Man wartet immer noch auf die alten Schlagzeilen, aber sie kommen einfach nicht. Deutsche Panzer überrollen Portugal. Deutscher Blitzkrieg in Salvador. Lahm wie ein General. Ein Kolumnist der Tageszeitung Globo schreibt es so: "Es ist üblich, den einschüchternden deutschen Fußball mit Hitlers Blitzkrieg zu vergleichen, aber ich bevorzuge einen weniger kriegerischen Vergleich, nämlich den mit den klaren Linien des Bauhaus-Stils."
Es ändert sich etwas, nicht erst seit dieser WM. Der Respekt vor dem deutschen Team ist enorm, vor allem unter Brasilianern. Aber es geht nicht mehr um klassische deutsche Tugenden, um Kampf und Ordnung, ums Niederringen. Die Zeitungen schreiben von dem brasilianischen Talent Götzes und dem eleganten Stil Mesut Özils. Die Menschen auf den Straßen bewundern den attraktiven Fußball der Deutschen - und vor allem das Trikot.
Die großen Deutschen imitieren unseren CR Flamengo
Wo immer man derzeit unterwegs ist, in Bars, in Taxis, auf dem Fan-Fest, heißt es: Die Deutschen tragen das rubro-negra, das feuerrot-schwarz-gestreifte Trikot Flamengos. Der Club in Rio de Janeiro ist der beliebteste im Land. In Deutschland mag man das Trikot hässlich finden, aber hier in Brasilien erfreuen sich alle an der Symbolik: Die großen Deutschen imitieren unseren CR Flamengo. Es war der beste Schachzug des DFB. Leicht zu durchschauen, aber er funktioniert tatsächlich. Die beste Eintrittskarte in die brasilianische Gesellschaft ist derzeit ein schwarz-rotes Trikot von Bastian Schweinsteiger.
Der nächste gute Schachzug waren die Fotos mit den Indianern. Die Bilder liefen überall in Brasilien. Schweinsteiger lacht mit Pataxo-Indianern. Neuer wagt ein Tänzchen am Strand. Podolski macht ständig Scherze. Müller ist immer für einen Witz gut. Das Image dieses Teams hier in Brasilien hat nichts mit der Ernsthaftigkeit und Humorlosigkeit vergangener Zeiten zu tun, es fallen keine Vergleiche mit Philosophen oder Kriegsgenerälen, die Zeitungen bedienen sich nicht der üblichen nationalkitschigen Terminologie.
Und dann Müller. Thomas Müller ist derzeit überall. Müller, so rechnen die Reporter hier gern, hat in zwei Weltmeisterschaften mehr Tore geschossen als Maradona in vier. Müller, so kommentieren Reporter, befindet sich auf einer Höhe mit Neymar und Messi. "Kann er der beste werden?", titelt die Sportzeitung Lance.
"Ich habe Angst vor diesen Deutschen"
Spricht man mit Brasilianern über diese WM, und es gibt momentan nur dieses eine Thema, dann fürchten sie sich am meisten vor einem Aufeinandertreffen mit Deutschland. Argentinien? Schwache Abwehr. Uruguay? Halb so stark ohne Suarez. Aber die Deutschen - effizient, schnell, technisch stark. "Ich habe Angst vor diesen Deutschen", schreibt eine Kolumnistin in "Lance".
Das Gute an den Deutschen ist, so kontert jener Kolumnist von Globo, der im deutschen Fußball etwas vom Bauhaus-Stil entdeckt hat, "das Gute an ihnen ist, dass sie irgendwann immer unter ihren eigenen Stärken zusammenbrechen."