Die Herren waren um demonstrative Freundlichkeit bemüht, und doch war die Spannung zwischen ihnen mit Händen zu greifen. Als Bundesverkehrsminister Manfred Stolpe (SPD) zusammen mit DaimlerChrysler-Vorstandsmitglied Klaus Mangold und Telekom-Vorstand Josef Brauner am Freitag in Berlin vor die Presse trat, waren es noch genau 37 Stunden bis zum Beginn des Maut-Zeitalters in Deutschland. Aber noch am Vorabend waren zwischen Ministerium und Betreiber- Konsortium Toll Collect die Fetzen geflogen, stand der Beginn der Testphase am Sonntag um Mitternacht in Zweifel.
Stolpe musste schon Zuflucht zu seinem nach eigenem Bekunden unerschütterlichen Optimismus nehmen, um verkünden zu können: "Jetzt wird es wirklich ernst. Die Maut kommt." Und dann sagte er, an das Konsortium Toll Collect gerichtet: "Es gibt seit dem 30. Juli eine sehr enge Zusammenarbeit." Was war vorher? Jedenfalls keine enge Zusammenarbeit. An diesem 30. Juli waren die Pläne geplatzt, die Maut bereits Anfang September einzuführen. Die "Welturaufführung" des deutschen Prestigeprojekts war verschoben worden.
Testbetrieb statt "Welturaufführung"
Geblieben ist ein zweimonatiger Testbetrieb von Sonntag an, der zunächst weitgehend unbemerkt ablaufen wird. Denn höchstens 70 000 Lastwagen sind mit den autoradiogroßen Geräten ausgerüstet, die über Satellit die Berechnung der Maut ermöglichen. Schlimmer noch: Das Abrechnungssystem funktioniert noch gar nicht.
Das wohl wichtigste Projekt seiner Amtszeit als Verkehrsminister nennt Stolpe die Einführung der Maut, die noch unter seinem Vorgänger beschlossen worden war. Die Realisierung war vom ersten Tag an von Pannen und Problemen begleitet. Der Minister musste sich gleichzeitig mit dem Betreiberkonsortium und mit der Brüsseler Verkehrskommissarin Loyola de Palacio herum schlagen. Während der Streit mit Brüssel über Ausgleichszahlungen an deutsche Spediteure auf Eis gelegt worden ist, hat sich der Konflikt mit Toll Collect immer weiter zugespitzt.
Statt Gutachten gab's Gerüchte
Ein für den 15. August versprochenes und von Toll Collect in Auftrag gegebenes Gutachten über den Stand der Vorbereitungen verzögerte sich, wurde dann für den 20. zugesagt, später für den 22. in Aussicht gestellt. Was dann schließlich am 27. eintraf, war nicht die bestellte Expertise. Wo blieb das Gutachten? "Man kann vermuten, dass da Dinge drin standen, die sie uns nicht zeigen wollten", heißt es im Ministerium. Wenig hilfreich waren auch viele Spediteure, die den Einbau der Maut-Geräte in ihrem Auto mit extremer Zurückhaltung betrieben. Nicht immer überprüfbare Berichte, wonach sich die High-Tech-Apparate häufig selbst entflammten, jedenfalls reihenweise unbrauchbar waren, machten die Runde.
"Mit Abwarten kommen wir nicht weiter"
Dies alles war auch dem Minister zu Ohren gekommen, doch er vertraute darauf, dass Toll Collect es schon richten würde. Schließlich sind mit DaimlerChrysler und Deutsche Telekom keine Bastler zweifelhaften Rufs am Werke, sondern die Creme der deutschen Unternehmen. 7,3 Milliarden Euro erhält die Gruppe in zwölf Jahren für den Auftrag. Noch am 1. Juli habe das Konsortium Befürchtungen mit Entrüstung zurückgewiesen, es könne etwas schief gehen. Erst als Ende Juli der Zeitplan nicht mehr zu halten war, kam es zu nach Augenzeugenberichten zu einem dramatischen Treffen der Beteiligten.
Seitdem laufe manches besser, wird berichtet, Stolpe mache Druck. "Mit Abwarten kommen wir nicht weiter", sagte er am Freitag, den Top-Managern zugewandt. Die sehen es gelassen. Denn für weitere Verzögerungen können sie nicht zur Rechenschaft gezogen werden, in den ersten drei Monaten nach Beginn des Mautbetriebs, wann immer das sein mag, sind sie von Haftung freigestellt. Stolpe aber legt sich fest: "Wir werden am 2. November starten."