Biathletin Magdalena Neuner Total entspannt zum Olympia-Sieg

Silber, Gold und noch viele weitere Medaillenchancen: Magdalena Neuner kann der Star von Vancouver werden. Vor allem weil die Biathletin so ungemein entspannt siegt.

Sie könnte der Star der Olympischen Spiele werden. Nicht nur weil sie schneller läuft und besser schießt als all die anderen. Magdalena Neuner, 23, könnte das Star von Vancouver werden, weil sie so entspannt siegt, so wenig verbissen und doch so entschlossen. Am Dienstagabend gewann Neuner ihre zweite olympische Medaille: Gold im Biathlon in der Verfolgung über zehn Kilometer. Am Samstag hatte sie bereits Silber geholt im 7,5-Kilometer-Sprint.

"Ich hatte einen großen Traum", sagte Neuner nach dem Rennen. "Und er ist wahr geworden, ich bin wirklich Olympia-Siegerin. Alles, was jetzt noch kommt, ist Zugabe." Die Zugabe könnte üppig ausfallen, denn Neuner wird bei allen Biathlon-Wettbewerben starten. Darauf verständigte sie sich noch am Dienstag mit Bundestrainer Uwe Müßiggang. Am Donnerstag wird Neuner über 15 Kilometer antreten, am Sonntag beim Massenstart und am nächsten Dienstag in der Staffel. Genügend Chancen also, um noch einige Triumphe folgen zu lassen. Zudem überlegt Neuner, auch für den Langlauf zu melden. Sie ist zwar gelernte Biathletin, läuft aber so stark, dass sie es durchaus mit den Spezialistinnen in der Loipe aufnehmen kann.

Demonstration der Übermacht

Ihre überragende Kondition rette Neuner am Dienstag auch den Olympia-Sieg. Mit 12,3 Sekunden Vorsprung vor Anastazia Kuzmina kam sie ins Ziel - ein komfortabler, ein sicherer Vorsprung eigentlich. Doch nach dem letzten Schießen war ihr die Slowakin bedrohlich nahe gekommen, auf 6,2 Sekunden. Neuner hatte ihren allerletzten Schuss daneben gesetzt. "Ich war etwas nervös", sagte sie, "ich wusste: Treffe ich, bin ich Olympia-Siegerin. Treffe ich nicht, wird es noch mal eng."

Es ging ihr so einiges durch den Kopf vor dem entscheidenden Schuss, zu viel. "Man glaubt gar nicht, wieviel man in ganz kurzer Zeit denken kann", sagte Neuner nach dem Rennen. "Ich muss da noch besser werden, das muss alles raus aus dem Kopf. Ich bin mental schon sehr weit, aber noch lange nicht am Ende. Das perfekte Rennen ist, wenn du alles vergisst und am Ende gewinnst."

Die letzten Kilometer bis ins Ziel waren dann eine Demonstration der Stärke, ja der Übermacht. Neuner hatte zurückgefunden zu ihrer Leichtigkeit. Sie spurtete ins Ziel, sie wurde schneller und schneller, sogar ein Lächeln huschte ihr übers Gesicht. Anastazia Kuzmina dagegen wurden die Beine schwer, sie schnappte nach Luft, sie senkte den Blick, sie hatte dieses Duell verloren.

"Aus diesem Holz sind die ganz großen Athleten geschnitzt"

Ob Magdalena Neuner tatsächlich zum Superstar der Winterspiele 2010 wird, zeigt sich in den nächsten Tagen. Der Star der deutschen Olympia-Mannschaft ist sie jetzt schon. "Sie ist eine Ausnahmeerscheinung", sagt Alfons Hörmann, der Präsident des Deutschen Skiverbandes (DSV). "Magdalena ist schon sehr erwachsen, sie macht der ganzen jungen Generation Mut. Sie ist ein Vorbild." Der Generationswechsel im DSV hat längst stattgefunden, auch wenn Neuner sagt, sie lege keinen Wert darauf "die neue Leitwölfin" zu sein. Athletinnen wie Kati Wilhelm oder Andrea Henkel, die über Jahre zu den besten Biathletinnen der Welt gehörten und bei den Winterspielen 2006 in Turin dominierten, haben offensichtlich ihren Zenit überschritten. Henkel wurde am Dienstag Zehnte, Wilhelm musste sich mit Platz zwölf begnügen.

Im Licht steht jetzt allein Magdalena Neuner, 23 Jahre alt, Olympia-Siegerin und sechsfache Weltmeisterin. Thomas Bach, Vizepräsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), schwärmte: "Aus diesem Holz sind die ganz großen Athleten geschnitzt: Sie halten den größten Druck aus und gewinnen die wichtigen Rennen."

Es ist nun die große Frage, wie Neuner mit dem frühen Ruhm und all dem Schulterklopfen umgehen wird. Ob sie "bei sich bleiben kann", wie sie das nennt, oder ob sie ins Nachdenken kommt darüber, was der Erfolg bedeutet, was sie verlieren kann, was es bedeutet, eine Favoritin, eine Gejagte zu sein. Seit Dienstagmittag, Ortszeit Whistler, ist die Welt der Magdalena Neuner eine andere. Neuner ist Olympia-Siegerin.

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