Bei der Neubesetzung des Leistungssportdirektor-Postens hat der Deutsche Schwimm-Verband eine überraschende Kehrtwende vorgenommen. Einen Tag nach der Bekanntgabe des ehemaligen Wasserball-Nationalspielers Dirk Klingenberg als Interimsmanager in diesem Amt verkündete der Verband einen "Kurswechsel". Hintergrund sei "ein frivoler Bericht aus der Vergangenheit Klingenbergs". Das sei, obwohl kein juristisches Fehlverhalten vorliege, mit "den hohen moralischen Ansprüchen des Spitzenverbandes nicht vereinbar", hieß es in der Mitteilung.
Der "frivole Bericht" bezieht sich auf ein Foto, das die Berliner Boulevardzeitung "B.Z." 2014 veröffentlichte hatte. Dort zu sehen sind Klingenberg und andere Ex-Wasserballer, die mit drei barbusigen Frauen vor einem Pool posieren. Auf den Bademänteln, die die Männer trugen, prangte das Logo der Berliner Großbordells Artemis. Klingenberg wurde damals in der Zeitung mit dem Satz zitiert: "Erst gewinnen wir den Oldie-Titel, danach feiern wir unseren Sieg im Artemis-Pool." "Das war ein Werbefoto, um die Mannschaftskasse aufzubessern" – eines, auf das er sich heute "so nicht mehr einlassen würde", sagte Klingenberg der "Süddeutschen Zeitung". Später veröffentlichte eine ungarische Zeitung weitere Bilder, die bei der Fotosession entstanden waren, unter anderem mit einer Szene im Whirlpool.
"Wir haben uns gemeinsam mit Herrn Klingenberg offen zu den entstandenen Diskussionen ausgetauscht und sind auch gemeinsam zu dem Schluss gekommen, dass er im Sinne des Verbandes den Posten des Sportdirektors nicht antreten wird", sagte DSV-Präsident Marco Troll wenige Tage vor dem Start der finalen Olympia-Qualifikation der Beckenschwimmer. Der DSV selbst nannte weder Details zum Bericht noch äußerte er sich dazu, dass der Auslöser für die personelle Kehrtwende ein Protestschreiben von Schwimmerinnen und DSV-Mitarbeiterinnen sein soll, wie die "Süddeutsche Zeitung" berichtet.
Klingenberg zeigt sich enttäuscht
Klingenberg zeigte sich enttäuscht. "Ich bedauere es nun sehr, dass der DSV nur 24 Stunden nach meiner Besetzung diesen Vorgang wieder rückgängig gemacht hat", sagte er. "Ich muss die Entscheidung so zur Kenntnis nehmen, möchte aber ausdrücklich darauf hinweisen, dass ich mich in keinster Weise zu keinem Zeitpunkt in meiner langjährigen Karriere als Sportler, Manager oder Berater einem Vergehen juristisch schuldig gemacht habe, dass solch ein Handeln durch den DSV legitimieren würde."
Bei der Verkündung von Klingenberg hatte der Verband das seit Wochen offene Geheimnis der Freistellung des vorherigen Leistungssportdirektors Thomas Kurschilgen erstmals bestätigt. Wie der Posten nun besetzt werden soll, ist offen.
Klingenberg war auf die Empfehlung einer Unternehmensberatung ausgewählt worden. Diese soll den Verband auch in einer als "Zukunftsprozess DSV 2026" bezeichneten strategischen Neuausrichtung beratend unterstützen. "Um die geplanten Prozesse möglichst wirkungsvoll und reibungslos in Gang zu setzen, sollte jeder Schuss sitzen. Deswegen wollen wir uns noch einmal etwas Zeit nehmen und Alternativen zum ersten Personalvorschlag prüfen, um auch für diese Übergangslösung eine bestmögliche Aufstellung zu gewährleisten", sagte Michael Rosenbaum, Geschäftsführer der Unternehmensberatung.
Die Affäre um Stefan Lurz hat DSV erschüttert
Nachdem die Neubesetzung der Kurschilgen-Nachfolge in diesem Fall nicht glückte, ist der Druck auf den Verband gewachsen. Und das in ohnehin turbulenten Zeiten. Für den DSV setzt sich damit eine Pleiten- und Skandalserie fort. Denn Kurschilgen soll zurückgetreten sein, weil er Hinweisen einer Schwimmerin auf sexuellen Missbrauch durch den ebenfalls inzwischen zurückgetretenen Freiwasser-Bundestrainer Stefan Lurz nicht nachgegangen sein soll.
Die Missbrauchsvorwürfe gegen Lurz haben den Verband erschüttert. Die Staatsanwaltschaft Würzburg ermittelt wegen des Vorwurfs des sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen. Lurz bestreitet die Vorwürfe.
Vom Wochenende an soll dann der Sport im Fokus stehen. Bis zum 18. April geht es in mehreren Wettkämpfen um die letzten Olympia-Tickets. Acht deutsche Schwimmer mit Wellbrock an der Spitze haben sich bereits für den großen Höhepunkt qualifiziert.