Dass Khalid Boulahrouz als Couchgast im Fernsehstudio des Südwestrundfunks saß und mit leicht niederländischem Akzent artig auf Deutsch parlierte, darf als kleiner Teil einer Imagekampagne gesehen werden. Wenige wussten vom Sprachtalent des niederländischen Nationalspielers, dem der Ruf anhaftet, ein "Flegel" zu sein. Beim Hamburger SV hatte sich der Verteidiger vor einem wichtigen Champions-League-Qualifikationsspiel in einem dreisten Possenspiel als "verletzt" gemeldet, um nicht durch einen internationalen Einsatz seinen angestrebten Wechsel zum FC Chelsea zu gefährden. Nun gehört Boulahrouz, dem man zudem den unsinnigen Namen "Kannibale" wegen seiner harten Spielweise verpasste, dem VfB Stuttgart an und damit dem Verein, der sich schon vor der Saison als Verein für Problemfälle bezeichnen lassen muss. Dagegen versucht man sich nun so gut es geht zu wehren.
Dass eine Image-Kampagne zur Aufbesserung des Rufes dringend angeraten sein könnte, lag nicht nur an der rumpelnden Leistung der Schwaben beim 3:0 gegen den russischen Klub Saturn Ramenskoje vor 12500 Zuschauern, mit dem die Stuttgarter weiter Chancen auf den Uefa-Cup haben. Zur Zeit stehen nicht die von manchem als potentielle Problemfälle betrachteten Einkäufe Khalid Boulahrouz oder Jan Simak im Fokus. Es ist ein alter "Bekannter", der dafür sorgt, dass sich die Freude über den dringend benötigten Pflichtsieg arg in Grenzen hielt.
Lehmann sucht man vergeblich am Neckar
Jens Lehmann sucht man in diesen Tagen vergeblich am Neckar. Der Noch-Nationalkeeper weilt am Starnberger See bei seiner Familie. Der 38-jährige reiste direkt aus dem Trainingslager in Österreich zum neuen Familiendomizil nach Bayern. "Er wird am Mittwoch kommen", sagte VfB-Manager Horst Heldt und offenbarte trotz des Sieges (ohne Lehmann) den Zustand leichter Gereiztheit. Am Mittwoch spielen die Schwaben gegen Lehmanns Ex-Klub Arsenal und weihen den neuen Stadionnamen "Mercedes Benz Arena" ein. "Komischerweise fragt keiner aus der Mannschaft nach Lehmann, nur Sie", stichelte Heldt in Richtung der Reporter. "Für die Mannschaft ist das überhaupt kein Problem. Es gibt bei einem Wechsel auch organisatorische Dinge zu erledigen".
Dass über die "Privilegien" des zwischen Wohnort und Arbeitsplatz pendelnden Torwarts ebenso ausschweifend berichtet wird wie über die mitunter problematische Vergangenheit von Simak (Burnoutsyndrom), Boulahrouz und des ungeliebten Rückkehrers Daniel Ljuboja, sorgt für viel Zündstoff. Weil nun der Meister des Jahres 2007 vorab als "Problem-Team" betrachtet wird, ärgert sich vor allem Manager Horst Heldt.
Als Ljuboja nach dem Spiel gegen Ramenskoje von den eigenen Fans heftig beschimpft wurde und die "erfolgreiche Mannschaft" die Feierlichkeiten vor dem Fanblock aus stillem Protest einstellte, platzte Heldt der Kragen. "Ich habe mich ans alte Rom erinnert gefühlt, Daumen hoch oder runter. Ich kann diese Reaktion keinesfalls billigen noch verstehen", kritisierte Heldt die feindselige Haltung des VfB-Anhangs. Ljuboja hatte nach der Vertragsverlängerung vor zwei Jahren den VfB quasi "erpresst" und eine Verdoppelung seiner Bezüge gefordert. Ljuboja werde nie wieder für den VfB spielen, hieß es damals. Man lieh den Serben nach Hamburg und Wolfsburg aus. Nun haben die Schwaben durch den verspäteten Euro-Rückkehrer Gomez und den angeschlagenen Cacau just zur UI-Cup-Zeit ein gewisses Stürmerproblem. Ljuboja sollte wieder integriert werden. Der Weg dahin wird nun weiter als gedacht.
Das Gebilde VfB ist zerbrechlich
Nicht nur der Fall Ljuboja zeigt, wie zerbrechlich der neue VfB ist und wie ungewiss das Abschneiden in der neuen Saison. Starstürmer Mario Gomez wollte unbedingt zum FC Bayern, der Verein ließ ihn nicht ziehen. Auch nach dem vorläufigen Ende des Gerangels fehlt ein klares Bekenntnis von Gomez. Als sich nun Cacau verletzte und Gomez sich nach der EM im Aufbautraining befindet, musste der Rumäne Ciprian Marica in die Bresche springen, der zweimal traf und schließlich sorgte auch das Freistoßtor von Simak für Erleichterung.
Trotzdem steht der VfB nach dem Umbau vor einer ungewissen Zukunft: Spielmacher Yildiray Bastürk wurde zum Bankkandidaten degradiert und Thomas Hitzlsperger ersetzt den zu Galatasaray Istanbul abgewanderten Fernando Meira als Kapitän. Die Verantwortlichen sind dennoch zuversichtlich. "Die Vorbereitung lief diesmal viel besser als letzte Saison, als wir viele Verletzte hatten", sagte Trainer Armin Veh. Dafür gibt es nun andere Problemfelder. Die entstandene Unruhe halten Veh und Heldt für ausgemachten Unsinn. "Ich sage Ihnen jetzt mal als so genannter Fachmann etwas: Wir können noch gar nicht in Form sein, wir trainieren doch nicht für den UI-Cup, sondern für die Bundesliga. Dieser UI-Cup kommt eigentlich zur Unzeit", sagte Veh.