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Selbstmord von Robert Enke Die Frage: "Warum?"

Nach dem Selbstmord von Torwart Robert Enke herrscht beim Deutschen Fußball-Bund Entsetzen. Teammanager Oliver Bierhoff reagierte verzweifelt: "So wie ich fühle, fühlen sich auch die Spieler."
Von Gregor Derichs, Bonn

Oliver Bierhoff wurde von seinen Trauergefühlen übermannt. Plötzlich versagte ihm die Stimme, während der Pressekonferenz kamen dem Teammanager der deutschen Fußball-Nationalmannschaft die Tränen. "So wie ich fühle, fühlen sich auch die Spieler", sagte der 41-Jährige mit schluchzender Stimme, bevor er sein Gesicht hinter den Händen verbarg. Wegen des Freitods von Robert Enke hatte DFB-Präsident Theo Zwanziger zuvor in Bonn die Absage des Länderspiels gegen Chile am Samstag bekannt gegeben. "Wir haben einen Freund verloren. Das ist ein Moment, wo man auch im Fußball innehalten muss", sagte Zwanziger. Am Dienstagabend, etwa anderthalb Stunden nachdem sich ihr Mannschaftskollege das Leben genommen hatte, war das Team nach der Rückkehr vom Training über das dramatische Geschehen informiert worden. "Es fällt mir schwer, die Gefühle zu beschreiben. Ich bin völlig schockiert, völlig leer. Mein ganzes Mitgefühl gilt seiner Frau und seiner Familie. Robert war nicht nur ein herausragender Spieler, sondern auch ein toller Mensch", erklärte Bundestrainer Joachim Löw. Die Spieler waren fassungslos und bestürzt.

Nationalspieler kehren zu ihren Clubs zurück

Mittwochfrüh besprach Löw mit Bierhoff, Zwanziger und DFB-Generalsekretär Wolfgang Niersbach, wie der Deutsche Fußball-Bund (DFB) auf die Selbstmord-Tragödie reagieren sollte. "Uns war allen klar, dass wir das Länderspiel gegen Chile nicht durchführen können. Wir bitten um Verständnis, diese Entscheidung ist alternativlos", sagte Zwanziger. "Wir müssen auch einmal innehalten. Niemand fühlt sich in der Lage, in dieser Situation einfach zur Tagesordnung überzugehen." Das Training des DFB-Teams wurde am Dienstag abgesagt, ab 14 Uhr verließen die Spieler das Kameha Grand Hotel , um in ihre Heimatorte zu fahren. Michael Ballack, der den gebürtigen Jenaer Enke seit seinem 13. Lebensjahr kannte, Löw mit seinem Trainerstab, Bierhoff und Zwanziger reisten nach Hannover, um am Abend an einer Gedenkfeier teilzunehmen. Erst am Sonntag wird das Team wieder zusammentreffen. Geplant ist die gemeinsame Teilnahme an der Trauerfeier für Enke in Hannover. Danach soll die Vorbereitung für das Länderspiel gegen die Elfenbeinküste, das am Mittwoch in Gelsenkirchen stattfindet, in Düsseldorf beginnen.

An anderer Stelle würdigen

"Bei uns besteht Fassungslosigkeit, Sprachlosigkeit und Hilflosigkeit", schilderte Bierhoff die Reaktion der Spieler auf den Tod von Enke, der zuletzt im September vor dem Spiel gegen Südafrika in Leverkusen zum Team gehörte. Gegen 19.45 Uhr hatte die Mannschaft von dem Drama erfahren. "Die Frage nach dem Warum begleitet uns seit dieser Nacht", sagte Zwanziger. Enke hatte seine immer wiederkehrenden Depressionen auch in der Nationalmannschaft verborgen. "Keiner, aber wirklich keiner hatte einen Anlass zu glauben, dass Robert an dieser Krankheit leidet. Im Gegenteil, wir haben ihn immer sehr gefestigt und stabil kennen gelernt", erklärte Bierhoff. "Er hatte immer ein Lächeln auf dem Gesicht, er hatte eine unglaublich positive Ausstrahlung", sagte der Teammanager. "Sein Tod ist ein immenser Verlust. Er wird uns fehlen, als erstklassiger Sportler und als außergewöhnlicher Mensch", sagte Löw.

Enke war im Teamkreis hoch angesehen. Er war außergewöhnlich zuvorkommend zu den Kollegen, Trainer und Betreuern, sein Verhalten wird als sozial vorbildlich beschrieben. Niemand, auch nicht Teampsychologe Hans-Dieter Herrmann wusste, dass er schon seit 2003 in Behandlung wegen seiner Depressionen war. Speziell im Kreis der Nationalmannschaft schien sich Enke sehr wohl zu fühlen. Zwar kam er nur acht Mal zum Einsatz, wurde aber zudem oft als Ersatztorwart wie beim Confed-Cup 1999 oder der Europameisterschaft 2008 eingeladen.

"Die Mannschaft will sich von ihm verabschieden", erklärte Bierhoff. Die Idee die Partie gegen Chile in ein "Abschiedsspiel" umzuwandeln, wurde jedoch von den Spielern und der DFB-Führung verworfen. "Wir hatten das klare Gefühl, dass es zu früh kommt", meinte Bierhoff. Ein Fußballspiel müsse auch mit Spaß bestritten werden, sagte er. "Die Mannschaft überlegt, wie man Robert Enke über das Normale hinaus an anderer Stelle würdigen kann."

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