbfinale zurückkehren. Dies ist für den zuletzt schwachen und zerstrittenen Vize-Europameister aber in weite Ferne gerückt. "Totti ist einzigartig", hält Trainer Giovanni Trapattoni seinen "wichtigsten Spieler" für unersetzbar.
"Das bin nicht ich, das war eine anderer Francesco"
Alles Flehen und Entschuldigen half vor der sechsköpfigen UEFA- Disziplinarkommission unter Vorsitz des Spaniers Joseph Louis Vilaseca nichts. "Ich bin tief betroffen und bitte um Verzeihung", sagte der Italiener bei der fast dreistündigen Verhandlung. "Ich erkenne mich auf diesen Bilder gar nicht wieder. Das ist nicht der echte Francesco, das war ein anderer", entschuldigte sich der zur tragischen Figur gewordene Top-Star. "Ich kenne ihn als vorbildlichen Sportler, aber das ist nicht in Ordnung", sagte DFB-Teamchef Rudi Völler, der bei der WM 1990 selbst vom Niederländer Frank Rijkaard bespuckte wurde. "Totti war mein Geheimfavorit als Spieler des Turniers", verriet Völler. "Er hätte der König werden können, jetzt hat er sich selbst rausgeschossen", klagte der "Corriere della Sera".
Zitat:
"Etwas Schlimmeres als Spucken gibt es nicht im Fußball."
Volker Roth, Vorsitzender der UEFA-Schiedsrichterkommission, am Donnerstag zum Fall Totti)
Auch die noch in der Nacht aus Rom zusammen mit Verbandspräsident Franco Carraro eingeflogene Star-Anwaltin Giulia Bongiorno war machtlos. Den ehemaligen italienischen Ministerpräsidenten Giulio Andreotti hatte sie in Mafia-Prozessen erfolgreich verteidigt, Italiens Fußball-Helden konnte sie nicht vor der gerechten Strafe retten. "Wir sind ziemlich zufrieden", sagte Bongiorno. Denn die UEFA-Richter hatten mit dem Bann für drei EM-Spiele milder als zunächst erwartet geurteilt. Ein bis Freitagmittag möglicher Einspruch der Italiener erscheint unwahrscheinlich. Zu eindeutig waren die Beweisbilder des dänischen Fernsehens (DR).
Insgesamt dreimal bespuckt
Darauf ist zu sehen, wie Totti dem Schalker Poulsen in der 48. Minute ins Gesicht spuckt. "Insgesamt hat er mich drei Mal bespuckt", gab der Däne an, der sich von Totti "gedemütigt" fühlte. "Poulsen hat mich das ganze Spiel über provoziert", entschuldigte sich Totti bei der Verhandlung im Hotel "Le Meridien", das von hunderten Reportern aus Italien belagert wurde. Die Verteidiger versuchten den Fall herunter zu spielen. So schlimm könne die Unsportlichkeit nicht gewesen sein, da sich keiner der Dänen im oder nach dem Spiel darüber beschwert habe. Schiedsrichter Mejuto Gonzalez hatte ohnehin nichts gesehen.
Hoch gekocht war der unappetitliche Skandal erst zwei Tage nach dem Spiel durch die Bilder des Dänischen Fernsehens. Die Nachricht hatte sich am Mittwochnachmittag in Lissabon wie ein Lauffeuer verbreitet. Noch am Abend eröffnete die UEFA den Prozess gegen Totti. Da war die harte Strafe schon absehbar. "Etwas Schlimmeres als Spucken gibt es im Fußball nicht", erläuterte der deutsche Vorsitzende der UEFA-Schiedsrichter-Kommission Volker Roth.
Wenig Mitleid in Italien
In Italien löste Tottis Sperre einen Aufschrei des Entsetzens, aber wenig Mitleid mit dem Sünder aus. "Totti ertrinkt in seiner eigenen Spucke", spottete die Zeitung "Il Secolo XIX". In einer Blitzumfrage des "Corriere della Sera" fanden fast 90 Prozent die Sperre richtig. Tottis Club-Präsident Franco Sensi verteidigte den gestürzten Fußball-Helden. "Totti ist kein Vorstadt-Prolet", sagte der Roma-Chef. "Dies wird meine EM", hatte der 41fache Nationalspieler noch auf der Anreise nach Lissabon getönt.
Nun liegt die Erfüllung seines Traums erstmal in den Händen seiner Teamkollegen, die mit Alessandro Del Piero als neuem Spielmacher ins Halbfinale einziehen müssten. Tottis Anteil am möglichen Erfolg der "Azzurri" fällt noch bescheiden aus: Neben dem Spuck-Skandal lieferte er nur ein schwaches Auftaktspiel, Bilder mit seiner Freundin Ilary am Strand sowie Schlagzeilen über seine zu engen Schuhe.