Wenn man Michael Ballacks Formulierungen auf der letzten Pressekonferenz vor dem WM-Halbfinale gegen Italien aufmerksam verfolgt, könnte man vermuten, der Kapitän der deutschen Nationalelf habe zu lange in der Berliner Sonne gesessen. "Die Chancen, gegen die Italiener zu bestehen, stehen schlecht, schlechter als gegen Argentinien", sagt er und lächelt dabei wie ein Schmunzelmonster. Die Begründung seiner gewagten These liefert der glänzend aufgelegte Ballack gleich hinterher: "Die Italiener sind seit ewigen Zeiten ungeschlagen, haben uns sowohl auf Länder- als auch auf Clubebene zuletzt klar beherrscht."
Der Kopf der deutschen Nationalmannschaft hat Recht. Wer von uns erinnert sich nicht an die peinliche 1:4-Schlappe gegen die "Squadra Azzurra" vom 1. März dieses Jahres? Verprügelt wurden die Klinsmänner, regelrecht vorgeführt. So schlimm, dass im Anschluss das ganze WM Projekt des nassforschen und nach Reformen versessenen Bundestrainers in Frage gestellt wurde. Sogar die Politik versuchte, sich einzumischen. Mit demselben Ergebnis von Florenz verabschiedeten sich übrigens auch die Bayern aus der Champions League. Gegen wen? Gegen den AC Milan. Auch für Werder war in der Königsklasse nach dem dramatischen Fehlgriff Tim Wieses im Spiel beim italienischen Rekordmeister Juventus Turin Schluss. Italien gegen Deutschland 3:0, capisce?
"Könnten Frings' Fehlen kompensieren"
"Alle Vorzeichen sprechen für die Italiener, das ist wunderbar", Ballack kann es nicht lassen. Sein Trainer, der jetzt ebenfalls auf dem Podium Platz genommen hat, krümmt sich vor Lachen. Herzlich willkommen bei der "Wir-strotzen-nur-so-vor-Selbstbewusstsein-Show" des DFB. Nein, eine mögliche Niederlage gegen die verdammt gefährlichen Italiener, die im Laufe des bisherigen Turniers lediglich einen Gegentreffer (ein Eigentor) kassieren mussten, will 24 Stunden vor dem Klassiker niemand ins Kalkül ziehen.
Selbst das Theater um Torsten Frings bringt das unerschütterliche Vertrauen in die eigene Stärke nicht ins Wanken: "Wir denken überhaupt nicht daran, dass Torsten gesperrt werden könnte. Wenn doch, dann ist unser Kader immer noch so stark und ausgeglichen, dass wir sein Fehlen ohne Probleme kompensieren könnten", erklärt der Kapitän und spielt damit auf die Nummer 12, 13, oder auch 14 im Kader an. "Tim Borowski, David Odonkor und Oliver Neuville haben doch längst bewiesen, dass sie, wenn sei reinkommen, ihre Rollen sofort ausfüllen und etwas bewegen."
"Wohnzimmer" Westfalenstadion
Der Bundestrainer geht sogar noch einen Schritt weiter: "Torsten hat Riquelme auf beeindruckende Art und Weise ausgeschaltet, am Dienstag ist Totti dran, so er denn von Lippi auch aufgestellt wird." Scheinbar unbeirrbar und mit dem großen Ziel vor Augen, ins WM-Finale einzuziehen, erinnert Klinsmann noch ein zweites Mal an das Spiel gegen die Südamerikaner: "Die Argentinier haben im Laufe der Partie, in der wir kaum Chancen zugelassen haben, ihre Formation unserer angepasst. Das zeigt, wie groß der Respekt mittlerweile ist." Die Tatsache, dass im Kräftemessen mit den "Gauchos" etwas defensiver gespielt wurde, als noch in den WM-Spielen zuvor, bestreitet der Coach nicht. Gegen Italien, vermuten die Experten, könnte das ganz ähnlich aussehen. Trotz der Ankündigung Klinsmanns, der eigenen Spielphilosophie treu bleiben zu wollen.
Aber ob nun mit kontrollierter Offensive oder im Harakiri-Stil, sowohl Ballack als auch Klinsmann sind sich darin einig, dass gegen Italien gewonnen wird. Weitere Kostproben gefällig? Bitteschön! "Wir wollen und werden die nächste Hürde nehmen. Wir lassen uns nicht stoppen", so der Bundestrainer. "Das Team ist heiß und will ins Finale", so der Kapitän. Immer wieder wird neben dem unerschütterlichen Selbstbewusstsein auch der Ort des Halbfinal-Klassikers als weiterer Erfolgsgarant für einen möglichen Einzug ins WM-Finale genannt. Im Dortmunder (nennen wir es der schönen Gewohnheit halber ruhig noch mal) Westfalenstadion spielt die Nationalelf am liebsten. In 14 Partien ging sie dort 13 Mal als Sieger vom Platz. Das macht zusätzlich Mut vor dem Duell mit den Italienern, gegen die eine deutsche Mannschaft bei einer WM man höre und staune noch nie gewinnen konnte.
Was war am 4. Juli?
Und was hat es mit dem Datum des Halbfinal-Spiels gegen Italien auf sich? Am 4. Juli, dem amerikanischen Unabhägigkeitstag, hisse Klinsmann normalerweise daheim in Huntington Beach die deutsche Flagge. "Daraus wird ja nun nichts, weil die Familie in Deutschland weilt", sagt er. Das müsse aber kein schlechtes Omen sein, weil am diesjährigen 4. Juli in aller Welt schon noch genug schwarz-rot-goldene Banner aufgehängt werden würden, ist sich Klinsmann sicher. Wir sollten dem Bundestrainer nicht übel nehmen, dass er den 4. Juli eher mit dem "Independence Day" in Amerika, als mit dem "Wunder von Bern" oder wenigstens mit dem Halbfinale-Einzug nach Elfmeterschießen gegen England bei der WM 1990 in Verbindung bringt. Auch diese beiden, aus deutscher Sicht nicht gerade unwichtigen, Fußball-Ereignisse fanden an einem 4. Juli statt. Hat er vielleicht einfach nur vergessen, sonst hätte er es erwähnt, der Bundestrainer - jede Wette!