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Deutscher Rekordmeister Von der "perfekten Lösung" zum Rauswurf: Wie die Bayern-Bosse Oliver Kahn fallen ließen

Oliver Kahn
Oliver Kahn sah lange aus wie der perfekte CEO des FC Bayern – bis die Bosse ihn fallen ließen
© ActionPictures / Imago Images
Oliver Kahn sollte beim FC Bayern eine Ära prägen. Nun ist diese Ära nach nicht einmal zwei Jahren vorbei. Kahns Entlassung kam für viele überraschend, für die Vereinsinternen aber offenbar nicht. Chronik eines schleichenden Vertrauensentzugs.

Es soll Vereine geben, die würden ihrer Vorstandsetage ein Denkmal bauen, wenn sie Deutscher Meister werden. Beim FC Bayern aber ticken die Uhren etwas anders. 22 Minuten nachdem am vergangenen Samstag klar war, dass die Meisterschale auch in diesem Jahr und somit zum elften Mal in Folge nach München geht, wurde öffentlich, dass neben dem Sportvorstand Hasan Salihamidžić auch Vorstandsboss Oliver Kahn gehen muss.

Kahns Scheitern ist die Geschichte einer schleichenden Demontage, bei der man im Rückblick Zweifel bekommen kann, ob die Vereinsbosse überhaupt einmal Vertrauen in ihn gehabt haben. 

Oliver Kahn beim FC Bayern entlassen – von der "perfekten Lösung" zur "katastrophal schlechten Stimmung"

Viel Aufruhr gab es nicht im Jahr 2019, als bekannt wurde, dass Oliver Kahn neuer Vorstandsvorsitzender des FC Bayern werde. Es wirkte alles logisch, nachvollziehbar: Kahn sollte zwei Jahre lang an der Seite seines Vorgängers Rummennigge mitlaufen, Netzwerke knüpften, eingearbeitet werden. Während ihn manch einer als "Karl-Heinz' Praktikanten" verspottete, erklärte Vereins-Patriarch Uli Hoeneß: "Wir sind überzeugt, dass wir in Oliver Kahn perspektivisch die perfekte Lösung für das Amt des Vorstandsvorsitzenden der FC Bayern München AG gefunden haben." 

Zusammen mit Salihamidžić und dem neuen Aufsichtsratsvorsitzenden Herbert Hainer sollte Kahn die neue starke Führung des Vereins sein. Rummenigge betonte noch 2020, der "Titan" verfüge über "großes Know-How" und auch Salihamidžić habe eine "sehr gute Entwicklung genommen." 

Als Rummenigge seine Aufgaben 2021 endgültig an Kahn übergab und das neue Führungstrio in ihre erste "eigene" Saison startete, schäumte auch Hainer vor Lob und Vorfreude. Zusammen mit dem neuen Trainer Julian Nagelsmann beginne ein "neuer Abschnitt". Und auch für Kahn fand der Aufsichtsratsvorsitzende im Juni 2021 praktisch nur warme Worte: "Oliver Kahn ist der Richtige, um die Nachfolge von Karl-Heinz anzutreten. Er hat das absolute FC Bayern-Gen in sich, hat den Verein als Spieler geprägt, sich nach seiner Karriere als Persönlichkeit entwickelt", erklärte er auf der vereinseigenen Website. 

Viel Lob für Oliver Kahn – bis zu den ersten Rückschlägen

Viel sprach dafür, dass der FC Bayern es tatsächlich schafft, die Abgänge von Hoeneß und Rummenigge zu kompensieren. Letzterer betonte ein halbes Jahr später erneut, die Entscheidung von Kahn und Salihamidžić, Julian Nagelsmann zu holen, sei "goldrichtig" gewesen. Die Bayern standen in der Liga gut da, hatten sogar mit 56 Toren in 17 Spielen einen neuen Bundesliga-Hinrunden-Rekord aufgestellt.

Doch das Bild der heilen Welt an der Säbener Straße bekam erste Risse. Immer wieder spielten die Bayern unter ihren Möglichkeiten, zeigten unerklärliche Leistungsschwankungen. "Nicht Bayern-like" wurde zum geflügelten Wort. Der erste Tiefschlag für Kahn und sein Team war das überraschende Aus im DFB-Pokal gegen Borussia Mönchengladbach. Die Fohlen schickten vollkommen desolate Münchner im Oktober 2021 mit 5:0 nach Hause. Knapp ein halbes Jahr später dann die Niederlage, die die Bayern noch mehr schmerzte: Gegen Villareal verpasste man das sicher geglaubte Champions League-Halbfinale. 

Viel mehr noch als die schlechten sportlichen Leistungen missfiel den Führungsgremien aber offenbar die Außendarstellung von Kahn und Salihamidžić. Die "Abteilung Attacke", früher Spezialität von Hoeneß, wenn es einmal nicht lief, fiel aus. Kahn hielt sich häufig zurück. Auch interne Querelen wie die Impfdiskussion um Joshua Kimmich moderierte Kahn eher durch Aussitzen als durch klare Ansagen. 

Mit der Entlassung von Nagelsmann verlor Kahn seinen Schutzschild

Am Ende seiner ersten Saison als Vorstandsvorsitzender stand für ihn "nur" die Deutsche Meisterschaft. Der FCB verstärkte sich. Feierte mit Sadio Mané einen "Königstransfer". Doch die schwankenden Leistungen blieben. In der Champions League-Gruppenphase gewannen die Bayern jedes ihrer Spiele. In der Bundesliga kam es immer wieder zu Totalausfällen. Kahn nahm immer wieder die Mannschaft in die Pflicht und schob die Verantwortung auf seinen Trainer weiter. Die Spieler müssten zeigen, dass sie Bayern München sind, sonst würden die Leistungen irgendwann auf Nagelsmann zurückfallen. 

Spätestens mit der Entlassung von Nagelsmann verlor Kahn seinen Schutzschild, der die Kritik von seiner Person fern hielt. Doch auch bei dieser Entscheidung bekam er Rückendeckung, unter anderem von Hoeneß. Der suchte die Schuld für die sportliche Misere, die zu diesem Zeitpunkt noch keine war, beim Trainer. Nagelsmann hätte nach der Niederlage gegen Bayer Leverkusen nicht in den Ski-Urlaub fahren dürfen, so seine Erklärung.  

Stattdessen sickerte die Nachricht über die Trainerentlassung durch, noch bevor der 35-Jährige selbst davon erfahren hatte. Und auch diese Posse moderierte Hoeneß ab. Tuchel sei für ihn die "Ideallösung". Von Kritik an Kahn oder Salihamidžić keine Spur. 

Erst als die Mannschaft unter Tuchel nicht nur den DFB-Pokal und die Champions League, sondern auch die zwischenzeitliche Tabellenführung verspielte, wurde es ungemütlich für Kahn. Hoeneß schlug selbst am Trainingsgelände auf, führte ein längeres Gespräch mit Tuchel und heizte damit die Diskussionen an, ob er selbst wieder mehr Verantwortung übernehmen wolle. 

Hoeneß: Kahn als Vorstandsboss war ein Fehler

Zwar zog der FC Bayern in einem der spannendsten Bundesliga-Finals in letzter Minute doch noch am BVB vorbei, für Kahn und Salihamidžić war ihre Amtszeit aber vorbei. Die Trennung begann in den vergangenen Tagen immer mehr zur Schlammschlacht zu werden. Hoeneß erklärte gegenüber dem "Kicker", Oliver Kahn als Vorstandsboss zu installieren sei ein Fehler gewesen. Das Trennungsgespräch sei "kein angenehmes" gewesen, man sei nicht "einvernehmlich" auseinander gegangen. 

Intern hätten Kahns Berater, mit denen er sich umgab, für eine "katastrophal schlechte Stimmung" gesorgt, so Hoeneß weiter. Das familiäre Flair, das der Vereins-Patron immer wieder beschworen hatte, war offenbar verloren gegangen. Eine solche Kritik ist aus dem Aufsichtsrat, in dem Hoeneß sitzt, erst jetzt, nach der Trennung von Kahn, zu hören. "Wir hätten auch bei drei Titeln so gehandelt, die Entscheidung musste so getroffen werden." Von Rückendeckung keine Spur mehr. 

Trainer Tuchel äußerte sich zu den Entlassungen diplomatisch. Er hoffe, dass bald "Ruhe einkehren" würde. Möglicherweise wird Uli Hoeneß derjenige sein, der dafür sorgt. 

Quellen:FC Bayern München, Sportbuzzer, Sky Sport, ZDF

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