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P. Köster: Kabinenpredigt Bayern stolpert (ein bisschen) und die Liga hofft. Warum es bei der kühnen Hoffnung bleiben wird

Julian Nagelsmann und Philipp Köster
Der Schiri nervte, Gladbach nervte und Gladbachs Torhüter Yann Sommer erst recht: Bayern-Coach Julian Nagelsmann während des Bundesliga-Topspiels am Samstagabend.
© stern / Alexander Hassenstein / Getty Images
Die Bundesliga schöpft Hoffnung: Weil Mönchengladbach ein Unentschieden in München erkämpft, scheint plötzlich ein anderer Meister als der FC Bayern möglich. Schön wär's! Sagt stern-Stimme Philipp Köster.

Zehn Minuten länger hätte Borussia Mönchengladbach durchhalten müssen, dann hieße der Spitzenreiter der Bundesliga nach dem 4. Spieltag tatsächlich Union Berlin. Aber weil Leroy Sané in der 83. Minute Gladbachs Keeper Yann Sommer ein einziges Mal auf dem falschen Fuß erwischte, mogelte sich der FC Bayern mit dem so geretteten Punkt noch an den Berlinern vorbei.

Die verteidigte Tabellenführung verhinderte jedoch nicht, dass dem FC Bayern in klassischen und sozialen Medien umgehend eine erste mittelschwere Krise angedichtet wurde. Und konnten sich viele angesichts zweier Kantersiege zum Auftakt nur noch schemenhaft an einen früheren Bayern-Stürmer namens Lewandowski erinnern, war das zweite Doppelpack des Weltfußballers für Barcelona hintereinander nun der klare Beweis, dass die Bayern Gladbach mit Lewandowski zweistellig deklassiert hätten.

FC Bayern: Der Umbruch stockt

Und damit nicht genug der Verunsicherung, die der unerwartete Punktverlust bei den Bayern ausgelöst hatte. So wollte sich Bayern-Coach Julian Nagelsmann nicht am temporeichen und unterhaltsamen Spiel erfreuen, stattdessen nutzte er die Interviews nach dem Spiel für eine Generalabrechnung sowohl mit dem Schiedsrichterquartett, als auch dem Gegner, der ja nur "auf 10 mal 10 Meter verteidigt" habe und so nicht dazu beitrage, die Bundesliga attraktiver zu machen.

Abgesehen davon, dass beispielsweise der VfL Bochum davon erzählen könnte, was passiert, wenn eine Mannschaft gegen den FC Bayern nicht auf engem Raum verteidigt, verriet die zwanghafte Suche nach externen Schuldigen für den ausgebliebenen Heimsieg viel über die angespannte Stimmung beim Rekordmeister.

Die rührt vor allem daher, dass der FC Bayern sich zu dieser Saison auf dem Papier grundlegend erneuert hat, um wieder ernsthaft um die Champions League mitspielen zu können. Sportvorstand Hasan Salihamidzic wurde für seine Transfers von Ryan Gravenberch über Matthijs de Ligt bis Sadio Mané gefeiert. Nun aber sieht der FC Bayern im Herbst 2022 ziemlich genauso aus wie im Vorjahr, mit Mané stand nur ein Neuzugang in der Startelf. Der Umbruch stockt – das 1:1 gegen Gladbach machte das offensichtlich.

Für die Bundesliga bedeutet das: nichts!

Das allerdings bedeutet nicht, dass sich in der Bundesliga irgendetwas an der erdrückenden Vormachtstellung des FC Bayern ändert. Hätte Yann Sommer nicht mit sechs Armen und acht Füßen sein Tor verteidigt, hätte sich niemand in Gladbach über eine klare Niederlage beschweren können. Und genauso wird es auch in den nächsten Wochen weitergehen.

Natürlich träumt die Liga, wenn nicht von einer ernsthaften Konkurrenz, dann doch wenigstens von einer Anomalie, vom sensationellen Durchmarsch eines Außenseiters, wie er Leicester City vor ein paar Jahren in der Premier League gelang. Aber bei aller Liebe, wer sollte das hierzulande sein? Nichts gegen Union Berlin oder den SC Freiburg, deren Spiele jenseits des Titelkampfes für blendende Unterhaltung sorgen. Und nichts gegen Borussia Dortmund, das sich nach dem Desaster gegen Werder Bremen immerhin gefangen hat.

Auf 10 mal 10 Metern: Gladbacher System als Vorbild

Aber die Meisterschaft wird nicht im Frühherbst entschieden, wenn kleinere Mannschaften ausnutzen, dass die Favoriten ihre Formation noch nicht gefunden haben, sondern im Winter, wenn sich die Verletzungen häufen, die Kräfte schwinden und nicht die Qualität der Startelf, sondern des Kaders entscheidet. Spätestens dann eilt der FC Bayern davon und bekommt Anfang April plangemäß die Meisterschale überreicht.

Bis dahin allerdings wird der FC Bayern noch auf viele Mannschaften treffen, die das Gladbacher System kopieren und auf 10 mal 10 Metern um ihr Leben grätschen und rennen werden. Damit besser umzugehen als letztes Jahr und auch extrem defensive Mannschaften zu schlagen, ist jedes Wochenende aufs Neue die Herausforderung des FC Bayern. Coach Julian Nagelsmann sollte das akzeptieren und sich ansonsten nassforsche Kommentare verkneifen. Damit würde er dazu beitragen, die Liga attraktiver zu machen.

dho

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