Jim Rakete fotografiert Müller, Götze und Co. Bayern-Stars haben die Haare schön

Von Moritz Baumstieger
Ein Starfotograf und fünf Nationalspieler: Jim Rakete fotografierte die Profis des FC Bayern. "Wenn du eine schöne Frisur hast und noch gut spielst, bist du ganz weit vorne", sagt Thomas Müller.

Die Welten, die in einer Münchner Turnhalle aufeinander treffen, gehören nicht unbedingt zusammen. Auf der einen Seite: Jim Rakete, Starfotograf, Spezialgebiet: Rockmusiker. Ausgebeulte Jeans und ausgewaschenes Hemd, beides blau, die Farbe von Schalke 04 oder dem TSV 1860 München. Auf der anderen Seite: Die Starkicker des FC Bayern. Ebenfalls in Arbeitskleidung erschienen, selbstverständlich in rot.

Jim Rakete machte einst Wahlkampf für Kumpel-Kanzler Gerhard Schröder. Der beste Kumpel von Schweinsteiger und Lahm im politischen Berlin heißt Angela Merkel. Rakete trägt das weiße Haar zerzaust und struppig. Die Bayern-Stars sind gestylt, geschminkt, gegelt. Aber darum soll es heute ja auch gehen: Der FC Bayern wird in Kürze seiner langen Liste von Haupt-, Premium- und Classic-Partnern einen weiteren Namen hinzufügen, die Beauty-Care-Sparte für Herren des Herstellers Henkel wird Sponsor, heute werden die Fotos für die Werbekampagne geschossen.

Besser gesagt: Teile der Fotos. In der Halle ist eine graue Stoffwand aufgebaut. Rakete hat vorab den Spieler-Aufgang und die Kabine in der Allianz-Arena fotografiert, jetzt kommen die Spieler an die Reihe. Später wird beides am Computer zusammenmontiert. Eigentlich fotografiert Rakete am liebsten analog, mit so wenig Bearbeitung wie möglich. Die Ehrfurcht vor der Abbildung sei ihm wichtig, sagte er neulich bei einer Ausstellungseröffnung. Heute ist eher Ehrfurcht vor dem Terminkalender der Bayern-Stars wichtig: Um sich für die Motive in Ruhe draußen in der Arena ablichten zu lassen, fehlt den Triple-Siegern schlichtweg die Zeit.

Zwei Dutzend Menschen für fünf Fußballer

Deshalb nun der Termin kurz nach dem Training, in der vereinseigenen Turnhalle. Wer meint, das für ein Fotoshooting ein Fotograf, die Models und vielleicht noch ein Assistent nötig seien, irrt: Um Rakete herum wimmeln gute zwei Dutzend Menschen. Beleuchter verrücken Scheinwerfer, verlegen Kabel. Stylisten und Visagisten huschen in die Garderoben, zwischen all dem installieren Making-Of-Filmer mehrere Kameras, der Fotograf Rakete wird von einem weiteren Fotografen verfolgt, der die Arbeit des Meisters dokumentiert. Wenn sowohl vor, als auch hinter der Kamera kostbare Stars stehen, muss jede Minute verwertet werden – das Making-Of überholt hier fast das Making.

Etwas abseits ist eine kleine Couch-Landschaft aufgebaut. Auf dem Tisch liegt Fachliteratur, dahinter steht ein Flachbildfernseher mit Spielkonsole, es läuft ein Fußballspiel. Nach und nach nehmen die realen Vorlagen der Figuren auf dem Bildschirm Platz. Mario Götze schnappt sich den Kicker, Jérôme Boateng blättert in der Sport-Bild. Philipp Lahm setzt sich auf die Sofakante, die Körperhaltung noch ein wenig aufrechter als sonst, was wohl an den Wäscheklammern liegt, mit denen die Stylistin sein Hemd abgeklemmt hat. Thomas Müller fläzt sich lässig auf die Lehne.

Angenehmer als Konditionstraining

Wie nervig solche Fotoshootings seien, wenn man sich eigentlich auf den Fußball konzentrieren soll? "Wenn es nicht zu viel wird, ist das schon in Ordnung", sagt Götze, "jedenfalls angenehmer als Konditionstraining." Phillip Lahm gibt dazu eine kurze Regierungserklärung ab. Es werden "definitiv immer mehr Werbetermine", aber das gehöre inzwischen einfach dazu. "Ich kenne noch die Zeiten, in denen es ruhiger war, langsamer. Aber das waren nicht unbedingt bessere Zeiten. Das hohe Interesse an uns kommt ja nicht nur, weil sich die Medienlandschaft geändert hat, sondern auch, weil wir Erfolg haben."

Ob sich die jungen Spieler, die Wert auf ihr Äußeres legen, mit Kosmetik-Produkten identifizieren können? "Der Fußball steht an erster Stelle, nicht immer, wie man dabei aussieht", spricht Mario Götze in die Zeitschrift hinein. "Aber wenn du eine schöne Frisur hast und auch noch gut spielst, dann bist du gleich gaaaaanz weit vorne", wirft Thomas Müller ein. Wenn weltweit 360 Millionen Menschen bei einem Champions League-Finale zusehen, style man sich schon die Haare. "Das hält aber nicht lang, man schwitzt ja und macht Kopfbälle." Wer der Eitelste in der Mannschaft ist? "Der Robben nicht", sagt Müller, "der benutzt nie Haargel." Es könnte an seiner überschaubaren Mähne liegen. Anders gefragt: Wer braucht nach dem Spiel am längsten in der Kabine? "Isch", berlinert Boateng. "Aber nicht nur wegen dem Styling. Ich bin einfach `n bisschen gemütlicher."

"Wir schwitzen vor dem Spiel noch gar nicht"

Bastian Schweinsteiger kommt von der Massage. "Rakete? Heißt der wirklich so? Nee, kannte ich bisher nicht", sagt er, als man ihm den Fotografen vorstellt. Macht aber nichts, beruht fast auf Gegenseitigkeit. Rakete, der nach eigenen Angaben alle vier Jahre Fußball schaut, nennt Bastian Schweinsteiger beharrlich Sebastian, Mario Götze tauft er in Manuel um.

Erstes Motiv: Die Spieler kommen aus dem Tunnel, wildentschlossen. Die Visagistin sprüht ihnen noch etwas Wasser ins Gesicht, Thomas Müllers Einwand - "Nur nebenbei: wir schwitzen vor dem Spiel noch gar nicht" - verhallt ungehört. Rakete dirigiert, verlangt von Philipp Lahm mehr Selbstbewusstsein und von Bastian Schweinsteiger einen kriegerischeren Blick. Er mixt Deutsch und Englisch, spricht die Spieler an, als stände eine Rockband vor ihm. Die Fußballer lachen, der Fotograf mit den coolen Sprüchen gefällt ihnen. Die Kamera klickt mit Kalaschnikow-Frequenz. "Wow, schießt der schnell", staunt Lahm.

Schweinsteiger im Bademantel

Das zweite Motiv soll die Spieler in der Kabine zeigen. Schweinsteiger trägt einen Bademantel. "Rakete, willste meine Wampe sehen?", ruft er. Dann nimmt er, wie auf den gezeichneten Entwürfen der Werbemotive vorgesehen, das Deo-Spray. Und trifft – ganz unabsichtlich – Thomas Müller im Gesicht, als er auf die Düse drückt. Müller mault, Rakete lacht und gibt Regieanweisungen, etwa an Jérôme Boateng, der nach Ansicht des Fotografen die Shampoo-Flasche nicht richtig hält. Boateng schaut etwas fragend.

Später, als die Spieler auf dem Weg nach Hause sind, wird sich Rakete deutlich über den Zirkus um ihn herum äußern. Darüber, wie man sich als Künstler fühlt, wenn man vorgegebene Motive knipsen muss, die dann am Rechner zusammen montiert werden. Darüber, wie es ist, wenn während des Shootings jede seiner Gesten, Sätze und Anweisungen von unzähligen Handykameras, Making-Of-Filmern und Journalisten dokumentiert werden. Veröffentlicht will er diese Sätze aber nicht sehen, bis auf einen: Er möge solche Momente, wenn Schweinsteiger und Lahm auf einen Mann namens Rakete treffen und alle drei lachen, weil sie schon das ganze Leben mit ihrem Namen zu kämpfen haben. So weit liegen die Welten dann eben manchmal doch nicht auseinander.

PRODUKTE & TIPPS