Trauerfeier für Robert Enke Adieu für die Nummer eins

Mit einer trotz ihrer Größe stilvollen Trauerfeier verabschiedeten sich Freunde und Fans von Robert Enke. Im Stadion von Hannover gab es ergreifende, aber auch nachdenkliche Momente.
Von Gregor Derichs, Hannover

Am Ende der Trauerfeier trugen Hanno Balitsch, Jiri Stajner, Steven Cherundolo, Altin Lala und zwei Teambetreuer den Sarg zu den Klängen des Lieds "The Rose" aus dem Stadion. Rund 40.000 Menschen hatten in der AWD-Arena in Hannover dem bewegenden Abschied von Robert Enke beigewohnt. Das Stadion war voller Trauer und Tränen, das an diesem Volkstrauertag schließlich kaum jemand verlassen wollte. Die Fans von Hannover 96, die hunderte von Weggefährten, die gekommen waren, um Robert Emke Adieu zu sagen, nahmen sich Zeit. Schließlich hatte sich auch der Torwart, der am Dienstag seinem Leben ein Ende gesetzt hatte, zu Lebzeiten immer viel Zeit für Fans genommen und den Kollegen viel Aufmerksamkeit geschenkt. Nur ganz langsam löste sich eine der größten Trauerfeiern, die jemals in Deutschland stattgefunden hat, auf.

Tausende waren gekommen, einige schon kurz nach der Stadionöffnung um 8.30 Uhr, um Robert Enke die letzte Ehre zu erweisen. Aufgebahrt war der schlichte Holzsarg, geschmückt mit weißen Rosen, im Mittelkreis auf dem Mittelpunkt. Hier in dieser Spielstätte, als sie noch Niedersachsenstadion hieß, hatte Robert Enke am 11. November 1995 seine Karriere als Profifußballer begonnen, als Torwart von Carl Zeiss Jena. Hier hatte er als Kapitän von Hannover 96 zum letzten Mal am Sonntag genau vor einer Woche den Hamburger David Jarolim und Schiedsrichter Jochen Drees vor Spielbeginn begrüßt. Er gab sein Heim-Comeback nach neun Wochen Pause, er hielt vorzüglich, er rettete beim 2:2 einen Punkt, 48 Stunden später warf er sich vor einen Zug.

Die Freunde aus der Nationalmannschaft, die in Köln von seinem Freitod erfuhren, legten kurz vor Beginn der Trauerfeier einen Kranz nieder. Kapitän Michael Ballack, der Robert Enke fast 20 Jahre kannte, und Per Mertesacker, der frühere Hannoveraner Teamkamerad, brachten, gefolgt vom kompletten DFB-Team das letzte Andenken. Nachdem das Spiel am Samstag gegen Chile in Köln abgesagt worden war, begann gestern die Vorbereitung auf die Partie gegen die Elfenbeinküste in Gelsenkirchen, die auch noch von Robert Enkes Freitod geprägt sein wird. Alle werden einen Trauerflor tragen, Manuel Neuer im Tor wird nicht mit der Nummer 1, sondern mit der 12 auflaufen.

Bewegende Stunde des deutschen Fußballs


Fast alle Bundesligisten und mehrere Klubs aus dem Ausland hatten Delegationen geschickt. Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) war durch Theo Zwanziger, Franz Beckenbauer, Steffi Jones und Ligapräsident Reinhard Rauball vertreten, die Politik wurde prominent repräsentiert von Altbundeskanzler Gerhard Schröder und dem neuen Bundesinnenminister Thomas de Maizere. Dass die Trauerfeier eine bewegende Stunde des deutschen Fußballs wurde, lag auch an den Reden. Heinrich Plochg, der Pastor der Pfarrei St. Joseph, zitierte aus der Todesanzeige von Theresa Enke, die selbst ein Zitat des tschechischen Schriftstellers und Staatsmanns Vaclav Havel aufgegriffen hatte. "Hoffnung ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht, sondern die Gewissheit, dass etwas Sinn hat, egal wie es ausgeht." Diese Worte hatte Teresa Enke, die mit ihrem mutigen Schritt auf die Depression ihres Mannes hinzuweisen, die große Anteilnahme ausgelöst hatte, ihrem Robert mitgegeben. "Er war nicht nur Idol, sondern ein Ideal, ein ideales Vorbild", fügte Pfarrer Plochg hinzu.

Auch Martin Kind, der Präsident von Hannover 96, betonte die großartigen menschlichen Seiten des Verstorbenen. "Robert hatte nur Freunde, wegen seiner Natürlichkeit, seiner Bescheidenheit, seiner Herzlichkeit. Du warst die Nummer eins im echten Sinne des Wortes." Alina Schmidt, eine 17-Jährige aus einer der Partnerschulen des Vereins, sang begleitet von zwei Gitarristen das Klublied "Alte Liebe", das wegen seines Textes auch als Abschiedshymne geeignet war. Theo Zwanziger griff in seinen Worten die Tatsache auf, dass Robert Enke seine Zweifel, seine Angst und Furcht im Verborgenen gehalten hatte, aus Angst, seinen Beruf und die Anerkennung zu verlieren. "Denkt nicht nur an den Schein. Denkt auch an das, was in den Menschen ist, an Zweifel und Schwäche", sagte Zwanziger. Er rief die Zuhörer in einem Appell auf zu "einem Stück mehr Menschlichkeit, zu mehr Zivilcourage, zu mehr Verständnis. Das wird Robert Enke gerecht".

Wulff: Die Welt ist nicht im Lot


Auch Christian Wulff wählte nachdenkliche Worte. "Die Welt ist nicht im Lot, man spürt es in Momenten wie diesen", sagte der niedersächsische Ministerpräsident. "Warum mögen wir diesen Mann?", fragte er und gab selbst die Antwort: "Er hat sich niemals nur um sich gekümmert". Stephan Weil hob ebenfalls die warmherzige Art von Robert Enke hervor. "Er war nicht nur souverän in der Strafraumbeherrschung, sondern auch im Umgang mit Menschen", sagte der Oberbürgermeister von Hannover. "Wer Angst zeigt, ist nicht schwach, er ist stark. Wir können also aus dem Tod doch unsere Lehren ziehen."

Die Trauerfeier, die fast einem Staatsbegräbnis entsprach, war der Höhepunkt eines enormen Zuspruchs. Mit Lichtermeeren am Unglücksort und vor der 96-Geschäfsstelle und mit einem Trauermarsch unter der Beteiligung von mehr als 35.000 Menschen nur einen Tag nach dem Tod hatten die Hannoveraner reagiert. Am Samstag erschienen die Lokalzeitungen mit sieben Seiten, die gefüllt waren mit insgesamt 228 Todesanzeigen. 18 Kondolenzbücher waren in der Stadt gefüllt worden. Nach der überwältigenden Anteilnahme fand die Beisetzung der sterblichen Überreste des Nationaltorwarts am Sonntag Nachmittag im engsten Familien- und Freundeskreis in Empede statt, auf dem Friedhof, wo 2006 die zweijährige, an einem Herzfehler gestorbene Lara Enke begraben liegt - unweit der Stelle, wo Robert Enke seinem Leben ein Ende gesetzt hatte.

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