In den Büros der Deutschen Fußball-Liga (DFL) und des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) herrschte am Samstagvormittag Hochbetrieb. Eile war geboten, denn es ging um eine schnelle Reaktion auf eine Meldung mit ungeheurer Sprengkraft für den deutschen Fußball: Der "Spiegel" hatte in einem am Vormittag auf "Spiegel Online" veröffentlichten Vorabbericht behauptet, dass es bei zwei Bundesligapartien aus dem Jahre 2005 "Auffälligkeiten" gebe - und zwar hinsichtlich eines möglichen Manipulationsverdachts. Gleichzeitig stellte das Blatt einen Zusammenhang her zu einem malaysischen Wettpaten. Konkret geht es bei den Vorwürfen um die Bundesligabegegnung von Hannover 96 gegen den 1. FC Kaiserslautern am 26. November 2005, die Kaiserslautern 5:1 gewann, und das Zweitligaspiel des Karlsruher SC gegen die Sportfreunde Siegen am 7. August 2005. Karlsruhe gewann damals 2:0. Der "Spiegel" berichtet überdies, dass der kanadische Journalist Declan Hill behaupte, das Achtelfinalspiel der WM-Endrunde 2006 in Deutschland zwischen Ghana und Brasilien stehe unter Manipulationsverdacht.
DFB beauftragt Firma mit Analyse der Spiele
Bereits am frühen Samstagnachmittag verbreiteten DFL und DFB eine gemeinsame Erklärung. Darin versprechen sie eine schnelle Aufklärung. "DFB und Ligaverband hatten bislang keine Anhaltspunkte, dass die genannten Begegnungen manipuliert worden sein sollen", heißt es. Ligaverbands-Präsident Reinhard Rauball und DFB-Chef Theo Zwanziger bekräftigten, dass beide Verbände eine umfassende Aufklärung der Angelegenheit anstreben. Die Täter würden bei nachweisbaren Verfehlungen konsequent nach allen Möglichkeiten bestraft. Bereits am Samstagvormittag sei das Unternehmen Sportradar mit einer Analyse der genannten Begegnungen beauftragt worden.
Damit haben die Verbände das Skandalpotenzial der Vorwürfe schnell erkannt. Erst vor drei Jahren hatte der Wettskandal um den Schiedsrichter Robert Hoyzer die Bundesliga schwer erschüttert. Man habe nach diesem Skandal alle nötigen Regelungen getroffen, um mögliche Manipulationen mit den "notwendigen Konsequenzen" ahnden zu können, heißt es in der Erklärung. Falls erforderlich, würden die DFB-Rechtsgremien sofort Ermittlungen einleiten. Überdies würde man auf Wunsch die Strafverfolgungsbehörden unterstützen.
"Das ist absoluter Schwachsinn"
Die von den Vorwürfen betroffenen Verantwortlichen des 1. FC Kaiserslautern äußersten sich am Samstag abwehrend, drangen jedoch ebenfalls auf Aufklärung. "Das halte ich für absoluten Schwachsinn", sagte Rene C. Jäggi, der damalige Präsident des 1. FC Kaiserslautern stern.de. Untersucht werden müsse die Sache aber trotzdem, um alle Zweifel gänzlich auszuräumen, sagte der Schweizer. Kaiserslauterns aktueller Vorstandsvorsitzender, Ex-Nationalspieler Stefan Kuntz, sagte: "Ich war damals noch nicht im Amt und kann deshalb nichts sagen. Aber die Sache wird sicher untersucht werden. Im betreffenden Spiel waren Spieler beteiligt, die heute nicht mehr für den FCK spielen. Außerdem ist der FCK in dem Jahr ja abgestiegen".
In Karlsruhe erreichte KSC-Manager Rolf Dohmen am Vormittag ein Anruf eines DFL-Vertreters, der ihn auf die bevorstehende Veröffentlichung hinwies. "Ich sage dazu gar nichts, weil die Sache - wie für jeden anderen - auch für uns neu ist. Die DFL hat mich informiert. Grundsätzlich hat einer, der von einem Heimsieg des KSC über Siegen ausgeht, Ahnung vom Fußball und alles andere ist vorerst eine schöne Schlagzeile." Vielleicht erfahre man am Montag auf der turnusmäßig anberaumten Manager-Tagung nähere Hintergründe, sagte Dohmen. Im Zusammenhang mit dem Bestechungsskandal um Schiedsrichter Robert Hoyzer hatten auch die Karlsruher Profis Edmund Kapllani und Sean Dundee verdächtige Anrufe erhalten. Die anschließenden Untersuchungen des Hoyzer-Skandals aber ergaben keinerlei weiteren Verdachtsmomente in Richtung des KSC.
Der Vorsitzende der Geschäftsführung des Erstligaklubs Werder Bremen, Jürgen L. Born, sagte stern.de, er halte die Vorwürfe für "absoluten Schwachsinn". Der Manager des Erstligaklubs VFB Stuttgart, Horst Heldt, sagte: "Das kann ich mir nicht vorstellen".
Ein Malaysier als angeblicher Wettpate
Eine zentrale Figur möglicher Schiebereien soll laut "Spiegel" ein Malaysier sein, der bereits im Juni vergangenen Jahres vom Frankfurter Landgericht wegen versuchter Manipulation von Spielen in der deutschen Regionalliga und in Österreichs erster Liga zu zwei Jahren und fünf Monaten Haft verurteilt wurde. Die vom "Spiegel" erwähnten Partien waren nicht Gegenstand des damaligen Prozesses. Der vermeintliche Wettpate soll bei asiatischen Buchmachern auf eine Niederlage des FCK in Hannover 2,8 Millionen Euro gesetzt und durch den 5:1-Sieg Hannovers rund 2,2 Millionen Euro gewonnen haben. Vor dem Match KSC - Siegen soll er annähernd vier Millionen Euro auf einen Heimsieg gewettet haben. Karlsruhe gewann 2:0. Alle Spieler, deren Namen der "Spiegel" im Zusammenhang mit den Manipulationen nennt, beteuern ihre Unschuld, heißt es in dem Bericht. Der Asiate indes soll im Ausland untergetaucht sein, nachdem er gegen Kaution freigelassen wurde. Gegen ihn soll in Deutschland seit Mitte Januar ein Haftbefehl bestehen.
Die zweite Achse der Manipulationsvorwürfe, von denen das Blatt berichtet, bezieht sich auf die Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland. Der "Spiegel" berichtet, der kanadische Journalist Declan Hill behaupte in einem Buch, das kommende Woche erscheint, dass die Achtelfinalpartie Ghana gegen Brasilien, die Ghana mit 0:3 verlor, manipuliert gewesen sei. Das Spiel soll von einem asiatischen Wettsyndikat beeinflusst worden sein. Hill soll laut "Spiegel" für sein Buch drei Jahre lang den weltweiten Verbindungen der Wettmafia nachgegangen sein. Nun behauptet der Kanadier, ein früherer ghanaischer Nationaltorwart habe als Verbindungsmann zwischen einem Wettpaten aus Bangkok und Spielern der ghanaischen Mannschaft fungiert. Diese Vorwürfe fallen in die Zuständigkeit der Internationalen Fußballorganisation Fifa. Der ghanaische und der brasilianische Fußballverband konnten bislang für Stellungnahmen noch nicht erreicht werden.